Obama darf Terrorchef Osama noch einmal töten
Ein neuer Film über die Kommandoaktion gegen Bin Laden könnte Präsident Obama im Wahlkampf helfen. Die Republikaner sind alarmiert.
Am 12. Oktober 2012, nicht einmal vier Wochen vor der Präsidentenwahl, soll ein Action-Film in den Kinos der USA die todbringende Kommandoaktion der Navy Seals gegen den Al-Qaida-Chef Bin Laden feiern.
Die Republikaner sind alarmiert. Sie sehen in dem mutmaßlichen Blockbuster eine perfide Zusammenarbeit zwischen Hollywood und dem Weißen Haus, um das Image von Barack Obama pünktlich vor dem 6. November aufzupolieren und seine Chancen auf eine Wiederwahl zu steigern.
Heldensaga ins rechte Licht rücken
Der Filmgigant Sony Pictures will die Heldensaga um die Mission der Elitesoldaten im pakistanischen Abbottabad und den verantwortlichen Commander in Chief in Washington ins rechte Licht rücken. Für Qualität und volle Kassen sollen Regisseurin Kathryn Bigelow und Drehbuchautor Mark Boal garantieren.
Das Duo bekam im vorigen Jahr für das 2008 produzierte Irak-Kriegsdrama „The Hurt Locker“ (Tödliches Kommando) sechs Oscars zugesprochen, darunter die begehrten Auszeichnungen für den besten Film, die beste Regie und das beste Drehbuch.
Mit einem eiligen Gesetz will die republikanische Abgeordnete Lynn Jenkins dem Weißen Haus verbieten, Hollywood in irgendeiner Form zu unterstützen. „Es ist unerhört, dass Steuergelder verwendet werden, um die Filmindustrie in Hollywood bei der Faktenbeschaffung und Drehbuchentwicklung zu helfen“, begründet die Repräsentantin aus Kansas ihr Stop-Subsidizing-Hollywood-Gesetz.
Auch das Pentagon dürfe die Inszenierung des Streifens in keiner Weise unterstützen, so Jenkins.
Zugang zu geheimem CIA-Material erhalten?
Zuvor hatte die „New York Times“ berichtet, die Administration gewähre den Filmmachern Zugang zu geheimem Material über den von der CIA monatelang vorbereiteten Schlag gegen Osama Bin Laden in dessen Versteck in Pakistan.
Das Weiße Haus bestreitet das. Sprecher Jay Carney erklärte, die Regierung sei gegenüber jedem Autor von „Artikeln, Büchern, Dokumentationen oder Filmen, die den Präsidenten betreffen“, zur Hilfe bereit, um die Richtigkeit der dargestellten Fakten sicherzustellen. Klassifiziertes Material bekämen die Macher des Films aber nicht.
Eine enge Kooperation zwischen der Obama-Administration und Mark Boal zeichnet sich indes seit Wochen ab. Der Drehbuchautor wurde im Gespräch mit einflussreichen Regierungsoffiziellen gesichtet und war zur offenkundigen Überraschung hochrangiger Militärs bei einer CIA-Ehrung der siegreichen Kämpfer vom Seals Team VI dabei.
Sony Pictures sammelte Wahlkampfspenden für Barack Obama
Dass ausgerechnet Sony Pictures Wahlkampfspenden für Barack Obama gesammelt hat, steigert das Misstrauen der Republikaner. Die Aktion fand zwar im April statt, also vor der Operation in Abbottabad. Aber kein anderes Hollywood-Studio hat sich im Vorfeld der bevorstehenden Wahl in dieser Weise für den Amtsinhaber engagiert.
Der Titel des geplanten Films ist noch ebenso unbekannt wie das Schauspieleraufgebot. „Navy Seals Team VI“ wäre ebenso wenig originell wie die Verpflichtung von Will Smith für die Rolle des Präsidenten. Doch beides ist gut vorstellbar. Smith hatte 2008 für Obama getrommelt und ihn zur „perfekten Wahl für die Zukunft“ ausgerufen.
In jedem Fall lässt sich der Präsident, der den von den Militärs vorgeschlagenen Einsatz ferngelenkter Drohnen gegen Bin Laden ablehnte und die von ihm verantwortete Kommandoaktion im Weißen Haus per Videoübertragung mit seinen engsten Mitarbeitern verfolgte, heroisch in Szene setzen.
Beziehung zwischen Hollywood und Washington
Die hitzige Diskussion über das Filmprojekt rückt die Beziehung zwischen Hollywood und Washington ins Scheinwerferlicht. Sie erlebte einen ihrer engsten Momente in der Amtszeit des Ex-Schauspielers Ronald Reagan.
