Obamas Gegenspieler
Von Norbert Kuls
26. Juli 2011
Die Verhandlungen über die Anhebung der amerikanischen Schuldengrenze machen Präsident Obama sichtlich zu schaffen. Sein Gegenspieler John Boehner, der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, ist als Neinsager bekannt.
Der amerikanische Präsident Barack Obama weiß, dass Politik ein dickes Fell erfordert. Angriffe in den Medien nimmt er nicht sonderlich persönlich. Es ist Teil des politischen Spiels. Die immer noch ergebnislosen Verhandlungen über die Anhebung der amerikanischen Schuldengrenze machen Obama mittlerweile aber sichtlich zu schaffen. Dem Präsidenten kam kein joviales Lächeln mehr über die Lippen, als er jüngst neben seinem wichtigsten Gegenspieler John Boehner saß und Fotografen Gelegenheit für ein paar Aufnahmen gab. Boehner, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, lächelte auch nicht.
Dabei hatte es unlängst noch so ausgesehen, als würden sich Obama und Boehner auf einen umfassenden Kompromiss in der Schuldenfrage einigen können. Aber beide haben offenbar Schwierigkeiten, Kompromissvorschläge in ihren Parteien durchzusetzen. Als Boehner die direkten Verhandlungen mit Obama am vergangenen Freitag zum zweiten Mai abbrach, wurde der Ton schärfer. „Wir haben keine Zeit mehr“, sagte Obama in einer rasch einberufenen Pressekonferenz. „Eine der Fragen, die sich die republikanische Partei stellen muss, ist: Können sie zu irgendetwas Ja sagen?“, stichelte Obama.
Boehner warf Obama dagegen vor, auf die Erhöhung von Steuern zu bestehen und die versprochenen Ausgabenkürzungen bei staatlichen Programmen wie der Sozialversicherung und der Krankenversicherung für Senioren nicht ernst zu meinen. Es habe bereits eine Abmachung per Handschlag über das Volumen geplanter Steuererhöhungen gegeben. Die Regierung habe diese Summe in den Verhandlungen dann aber einfach um 400 Milliarden Dollar auf 1,2 Billionen Dollar angehoben. „Mit dem Weißen Haus zu verhandeln, ist so als ob man mit einer Schüssel Jell-O verhandelt“, sagte Boehner mit Hinweis auf eine beliebte Nachspeise aus wackeliger Gelatine.
Tricks des Finanzmisteriums
An den Finanzmärkten sorgt die Schuldendebatte in Washington für zunehmende Nervosität. Wenn der Kongress bis zum 2. August keine Erhöhung der Schuldengrenze beschlossen hat, droht der Regierung die Zahlungsunfähigkeit. Einflussreiche Ratingagenturen wie Moody’s oder Standard & Poor’s haben mit einer möglichen Abstufung der amerikanischen Bonität gedroht. Der Vorsitzende der amerikanischen Notenbank, Ben Bernanke, hatte einen möglichen Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten jüngst als „katastrophales Ergebnis“ bezeichnet, das weltweite Schockwirkungen auf die Wirtschaft hätte.
Zum Thema
Die Republikaner, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellen und von Boehner geführt werden, wollen einer höheren Schuldengrenze nur zustimmen, wenn es zugleich eine Einigung über den Abbau des Haushaltsdefizits gibt. Darüber gibt es aber unterschiedliche Vorstellungen. Republikaner halten nichts von Steuererhöhungen. Demokraten sperren sich gegen Kürzungen in staatlichen Programmen. Die Regierung hatte schon im Mai die geltende Schuldengrenze von 14,3 Billionen Dollar erreicht. Das Finanzministerium nutzt seither Bilanztricks und nimmt weniger Anleihen auf. Verstreicht die Frist Anfang August, stehen nicht nur Zinszahlungen an die Besitzer amerikanischer Staatsanleihen in Frage, sondern auch die monatlichen Schecks an Millionen von Rentner. Nach einer Meinungsumfrage des Nachrichtensenders CNN werfen zwei Drittel der Bevölkerung den Republikanern vor, sich in den Verhandlungen bisher unverantwortlich verhalten zu haben. Dagegen glaubt eine knappe Mehrheit, dass Obama verantwortlich handelt.
„Zur Hölle, nein“
Boehner hatte schon im vergangenen Jahr, als die Demokraten noch beide Kongresskammern dominierten, mit Widerstand gegen Obama Schlagzeilen gemacht. „Zur Hölle, nein“, rief Boehner während der Schlussdebatte über die später verabschiedete Gesundheitsreform im Repräsentantenhaus. Bei den radikaleren Teilen seiner Partei, der konservativen Tea-Party, könnte Boehner mit einer kompromisslosen Haltung gegen Obama an Popularität gewinnen. Aber Boehner dürfte auch die Gefahr für die Konjunktur beurteilen können, falls es tatsächlich zu keiner Einigung kommen sollte.
Boehner, der deutsche Vorfahren hat und aus Cincinnati stammt, schaffte den Sprung vom Arbeiter in einer Arzneimittelfabrik zum Studenten der Volkswirtschaft. Später leitete er ein mittelständisches Unternehmen, das Verpackungen herstellte. Seine politische Karriere begann in den achtziger Jahren. Er war zunächst Abgeordneter im Bundesstaat Ohio und wurde nach sechs Jahren erstmals ins Repräsentantenhaus in Washington gewählt. Mit 61 Jahren ist er mehr als zehn Jahre älter als Obama und ist auch kein so guter Redner wie der Präsident. Aber es gibt etwas, das ihn mit Obama verbindet: Beide mögen Zigaretten. Die Hoffnung auf eine Einigung ist noch nicht völlig verflogen.
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