Obamas erste zwei Jahre
Von Victor Grossman
22.01.2011
Barack Obamas zweites Amtsjahr endete mit der Tragödie von Tucson. Kugelfeuer und Tod zeigten grell, wie geladen die Situation in den USA geworden ist. Im heißen, wüstenreichen Bundesstaat Arizona konzentriert sich wie unter einer Lupe der Hass gegen Einwanderer, gegen Fortschritt, gegen Obama. Es ist traurige Ironie, dass die bewegte Trauerrede des Präsidenten zum Tod bzw. zur Verletzung von 19 Menschen ihm eine merkliche Steigerung der Sympathie einbrachte und zugleich die Rechten, die ihren Wahlsieg im neuen Kongress auskosten wollen, in die Defensive drängte. Gerade Sarah Palin, die nicht wenig von der Schuld trägt, büßte wegen ihrer beschämenden Reaktion auf den Amoklauf manche Chancen ein. Millionen merkten wieder, dass Obama gekonnt reden kann und dass er ein Herz hat – in den zwei Amtsjahren hatte er das allzu selten demonstriert.
Seine Freunde denken wohl: Höchste Zeit! Die Euphorie von 2008 – Bush geht, jemand mit Intelligenz kommt, ein erstaunlicher Sieg über den Rassismus wurde errungen – wich bald der Ernüchterung. Denn Redekunst, Intelligenz und Herz reichten nicht aus. Das merkten Millionen ohne Arbeit, noch Unversicherte, durch Hypothekenbetrug heimlos Gewordene und alle, die durch das schwache Sozialnetz der USA gefallen sind. Nur: Um die Misere zu lindern, müsste man bereit sein, Industrieherren zu trotzen, die auf Profitbilanzen statt auf Menschen schauen. Auch jenen, die Waffen an jeden verkaufen. Auch den Erdölkonzernen müsste getrotzt werden, den Riesen, die gierig die Krankenversicherung in ihren Händen halten, den Pharmakonzernen mit ihren Fantasiepreisen und vor allem den weniger, doch noch reicher gewordenen Finanzzaren in ihren Wolkenkratzerbüros. Gewiss tat Obama Gutes am Rand; den Giganten aber hat er nie getrotzt.
Und im Ausland? Wenn auch kaum mehr Alleinherrscher, bringen die USA bis heute einem Land nach dem anderen weit mehr Tod und Tränen als der Mörder von Tucson. Es wird getrauert in Honduras; in Kongo, wo der Kampf um Bodenschätze tobt, es wird weiter gemordet und vergewaltigt; es wird weiter in Afghanistan gebombt. Trotz aller Reden wird das Leiden in Ramallah und Gaza kein bisschen weniger.
Was tun? Unter Progressiven gibt es, wie so oft, Streit. Die einen meinen: So schwach er war, die Tea-Party-Fanatiker und Rassisten werden bald wieder mit voller Kraft angreifen. Man muss Obama unterstützen! Dagegen sagen die anderen: Das einzige Mittel gegen solche Angriffe ist eine Bewegung, unabhängig von der durch Lobbyisten und megareiche Geldgeber verseuchten Demokratischen Partei. Mit Gegeninitiativen für die Rechte der Arbeiter, der Schwarzen, der Einwanderer, der Frauen, der Grünen, der Schwulen, der um Frieden Besorgten muss man Obama gemeinsam unter Druck setzen. Schwierig? Ja, sehr, doch in manchen Kämpfen hat man das geschafft. Obama muss von unten, nicht von oben bedrängt werden!
Auch außerhalb der USA muss er laut hören: »Raus aus Afghanistan!«, »Stützpunkte schließen«, in Irak und der Pfalz, »Hände weg« von Venezuela, Kuba, Iran, nun auch von Tunesien! Das gilt, ob der Präsident Obama oder sonst wie heißt. Wenn Obama auf die Menschen hört, nicht auf das Geld, und wenn er handelt, steigen die Chancen, dass die nächsten zwei Amtsjahre nicht seine letzten werden.
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