Masturbation und Fahrradwege könnten Obama retten
01.10.10
Die Tea-Party-Bewegung eilt bei den Vorwahlen von Sieg zu Sieg. Die kruden Ansichten der Obama-Gegner könnten aber entscheidende Wähler vergraulen.
Die Stunde der Revanche naht. In genau einem Monat werden die Wähler in den USA bei den Kongresswahlen das Kräfteverhältnis in Washington neu austarieren. Die oppositionellen Republikaner sind beflügelt von der Aussicht, dem einstigen Hoffnungsträger Barack Obama und dessen Demokratischer Partei am 2. November eins auszuwischen. Obamas Gegner freilich präsentieren sich als ungeordneter Haufen. In ihren Reihen befinden sich diesem Jahr besonders exzentrische Kandidaten, die mit schillernden politischen Ansichten im Wahlkampfendspurt über die eigenen Worte zu stolpern drohen.
Die Zeit der Außenseiter ist gekommen. Von der republikanischen Senatskandidatin im Staat Connecticut, Linda McMahon, kursieren im Internet Videos, wie sie einem Mann auf offener Bühne herzhaft zwischen die Beine tritt. McMahon ist Chefin des Wrestling-Verbands WWE. Christine O’Donnell, Senatskandidatin in Delaware, hat sich bislang vor allem als Vorkämpferin gegen Masturbation und durch unbezahlte Rechnungen einen Namen gemacht. Gouverneurskandidat Dan Maes aus Colorado bezeichnete die zunehmende Anlage von Fahrradwegen in US-Städten als Komplott der UN zur Schwächung Amerikas.
Die republikanische Senatskandidatin in Nevada, Sharron Angle, deutete in Reden die Möglichkeit einer bewaffneten Rebellion gegen die Regierung in Washington an – ein Recht, das Angle aus der US-Verfassung ableitet. Senatskandidat Rand Paul aus Kentucky lehnt die Bürgerrechtsgesetze aus den 1960-er Jahren als unbefugten Eingriff des Staates ab und sieht es als Freiheitsrecht, dass Bürger und Unternehmen Minderheiten diskriminieren dürfen.
Was all diese republikanischen Kandidaten vereint, ist der Zorn aufs politische Establishment in Washington im Allgemeinen und auf die linksliberale Politik von Präsident Barack Obama im Besonderen. Gestützt von einer losen erzkonservativen Basisbewegung, die sich als „Tea Party“ bezeichnet, haben sie sich in den parteiinternen Vorwahlen oftmals gegen den Willen der Republikanerführung die Kandidatur für wichtige Ämter gesichert. Die USA sehen diese Kandidaten unter Obama auf dem Weg in den Staatssozialismus. Ihre eigene Mission sehen sie darin, dies mit allen Mitteln zu verhindern.
Der Politikexperte Eric Alterman von der linksliberalen Denkfabrik Center for American Progress in Washington stuft die Tea-Party-Kandidaten als “zutiefst irrational“ und “hysterisch“ ein. Der Parteivorsitzende der Demokraten, Tim Kaine, sagt: “Moderate Ansichten sind bei den Republikanern nicht mehr willkommen.“ Selbst der republikanische Politguru Karl Rove, Berater des früheren Präsidenten George W. Bush, bescheinigte etwa der Kandidatin O’Donnell aus Delaware, sie sei “einfach bescheuert“.
Viele Demoskopen glauben, dass sich die republikanische Parteibasis durch die Aufstellung konservativer Exzentriker einen Bärendienst erwiesen habe. Eine Reihe von Senatssitzen etwa, auf welche die Republikaner gute Chancen gehabt hätten, könnten nun an die Demokraten gehen. Den entscheidenden Wählern der politischen Mitte könnten die republikanischen Rechtsausleger einfach zu extrem sein.
Der Politikanalyst William Galston vom Brookings-Institut in Washington glaubt, dass die äußeren Umstände derzeit zwar klar die Republikaner bevorteilten. Langsames Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit und Obamas sinkende Popularität dürften den Demokraten “beträchtliche Verluste“ bescheren, prophezeit Galston. Andererseits müsse sich erst noch zeigen, ob die Wähler Toleranz für die Ansichten der Tea-Party-Kandidaten zeigten, “die gelinde gesagt nun wirklich jenseits des Mainstreams liegen“. Letzten Umfragen zufolge haben die Republikaner durchaus die Chance auf eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, womit sie Obamas Machtbasis deutlich schmälern könnten.
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