The Base in Rebellion

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Die Basis rebelliert

Von Philipp Schläger

23.07.2011

US-Bundesstaaten streichen Haushalte zusammen. Gewerkschaften akzeptieren Lohnkürzungen, um Entlassungen zu ­vermeiden. Doch ihre Mitglieder wollen nicht mitmachen

Das sind keine normalen Zeiten, und wir haben hart daran gearbeitet, um die Opfer durch Fairneß und Respekt auszugleichen.« Danny Donohue, Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlicher Beschäftigter (CSEA) in den USA, war sehr bemüht, seinen Mitgliedern den Tarifabschluß mit dem Staate New York zu verkaufen. »Der Vertrag bietet sichere Arbeitsplätze und verhindert Massenentlassungen«, so Donohue zu Beginn der Woche. Die CSEA steht vor einem Problem. Sie hat sich mit dem finanziell angeschlagenen New York auf einen Kompromißpaket geeinigt. Doch noch fehlt die Zustimmung ihrer Mitglieder, und die zeigen sich wenig gewillt, den Deal anzunehmen. Dieser sieht unter anderem einen dreijährigen Lohnstopp, höhere Beiträge zur Krankenversicherung, unbezahlten Pflichturlaub und Rentenkürzungen vor. Dafür bietet der Staat den 100000 Gewerkschaftsmitgliedern eine Arbeitsplatzgarantie für die kommenden zwei Jahre und zwei Prozent mehr Lohn nach drei Jahren.

Vor einem ähnlichen Problem steht auch die zweitgrößte Gewerkschaft des Bundesstaates, die Public Em­ployees Federation (PEF). Sie hat ebenfalls Schwierigkeiten, ihre Verhandlungsergebnisse der Basis schmackhaft zu machen. Beide Organisationen vertreten gemeinsam mehr als die Hälfte aller öffentlich Beschäftigten in New York.

Die drastischen Kürzungsversuche im Ostküstenstaat sind kein Einzelfall. Im ganzen Land stehen öffentliche Einrichtungen vor drastischen Einschnitten. Um ihre maroden Haushalte zu sanieren, fordern zahlreiche Bundesstaaten umfassende Zugeständnisse bei den Lohnverhandlungen, ansonsten drohten Massenentlassungen. Die Gewerkschaftsführungen sollen die Maßnahmen ihren Mitgliedern verkaufen, doch die rebellieren. Bereits im vergangenen Monat wurde in Connnecticut ein ähnlicher Kompromiß wie in New York durch ein Veto der Basis torpediert. Und in Albany, der Hauptstadt des Bundesstaates New York, sah sich die kleine Polizeigewerkschaft gezwungen, den Kürzungsplänen des Gouverneurs eine Absage zu erteilen. Der Druck von unten war zu groß. Zahlreiche Beschäftigtenorganisationen reagieren auf den Unwillen der Basis nun mit Versuchen, deren Einfluß auf das Zustandekommen von Abkommen zu verhindern.

Gleichzeitig sind sie immer feindseligeren Angriffen ausgesetzt. Vor kurzem etwa kündigte der demokratische Gouverneur von Illinois, Pat Quinn, einen Vertrag über moderate Lohnerhöhungen für 30000 Beschäftigte seines Bundesstaates mit Verweis auf leere Kassen. Die Gewerkschaften reagierten empört und bezeichneten das Vorgehen als »illegal und unverantwortlich«. Aber in zahlreichen Bundesstaaten fordern konservative Mehrheiten inzwischen sogar unverhohlen die Einschränkung elementarer Gewerkschaftsrechte. Das prominenteste Beispiel war Wisconsin. Der 2010 gewählte rechtsextreme Gouverneur Scott Walker hatte dort im Februar versucht, das Verhandlungsmandat von Gewerkschaften auf Löhne zu beschränken. Alters- und Krankenvorsorge sollten künftig von Tarifgesprächen ausgeschlossen werden.

Doch diese Offensive hat eine unerwartete Protestwelle ausgelöst. Die folgenden Masssendemonstrationen, die in einer zweiwöchigen Besetzung des Parlaments gipfelten, stellten sogar die Mobilisierungen der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung in den Schatten.

Durch sogenannte Rückrufwahlen (Recall-Elections) muß Governeur Walker inzwischen sogar um seine konservative Mehrheit im Parlament fürchten. Das Wahlrecht des Bundesstaates im mittleren Westen gibt seinen Bürgern nämlich die Möglichkeit, eine erneute Abstimmung in einem Bezirk herbeizuführen und selbst frisch ins Amt gekommene Abgeordnete »zurückzurufen«. Insgesamt müssen sich sechs Republikaner und drei Demokraten einer Wiederwahl stellen. Ein Plus von drei Demokraten würde am Ende reichen, um zahlreiche Gesetzesprojekte Walkers zu blockieren.

Ein Signal für die gewandelte Stimmung in Wisconsin war die Bestätigung des demokratischen Senators Dave Hansen, bei der ersten Runde der Recall-Elections am 17. Juli. Er erhielt mehr als doppelt so viele Stimmen wie sein konservativer Herausforderer. Hansen war im Februar gemeinsam mit 13 Abgeordneten seiner Partei von Wisconsin nach Illinois geflüchtet. So wurde die Abstimmung über das gewerkschaftsfeindliche Gesetz, für die den Republikanern eine Stimme fehlte, blockiert.

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