Tea Party: The Great Unknown

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Tea-Party-Bewegung: Die große Unbekannte

04.11.2010

Die US-amerikanischen Unternehmen haben im Wahlkampf eindeutig auf die Republikaner gesetzt. Doch schon am Tag eins nach der Wahl macht sich Ernüchterung breit. Was die rechtskonservative Tea-Party wirklich will, weiß nämlich niemand.

Am Tag nach der Wahl bereiten sich Amerikas Unternehmen auf die neuen Kräfteverhältnisse in Washington vor. Die erstarkten Republikaner haben bereits angekündigt, wesentliche Änderungen an Obamas Großprojekten, Finanz- und Gesundheitsreform, vorzunehmen. Die Konzerne bringen deshalb ihre Lobbyisten in Stellung.

Mit Millionen von Spendengeldern hat Corporate America die Republikaner und die Tea-Party im Wahlkampf unterstützt. Die Wall Street und die Industrie wollten mit ihrem Liebesentzug ein Zeichen setzen gegen Obamas Wirtschaftspolitik, die die einflussreiche US-Handelskammer als “geschäftsfeindlich” gebrandmarkt hat.

Doch schon am Tag nach der Wahl dämmert es der Finanzwelt: Der Erfolg der Republikaner und der radikal-konservativen Tea-Party-Bewegung und die damit verbundene Blockadepolitik in Washington hat seine Schattenseiten. Dementsprechend blieb die sonst übliche Erleichterung an den Börsen nach Wahlsiegen der Republikaner aus. Deren Erfolg hat die Wall Street ein Stück weit verunsichert. Der damit verbundene Stillstand in Washington ist normalerweise eine gute Nachricht für die Märkte. “Dann kann Washington wenigstens nichts vermasseln”, heißt eine alte Wall-Street-Weisheit. Dieses Mal könnte sie jedoch nicht zutreffen. “Was ist, wenn die Banken noch einmal einen von der Regierung gerettet werden müssten, Washington aber gelähmt ist?”, fragen die ersten Zweifler.

Die Tea-Party-Bewegung ist entstanden aus der Wut auf die Banken, die nach ihren riskanten Wetten mit Steuerzahlergeldergeldern gerettet wurden, während der normale Bürger leer ausging. “Es wäre falsch zu glauben, dass Republikaner grundsätzlich bankenfreundlich und Demokraten bankenkritisch eingestellt sind”, sagte der Präsident der US-Handelskammer in Deutschland, Fred Irwin.

Eine politische Mehrheit, um die gigantischen Staatsschulden abzubauen, ist nicht in Sicht, argwöhnten Analysten. Deshalb dürfte die Unsicherheit an den Finanzmärkten künftig eher noch steigen, erwartet Horacio Valeiras, Chef-Anlagestratege bei Allianz Global Investors Capital.

Da die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernommen haben, stellen sie künftig den Vorsitzenden im Finanzausschuss. Der wahrscheinliche Kandidat, Spencer Bachus, kündigte bereits am Mittwoch an, die Finanzreform beeinflussen zu wollen. Banken wie Goldman Sachs, JP Morgan und die Bank of America könnten profitieren.

Denn Bachus will verhindern, dass ein Großteil der Derivate künftig nur noch an Börsen gehandelt werden. “Das vernichtet Arbeitsplätze”, sagte der Abgeordnete am Mittwoch im US-Fernsehen. Bislang werden die komplexen Finanzprodukte vor allem außerbörslich und damit unreguliert und intransparent gehandelt. Die Finanzprodukte waren für einen Teil der Finanzkrise mitverantwortlich. “Wir müssen Obamas übertriebene und expansive Politik wieder zurückdrehen”, sagte Bachus.

Die von Obama geschaffene Verbraucherschutzbehörde für Finanzprodukte ist den Republikanern schon lange ein Dorn im Auge. Sie soll sicherstellen, dass Verbraucher bei Kreditkarten und Hypotheken nicht mehr mit Knebelverträgen in den Ruin geführt werden können. Republikaner fürchten hier jedoch eine zu starke Regulierung der Finanzinstitute. Experten gehen davon aus, dass die Behörde unter der republikanischen Partei unterfinanziert werden könnte. Damit wäre sie nicht in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen.

