The U.S. Turns Its Back On the World

 

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Posted on June 26, 2011.

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Die USA wenden sich von der Welt ab

Von Alan Posener

25.06.2011

Barack Obama will mit dem Afghanistan-Abzug das “Jahrzehnt des Krieges” beenden. Wer darüber jubelt, könnte sich bald eines Besseren besinnen.

Das war’s also. Barack Obama hat nicht nur, wie erwartet, den vollständigen Abzug aus Afghanistan bis 2014 angekündigt.

Er hat eine Begründung für den Abzug geliefert, die das offizielle Ende einer expansiven Epoche amerikanischer Außenpolitik darstellt, „eines Jahrzehnts des Krieges“, wie Obama in seiner Ansprache an die Nation sagte, in dem Amerika Gefahr lief, „sich zu überdehnen“ bei dem Versuch, „jedem Übel zu begegnen, das sich in Übersee finden ließ“.

Es sei Zeit, sich „auf Nation Building bei uns zu Hause zu konzentrieren“. Erst mit dieser Rede ist die neokonservative Ära endgültig vorbei. Wer darüber jubelt, könnte sich bald eines Besseren besinnen. Denn gefährlicher als der amerikanische Expansionismus ist der regelmäßig auf solche euphorischen Epochen folgende Kater des amerikanischen Isolationismus.

Den Militärs zu schnell, dem kriegsmüden Volk zu langsam

Was den Abzug aus Afghanistan betrifft, so geht er den Militärs zu schnell vor, dem kriegsmüden Volk zu langsam. Der Streit darüber ist aber müßig, weil der Zeitplan von etwas Wichtigerem diktiert wird als dem Schicksal Afghanistans – nämlich vom Schicksal des Präsidenten.

Bis zum Wahltermin im November 2012 wird Obama genügend Soldaten nach Hause geholt haben, um seinen Anhängern die Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu demonstrieren, aber nicht so viele, dass Afghanistan kollabiert.

Damit wird – sollte Obama wiedergewählt werden – erst sein Nachfolger zu tun haben.

„Wir werden nicht versuchen, Afghanistan zu einem perfekten Ort zu machen“, sagte der Präsident. Sprich: Der Versuch, das Land zu demokratisieren, wird aufgegeben. Es reiche, wenn es nicht wieder zu einem „sicheren Unterschlupf für al-Qaida“ wird, wofür die USA nach dem Abzug mit Drohnen und Spezialtruppen sorgen können, wie zurzeit in Pakistan.

Abwickeln des Projekts Demokratieexport

Obama kann das Abwickeln des Projekts Demokratieexport umso unbesorgter betreiben, als sich seine möglichen Herausforderer noch deutlicher von der transformatorischen Außenpolitik George W. Bushs verabschiedet und dem Isolationismus das Wort geredet haben.

Jon Huntsman, den viele für den aussichtsreichsten Kandidaten der Republikaner halten, will die Militärausgaben kürzen, um besser für die wirtschaftliche Konkurrenz mit „Asien“ – also China – gewappnet zu sein. Und das von den Republikanern beherrschte Repräsentantenhaus stimmte am Freitag gegen den Libyen-Einsatz der USA.

Das Votum hat zwar nur symbolische Bedeutung und bindet den Präsidenten nicht, aber es dokumentiert den Gesinnungswandel unter den Republikanern.

Rückkehr der Rechten zu ihren Wurzeln

Ein Wandel, der eine Rückkehr der Rechten zu ihren Wurzeln bedeutet. Denn entgegen den Vorurteilen der europäischen Linken war die „imperiale Präsidentschaft“ (so kennzeichnete der Historiker, Berater und Redenschreiber der Kennedy-Brüder, Arthur M. Schlesinger, die Funktion des Weißen Hauses? im 20. Jahrhundert) von Woodrow Wilson, Franklin D. Roosevelt und Harry Truman bis hin zu John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson ein Projekt der Demokraten.

Seit Wilson „die Welt für die Demokratie sicher machen“ wollte, steht die Demokratische Partei eher für eine internationalistische Politik, die Republikanische eher für eine skeptische Realpolitik. Die von den Demokraten Truman, Kennedy und Johnson in Korea und Indochina begonnenen Kriege haben die Republikaner Dwight D. Eisenhower und Richard M. Nixon beendet.

