Amerikas Angst vor einem neuen Irak-Abenteuer
Von Gregor Waschinski
20.3.2011
US-Präsident Obama versucht in der Libyen-Krise, diskret zu agieren. Im Hinterkopf hat er ein US-Militärabenteuer, das genau vor acht Jahren begann: den Irak-Krieg.
Als US-Raketen auf Stellungen der libyschen Regierungstruppen niedergehen, ist Präsident Barack Obama nicht bei seinen Generälen in Washington, sondern in Brasilien. Am Rande einer Lateinamerika-Reise tritt Obama am Samstag in der Retorten-Hauptstadt Brasilia kurz vor die Presse und verkündet, dass er erstmals in seiner Amtszeit eine Militärintervention befohlen habe. Um jeden Preis will der Präsident den Eindruck vermeiden, dass die USA sich erneut in einen langfristigen Konflikt fernab der Heimat stürzen. Im Hinterkopf hat er dabei ein US-Militärabenteuer, das auf den Tag genau vor acht Jahren begann: den Krieg im Irak.
Mit einem markigen „Los geht’s“ soll Obamas Vorgänger George W. Bush am Abend des 19. März 2003 im Weißen Haus den Befehl für den Einsatz gegeben haben, der sich über Jahre hinziehen und mehr als 4000 US-Soldaten den Tod bringen würde. Während US-Bomber ohne Rückendeckung der UNO in jener Nacht Luftangriffe auf Bagdad flogen, schwor Bush seine Landsleute in einer TV-Ansprache mit Pathos auf die “Operation Iraqi Freedom“ ein.
Noch immer sind knapp 50.000 US-Soldaten im Irak stationiert, bis Ende des Jahres sollen sie das Land verlassen haben. Auch in Afghanistan sind fast 100.000 US-Soldaten in zähe und unübersichtliche Kämpfe verwickelt, deren Sinn die Bevölkerung zunehmend in Frage stellt. Die USA sind kriegsmüde, und deshalb betont Obama in Brasilia vor allem drei Dinge: Der Einsatz in Libyen ist begrenzt, die USA schicken keine Bodentruppen und sind in eine breite internationale Koalition eingebunden.
Einsatz nicht “erste Wahl”
Lange stand die US-Regierung dem Werben Frankreichs und Großbritanniens für ein robustes Vorgehen gegen Muammar el Gaddafi skeptisch gegenüber. Erst als die Truppen des libyschen Machthabers kurz vor der Einnahme der Rebellenhochburg Bengasi standen und auch die Arabische Liga eine Flugverbotszone über Libyen forderte, unterstützte Washington im UN-Sicherheitsrat militärische Schritte.
„Ich möchte, dass das amerikanische Volk weiß, dass der Einsatz von Gewalt nicht unsere erste Wahl ist“, sagt Obama in Brasilia. Angesichts des brutalen Vorgehens Gaddafis gegen die Zivilbevölkerung gebe es aber keinen anderen Ausweg. Daher habe er eine „begrenzte militärische Aktion“ angeordnet. Zu der vorsichtigen Erklärung Obamas passt der Ablauf der Kampfhandlungen: Nicht die US-Luftwaffe, sondern französische Kampfjets geben über Libyen die ersten Schüsse ab. Erst später feuern US-Kriegsschiffe aus sicherer Entfernung Marschflugkörper auf Ziele in dem nordafrikanischen Land.
Rückendeckung durch UN-Mandat
Das US-Militär sieht seinen Platz beim Libyen-Einsatz offenbar in der zweiten Reihe. Aus dem Pentagon heißt es, die erste Angriffswelle solle vor allem die libysche Luftabwehr ausschalten, damit die Flugverbotszone anschließend von Kampfjets überwacht werden kann. An diesen Patrouillen im libyschen Luftraum werden sich die US-Streitkräfte wohl nicht beteiligen. Obama sagt in Brasilia, die Führungsrolle bei der Durchsetzung der Flugverbotszone liege bei „unseren internationalen Partnern“.
Der US-Präsident legt viel Wert darauf, dass sein Land anders als beim Irakkrieg die Rückendeckung eines UN-Mandats genießt und gemeinsam mit „europäischen und arabischen Partnern“ handelt. Darauf sei er „stolz“. Innenpolitisch muss der Präsident damit rechnen, dass ihm so viel Zurückhaltung als Schwäche ausgelegt wird. Der einflussreiche republikanische Senator John McCain, der im Präsidentschaftswahlkampf 2008 seinem damaligen Gegenkandidaten Obama bereits militärische Unerfahrenheit ankreidete, polterte in der vergangenen Woche: „Amerika muss führen.“
Doch Obama setzt darauf, dass seine Landsleute der Gefechte in entfernten Weltregionen überdrüssig sind. Einen Satz hebt er in seiner Erklärung in Brasilien deshalb besonders hervor: „Wir werden keine, ich wiederhole: keine Bodentruppen einsetzen.“
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