Der Republikaner hatte es in über 50 Filmen zwar nicht weit über das Genre sogenannter B-Movies hinausgebracht. Als Vorsitzender der Schauspielergewerkschaft SAG fand er jedoch in Kollegenkreisen und der gesamten Branche breite Anerkennung.
Nach seiner Zeit als Gouverneur Kaliforniens brachte Reagan seine in Hollywood erworbenen Erfahrungen mit nach Washington. Er professionalisierte die Möglichkeiten der Selbstdarstellung bei seiner Inauguration im Januar 1981 und verschaffte sich und seinen Nachfolgern zusätzliche Auftrittsmöglichkeiten bei der öffentlichen Auszeichnung verdienter Persönlichkeiten.
Die regelmäßigen Reden zur Lage der Nation gerieten erst durch Reagan zu einer perfekten Inszenierung mit der Aussicht auf Schlagzeilen und vor allem schmeichelnde Fernsehbilder, die ihn in die Wohnstuben der gesamten Nation brachten. Reagan, „The Great Communicator“, wurde zu einem der erfolgreichsten Präsidenten des 20. Jahrhunderts.
Aber der enge Freund von Hollywood-Legenden wie John Wayne und Robert Taylor blieb bis zum Ende seiner zweiten Legislaturperiode 1989 auch der ewige Schauspieler.
Traditionell engeres Verhältnis zur Demokratischen Partei
Traditionell ist indes das Verhältnis der oft mit linken Positionen kokettierenden Hollywood-Schauspieler zu Politikern der Demokratischen Partei enger. Als 2008 Barack Obama und Hillary Clinton um die Nominierung fürs Weiße Haus kämpften, versammelten sie das Who’s Who der Filmwelt hinter sich.
Vor allem Obama zog Leinwandberühmtheiten auf seine Seite. Eddie Murphy, Robert De Niro, Sidney Poitier, Cindy Crawford, Jennifer Anniston, Halle Berry, Morgan Freeman sowie unzählige Nachwuchsstars und die einflussreiche Talkshow-Gastgeberin Oprah Winfrey warben für den Senator aus Illinois. Für Clinton setzte sich unter anderen Steven Spielberg ein.
John McCain, der damalige Kandidat der Republikaner, wurde von Sylvester Stallone und Chuck Norris unterstützt. Aber der kleine Kreis der Action-Helden war zu erwartbar und hatte den Zenit der Karriere erkennbar überschritten. Superstar George Clooney gehörte zwar ebenfalls zum Freundeskreis des Republikaners. Doch das sagte er lieber im Hintergrund und möglichst weit entfernt von Kameras und Mikrofonen.
Hollywood erfand den schwarzen Präsidenten im Weißen Haus
Die damalige Begeisterung Hollywoods für Obama mag auch darin begründet gewesen sein, dass die kalifornische Traumfabrik den schwarzen Präsidenten im Weißen Haus erfand – zu einer Zeit, als Obama gerade einmal neun Jahre alt war. Der erste Afroamerikaner im Oval Office hieß Douglas Dilman, und er wurde von James Earl Jones gespielt.
Weil die Drehbuchautoren dem Publikum 1972 noch nicht die damals bizarr erscheinende Vision zumuten wollten, ein Schwarzer werde ins höchste Staatsamt gewählt, ließ die Story um „The Man“ den Amtsinhaber und den Sprecher des Abgeordnetenhauses gemeinsam in einem zusammenstürzenden Haus sterben.
Der Vizepräsident verzichtet wegen seiner Gesundheit auf den Aufstieg. So kommt Dilman als Präsident des Senats zum Zuge.
Morgen Freeman war zweiter afroamerikanischer Hollywood-Präsident
Der zweite afroamerikanische Präsident Hollywoods wurde 1998 im Science-Fiction-Thriller „Deep Impact“ von Morgen Freeman dargestellt. Es passte einfach ins Konzept des Genres, dass in einer in der Zukunft angesiedelten Handlung ein schwarzer Präsident – er hieß Tom Beck – die Erde vor der Kollision mit einem Kometen retten durfte.
Gleichwohl scheint der Einfluss der Unterstützung durch die Filmindustrie auf die Chancen der Kandidaten begrenzt. Vor der Wahl 2000 war der Demokrat Al Gore der Liebling Hollywoods. Rund 880.000 Dollar sammelte er in den Studios ein. George W. Bush kam nur auf 690.000 Dollar und wurde auch von deutlich weniger Leinwandstars hofiert. Doch der Republikaner aus Texas machte das Rennen.
Andererseits hat es nie zuvor ein realer Präsident geschafft, unmittelbar vor seiner möglichen Wiederwahl zur wichtigen Figur eines ihn mutmaßlich feiernden Filmes mit dem Zeug zu einem Kassenknüller zu werden. Die Unruhe der Republikaner ist darum verständlich. Hollywood könnte Obamas wichtigster Wahlhelfer werden.
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