Obamas Bollywood-reife Liebeserklärung
Von Georg Blume
9.11.2010
Der US-Präsident wirbt so offensiv um Indiens wirtschaftliche Partnerschaft wie noch nie. Europa verschläft diesen Affront der Amerikaner.
Vorher hatte er die Kongresswahlen in den USA verloren. Hinterher flog er weiter nach Jakarta und Seoul, wo ihn auf dem G20-Gipfel ein handfester Streit um die amerikanische Wirtschaftspolitik erwartete. Dazwischen aber besuchte US-Präsident Barack Obama Indien.
Im Westen nahm davon kaum jemand Notiz. Nicht einmal die amerikanischen Medien interessierte, was Obama in Indien trieb. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem indischen Premierminister Manmohan Singh wurde Obama von einer amerikanischen Journalistin gefragt, was er von der Meinung des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble über die Politik der amerikanischen Zentralbank halte. So geht eben das politische Tagesgeschäft: von Wahl zu Wahl, von Gipfel zu Gipfel. Doch diesmal könnte es sein, dass die westliche Öffentlichkeit dabei ein zentrales, zukunftsweisendes politisches Ereignis völlig aus den Augen verlor.
Obama erinnerte in einer Rede vor dem indischen Parlament daran, dass er Singh als ersten offiziellen Staatsgast seiner Amtszeit im Weißen Haus empfangen hatte. Er betonte, dass er Indien drei Tage lang besuche – länger als jedes Land, in dem er sich als Präsident aufgehalten habe. Mehr Protokollehren sind kaum möglich.
Obama legte aber auch in der Substanz dazu: Er sagte als erster US-Präsident Indien die Unterstützung der USA für einen ständigen Sitz des Landes im Weltsicherheitsrat zu. Bisher hatten die USA nur ihrem Langzeitverbündeten Japan diese Unterstützung gewährt. Er kündigte zudem die US-Exportbeschränkungen nach Indien für bestimmte Waffen und Hochtechnologie-Produkte auf. Er tat alles, um Indien in der Rolle als nächster, großer Verbündeter der USA zu wiegen.
Das war nicht so einfach. Indien hat keine Verbündeten. Punkt. So wollte es die außenpolitische Doktrin des Republikgründers Nehru, an der bis heute niemand gerüttelt hat. “Indien ist zu groß, um sich bei irgendwem anzustellen”, sagt der ehemalige außenpolitische Staatssekretär S. Haidar. Indiens Feind heißt Pakistan, das gerade wieder Waffenlieferungen aus den USA im Wert von zwei Milliarden Dollar bekommen soll.
Trotz aller vorherigen, durchaus nicht erfolglosen Annäherungsversuche seiner Vorgänger Bill Clinton und George Bush hatte Obama in Indien ein schwieriges Feld zu bestellen. Das aber gelang ihm auf eine Art und Weise, die auch seine schärfsten indischen Kritiker zeitweise verstummen ließ.
Drei Tage lang erlebte Indien eine Non-Stop-Obama-Show, die es in sich hatte. Obama zeigte den Indern mit Händen, Füßen und seiner besten Rhetorik, wie gern er sie hat und für wie wichtig er sie hält. Er tanzte mit Schulkindern nach Bollywood-Klängen. Er diskutierte ausgiebig mit Studenten deren kritische Fragen nach dem US-Versagen in Pakistan und Afghanistan.
Warum würde er Pakistan nicht als Terrorstaat bezeichnen, fragte ihn eine indische Studentin. Obama aber reagierte nicht verärgert, wich nicht zurück und erklärte, erklärte, erklärte. Das Thema war ja auch kompliziert genug. So aber kam Obama in Indien an: Nie sprach er von oben herab, keine Spur von der üblichen amerikanischen Überheblichkeit. Stattdessen eine Parole: “Indien steigt nicht auf. Indien ist aufgestiegen”, sagte Obama immer wieder in diesen drei Tagen.
Am Ende ließ sich aus Obamas programmatischen Reden in Indien durchaus der Ansatz für eine neue außenpolitische Doktrin der USA ablesen: Die Wirtschaft der USA, ließ Obama wissen, könne nur in Asien genesen, weil Asien für das höchste Wirtschaftswachstum der Welt sorge. In diesem Asien aber sieht Obama die USA “Schulter an Schulter” mit Indien. “Wir sind zwei starke Demokratien”, sagte Obama und meinte damit: die zwei stärksten!
Er betonte immer wieder, dass der Rest der Welt von den USA und Indien lernen könne. Das ging oft deutlich an die Adresse Chinas. Aber auch die Adresse Europas: Weil Europa bei Obama nicht einmal in diesen drei Tagen Erwähnung fand. Es ist durchaus möglich, dass sich die Europäer auch deshalb kaum für seine Indienreise interessierten.
Aber das war unklug. Denn aus europäischer Sicht war es schon eine Frechheit, wie sich Obama und sein indischer Kollege anmaßen, für die Demokratie in aller Welt zu sprechen, als gäbe es Europa gar nicht. Aber wer nicht hinschaut, kann eben nicht mitreden.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.