Obama Does Not Want to Lead the War in Libya

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Obama will den Libyen-Krieg nicht anführen

Der US-Präsident lehnt eine Führungsrolle der USA ab – die Europäer sollen ran. Einen weiteren, unkalkulierbaren Einsatz im Ausland will er vermeiden.

Barack Obama weilte 6700 Kilometer weit weg von seinen Bürgern, in Brasilia, als er den US-Streitkräften den Einsatzbefehl für Libyen gab. Er verkündete es am Rande seines Treffens mit Brasiliens neuer Präsidentin Dilma Rousseff, mit ernstem Blick und dunkler Stimme. Aber das ist nur eine von mehreren Denkwürdigkeiten. Eine andere: Der Präsident wird nicht müde zu betonen, dass die USA “nicht die Führungsrolle” in diesem Einsatz haben, sondern nur eine support role, eine unterstützende Funktion für die arabischen und europäischen Verbündeten. Das sind sehr ungewohnte Worte für Amerikaner. American leadership gehört sonst zu den Grundfundamenten jeder Äußerung zur Außenpolitik.

Und stimmt das überhaupt mit den Nachrichten aus Libyen überein? Mehr als hundert Raketen hat die Koalition der Willigen auf Gadhafis Luftabwehr und andere Ziele geschossen, verkünden die Sonntagszeitungen in den USA. Einen Großteil davon feuerten US-Schiffe ab. Die Sprachregelung, die Obama wünscht, ist so unüblich, dass sie seinem Generalstab nicht so leicht über die Lippen kommt. “Wir übernehmen die Führungsflanke”, sagt Vizeadmiral Bill Gortney im Pentagon. Fast zeitgleich betont Außenministerin Hillary Clinton in Paris: “Wir führen die Operation nicht an.”

Wie sollen die Amerikaner aus ihrem Präsidenten schlau werden? Versteht er die Lage in Nordafrika besser, weil er einen kenianischen Vater hat? Oder zeigt sich hier einmal mehr, warum so viele Bürger ihn immer wieder als fremd und unamerikanisch empfinden? Wenn er ernsthaft erwäge, die USA in einen dritten Krieg neben Irak und Afghanistan zu führen, müsse er dann nicht zuhause bleiben und seine einwöchige Südamerikareise absagen, haben die Reporter seinen Sprecher Jay Carney noch am Donnerstag im Weißen Haus bedrängt. Schließlich ist dies Obamas erster selbst gewählter Krieg. Irak und Afghanistan hat er von George W. Bush geerbt.

Obama legt es freilich gar nicht darauf an, seine Außenpolitik als widerspruchsfrei darzustellen. Er mutet es Bürgern zu zu begreifen, dass die Herausforderungen nicht schwarz und weiß sind, sondern grau. Sehr oft sind die Argumente für ein Eingreifen ähnlich gut und überzeugend wie die Gründe, die dagegen sprechen. Er teilt viele Bedenken, die Kanzlerin Merkel vom Mittun abhalten. Deshalb hat er zwei Wochen lang gezögert. Und deshalb wirkte es wie ein unerwarteter Schwenk, als die USA ihren ganzen Einfluss am Mittwoch in den Vereinten Nationen aufboten, um eine Resolution zu verabschieden, die militärische Aktionen gegen Libyen erlaubt.

Es waren nicht Militärs und konservative Falken, die Obama dorthin brachten. Es waren drei Amazonen, Interventionisten aus dem linken Lager: Samantha Power, früher Harvard-Professorin und nun Menschenrechtsbeauftragte im Nationalen Sicherheitsrat (NSC), UN-Botschafterin Susan Rice und Gayle Smith, eine wichtige Stimme im Center for American Progress, der Denkfabrik für Obamas Politik, unter Bill Clinton war sie im NSC zuständig für Afrika. Für alle drei war es ein Schlüsselerlebnis, dass die USA beim Völkermord in Ruanda 1994 nicht eingriffen. Bill Clinton nennt es im Rückblick einen seiner schwersten Fehler. Was die Lehren für Libyen betraf, wechselte auch Hillary Clinton in der ersten Hälfte der vergangenen Woche ins Lager der Interventionisten – freilich erst, nachdem sie in Paris mit Vertretern der libyschen Opposition gesprochen hatte.

Zwischen dem 9. und 16. März wurde in täglichen Krisensitzungen im Weißen Haus gestritten, meist ruhig und konzentriert, mitunter leidenschaftlich, in seltenen Ausnahmen mit erhobener Stimme. Obama mag es nicht, wenn die Temperamente durchgehen. Er hat große Sympathien für Freiheitsbewegungen. Aber er scheut das Risiko. Die Wortführer der Skeptiker waren Verteidigungsminister Robert Gates, der Nationale Sicherheitsberater Thomas Donilon und sein Vize Denis McDonough. Es sei viel zu riskant für die Stimmung in der arabischen Welt, wenn es so aussähe, als ob die USA ein bestimmtes politisches Ergebnis mit Gewalt erzwingen wollten.

Das Militär könne wegen Irak und Afghanistan keinen lang anhaltenden dritten Krieg führen und schon gar nicht Bodentruppen für ein weiteres Nation building stellen, wenn nach Gadhafis Sturz ein Machtvakuum entstehe und ausländische Streitkräfte die Sicherheit und später freie Wahlen garantieren sollen. Selbst wenn man die Mission von vornherein auf den Schutz der Zivilbevölkerung aus der Luft beschränke, könne sich aus dem weiteren Verlauf ein Sog entwickeln, der die USA ungewollt in einen vollen Krieg ziehe. Sie wollen Obama davor schützen, dass unkalkulierbare außenpolitische Abenteuer ihn von den innenpolitischen Zielen ablenken oder gar seine Wiederwahl gefährden. Jimmy Carter stolperte 1980 über den misslungenen Einsatz zur Befreiung amerikanischer Geiseln im Iran.

Zwei Faktoren gaben am Ende den Ausschlag. Erstens die Dynamik am Boden: Gadhafis Söldner schlugen die Aufständischen mit erschreckender Geschwindigkeit zurück. Zweitens bekam Obama, was er als unabdingbar ansah: eine führende Rolle arabischer Staaten in der Front gegen Gadhafi. Die Arabische Liga forderte die Flugverbotszone. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi Arabien versprachen die Beteiligung ihrer Luftwaffen gegen Libyen. Und nach Darstellung amerikanischer Medien liefert Ägypten bereits Waffen an die Aufständischen.

Keine führende Rolle der USA? Obama hält daran fest. Er definiert den Auftrag viel enger als Frankreichs Präsident Sarkozy. “Die Zivilbevölkerung schützen”, sagt Obama. “Gadhafi stürzen”, sagt Sarkozy. Französische Kampfjets greifen Gadhafis Truppen an, das US-Militär beteiligt sich bisher nur an der Ausschaltung der libyschen Luftabwehr. Danach sollen “unsere europäischen und arabischen Verbündeten die Flugverbotszone durchsetzen”. Die USA wollen sich nach wenigen Tagen auf eine Rolle im Hintergrund zurückziehen.

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