Während an der Wall Street die Verunsicherung überwiegt, schwankt die Industrie zwischen Erleichterung und Sorge. Für Amerikas Öl-Industrie ist das Wahlergebnis – naturgemäß – eine gute Nachricht. Denn Blockade in Washington heißt, dass Obamas angekündigten Gesetze zum Klimaschutz kaum eine Chance haben werden. Ursprünglich wollte der Präsident noch in diesem Jahr ein umfassendes Paket verabschieden, war damit jedoch im Spätsommer gescheitert. Nun will der Präsident seine Pläne für ein grüneres Amerika in kleinen Schritten umsetzen. Doch nach der Wahl ist fraglich, in wieweit die Republikaner angesichts ihres neuen Selbstbewusstseins noch zum Konsens bereit sind.

Des einen Freud, des anderen Leid: Grüne Energie-Aktien wie Solarworld, Conergy, Roth & Rau und Centrotherm zählten am Mittwoch an der deutschen Börse zu den größten Verlierern. Weltweit hatten die “Cleantech”-Unternehmen auf ein Klimagesetz gehofft, um Investitionssicherheit zu bekommen und von einem Boom in grünen Energien zu profitieren. Der Mischkonzern Siemens und der dänische Windradbauer Vestas haben in den USA Werke gebaut, um sich in dem wachsenden Markt besser positionieren zu können. Doch die Unternehmen bauen auf Subventionen, die jetzt je in den Sternen stehen.

Wie stark politische Mehrheiten den Siegeszug der erneuerbaren Energie in den USA beeinflussen, zeigt das Beispiel Massachusetts: Der bisherige Gouverneur des Bundesstaates, Deval Patrick, will den ersten Offshore-Windpark der USA “Cape Wind” bauen lassen. Sein Gegenkandidat Charlie Baker von den Republikanern war strikt dagegen. Nun hat der bisherige Gouverneur Patrick die Wahl gewonnen – der Park mit einer Leistung bis zu 420 Megawatt kann also gebaut werden. Das ist immerhin ein Lichtblick für Siemens. Die Münchener wurden als “bevorzugter Lieferant” für das Projekt ausgewählt.

Mit besonderer Spannung verfolgte der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS der Wahl. Der Airbus-Mutterkonzern liefert sich seit Jahren ein scharfes Bietergefecht mit Boeing um den derzeit größten Rüstungsauftrag der Welt. Das US-Verteidigungsministerium will noch vor Weihnachten über den Zuschlag für 179 Tankflugzeuge für die US-Luftwaffe entscheiden. Allein dieser erste Teilauftrag hat ein Volumen von 35 Mrd. Dollar.

Airbus wird stark von Teilen der Republikanern protegiert, weil die Europäer im Falle des Zuschlags eine Flugzeugindustrie in den Südstaaten aufbauen wollen. Die Republikaner übernehmen jetzt die Führung im Repräsentantenhaus und damit in dem wichtigen Ausschuss für Rüstungsbeschaffungen, den bislang Norman Dicks führte, ein bekennender Boeing-Lobbyist.” Das könnte uns helfen”, heißt es in EADS-Kreisen.

Allerdings: Mit Ausnahme von EADS sieht sich die Rüstungsindustrie überhaupt nicht als Profiteur des Rechtsrucks in den USA. Denn die Branche stellt sich auf Kürzungen ein – egal, unter welcher Regierung.

Schon vor einem Jahr beispielsweise ist das kostspielige Programm “Future Combat System” zusammengestrichen worden. Die Folge: Amerikanische Rüstungsfirmen werden versuchen, diese Lücken durch wachsende Exporte auszugleichen. Dadurch wächst der Druck auf deutsche und andere europäische Hersteller.

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