Der Republikaner Ronald Reagan wurde hierzulande zwar als Kriegstreiber verteufelt, führte jedoch nur einen einzigen Krieg, die Invasion der Mini-Insel Grenada. Sein Nachfolger George Bush Senior befreite zwar Kuwait, beließ jedoch Saddam Hussein lieber im Amt, als die Verantwortung für den Wiederaufbau des Iraks zu übernehmen.

Sein Sohn führte seinen ersten Wahlkampf unter dem Motto einer „demütigeren“ Außenpolitik und mit dem Versprechen, Amerikas Armee zu verkleinern und nicht für Nation Building zu missbrauchen.

Wende um 180 Grad nach Osama Bin Laden

Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 löste Osama Bin Laden eine Wende um 180 Grad aus und gab den Neocons die Chance, ihr Konzept der Sicherheit durch Demokratisierung zur offiziellen Politik der Bush-Administration zu machen.

Viele Republikaner warfen den Neocons – zu Recht – vor, ihre Politik sei weder neu noch konservativ, sondern eine Wiederbelebung der Ideen Wilsons. Manche sahen sogar im Programm der Neocons, unter denen sich nicht wenige ehemalige Trotzkisten befanden, eine Neubelebung des von Trotzki formulierten Konzepts der „permanenten Revolution“, theoretisch begründet durch die Geschichtsteleologie Francis Fukuyamas, der wie Hegel und Marx ein determiniertes „Ende“ – also ein Ziel – der Geschichte proklamierte.

Nur, dass Fukuyama dieses „Ende“ nicht wie Hegel im preußischen Beamtenstaat oder wie Marx im Sozialismus, sondern im weltweiten Sieg von Demokratie und Kapitalismus erblickte.

Amerika spielt ungern den Weltpolizisten

Wie dem auch sei: Der „unipolare Moment“ ist eben Moment geblieben, und es ist den Neocons nicht gelungen, daraus ein „neues amerikanisches Jahrhundert“ zu machen, wie es ihnen vorschwebte. Denn Amerika spielt ungern den Weltpolizisten, schon gar nicht sind die USA imstande, eine langfristige imperiale Strategie zu verfolgen.

Wie sagte Präsident Obama in seiner Afghanistan-Rede in deutlicher Anspielung auf die Neocons: „We stand not for empire but for self-determination“ – Wir stehen nicht für ein Imperium, sondern für die Selbstbestimmung der Völker.

Freilich wird mit diesen großen Worten die Tatsache maskiert, dass die neue Bescheidenheit der USA vor allem wirtschaftlich bedingt ist. „It’s the economy, stupid!“ Bei allen wichtigeren Indikatoren – Wachstum, Beschäftigung, Schulden und Handelsbilanz – sind die USA nicht nur von China, sondern auch, was noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien, von Europa abgehängt worden.

Staatsschulden und Haushaltsdefizit sind so hoch wie seit 60 Jahren nicht mehr. Während sich die EU den Kopf über einen möglichen Staatsbankrott Griechenlands zerbricht, kündigte das US-Finanzministerium vergangene Woche an, dass der Kongress die gesetzliche Schuldengrenze bis zum 2. August anheben müsse, sonst sehe sich das Land außerstande, seine Schulden zu bedienen.

Europäische Union: “Demokratisches Imperium“

Die Europäische Union, die in den Worten ihres Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso ein „demokratisches Imperium“ darstellt und an seiner Peripherie – von Weißrussland über die Ukraine und die Türkei bis hin zu den Bürgerkriegen in Syrien und Libyen und dem komplizierten Prozess des arabischen Frühlings – mit Problemen konfrontiert ist, vor denen es sich nicht davonstehlen kann, wird sich – wie es sich beim Libyen-Einsatz abgezeichnet hat – der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass die USA künftig nicht automatisch die Führung übernehmen werden, wenn es darum geht, die Interessen des Westens wahrzunehmen.

Obama fand zwar für seine Libyen-Politik die Bezeichnung „von hinten führen“, aber von Führung haben die Europäer wenig verspürt.

In Amerikas Abwendung von der Welt liegt eine große Gefahr, denn undemokratische Mächte werden versuchen, das Vakuum zu füllen. Europa ist gefordert wie nie zuvor. Dass Deutschland in der ersten Bewährungssituation die so oft beschworene gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU torpediert hat, lässt wenig Gutes ahnen.

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