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Posted on September 21, 2011.
Sagen wir ein lautes Ja zur Reichensteuer, wenn . . .
NORBERT RIEF (Die Presse)
Nun wollen auch die USA einen höheren staatlichen Beitrag von Besserverdienern. Eine diskutierenswerte Idee, wenn ein paar Voraussetzungen stimmen.
Aus dem Archiv:
• Die Reichen sind am Wort: Hans Peter Haselsteiner (24.09.2011)
• Der Siegeszug der „Reichensteuer“ (19.09.2011)
• Budget: Selbstzufrieden in den Untergang (07.09.2011)
• Österreicher wollen keine „Reichensteuer“ (30.08.2011)
Werner Faymann fühlt sich vermutlich bestätigt: Jenseits des Atlantiks hat Barack Obama ganz offensichtlich seine Rufe nach einer „Reichensteuer“ gehört und die Idee auch schon übernommen. Hurra! Nach Österreichs Antiatom-Initiative übernimmt die Welt nun also auch unsere Reichensteuer-Initiative.
Wobei: Österreich müsste seinen Mindeststeuersatz senken, um auf den Prozentsatz der amerikanischen „Reichensteuer“ zu kommen. Die soll nämlich mit beinharten 29 Prozent zuschlagen (ab einem Einkommen von acht Millionen Dollar). In Österreich fängt die Einkommensteuer bei 36 Prozent gerade einmal an – ein Prozent übrigens über dem Höchststeuersatz der Vereinigten Staaten.
Würde Milliardär Warren Buffett in Österreich leben, er hätte Obama zweifellos nicht den Vorwand für die Zusatzsteuer geliefert, weil er hierzulande 23 seiner 46 Millionen Dollar, die er 2010 verdiente, an den Staat abliefern müsste.
Es ist also etwas vermessen, wenn man in Österreich jubelt, dass die USA die „Reichensteuer“ entdeckt hätten; dass man mit der Idee also auf dem richtigen Weg sei, schließlich hätten ja auch Frankreich und Spanien Zusatzsteuern für Besserverdiener eingeführt.
Man muss den US-Schritt im Kontext sehen: Die Steuererhöhung (so sie die Republikaner akzeptieren, was fraglich ist) ist Teil eines massiven Sparprogramms, das Einschnitte in Höhe von drei Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren vorsieht. Umgerechnet wollen die Vereinigten Staaten im Lauf von drei Monaten mehr Geld einsparen, als der Staat Österreich in einem ganzen Jahr ausgibt.
In einem solchen Zusammenhang kann man durchaus über einen Beitrag der Besserverdiener sprechen. Reiche sind ja keine unsozialen Menschen, nicht wenige – etwa der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner – sind durchaus bereit, höhere Steuern zu bezahlen. Vorausgesetzt – und das ist ein ganz wesentliches Vorausgesetzt – der Staat geht verantwortungsvoll mit diesem Geld um. Genau das können wir derzeit aber leider nicht erwarten.
Höhere Steuern, wie sie Bundeskanzler Werner Faymann propagiert, sind eine Verhöhnung aller arbeitenden Menschen, wenn damit beispielsweise eine Hacklerregelung finanziert wird. Warum kerngesunde Menschen, die einen Hochofen nur von Fotos kennen, nach 40 Arbeitsjahren in den Ruhestand gehen dürfen, muss man erst einmal erklären. Gehen die Österreicher im Schnitt nur ein Jahr später in Pension, bringt das dem Staat eine Milliarde Euro pro Jahr. Mehr als jede Vermögenssteuer.
Noch einmal: Einen temporären Zuschlag zum Spitzensteuersatz, eine temporäre Vermögenssteuer, einen Solidaritätszuschlag – wie immer man es auch nennen will – kann man dann unterstützen, wenn es um einen nationalen Kraftakt zur Budgetsanierung geht, der von massiven Einsparungen begleitet wird. Von einer sofortigen Abschaffung der Hacklerregelung etwa, von einer umfassenden Verwaltungsreform, von einer Kürzung der Förderungen. Die Haushaltssanierung erfordert einen großen Wurf, und dafür soll jeder einen Beitrag leisten – nicht nur die sogenannten Reichen.
Die USA unter Barack Obama versuchen das – unter anderem mit Kürzungen bei der heiligen Kuh Verteidigung. Die Schweden haben es in den 1990er- Jahren vorgemacht, bei deren heiliger Kuh Sozialleistungen. Der damalige Finanzminister Göran Persson verfügte einen elfprozentigen Ausgabenschnitt quer durch alle Ressorts, er fuhr die öffentlichen Investitionen zurück, kürzte Sozialtransfers, erhöhte die Steuern – alles mit dem Versprechen, die Maßnahmen nach der geglückten Sanierung des Budgets wieder rückgängig zu machen. Und das tat man auch.
Ist es naiv, sich von unserer Regierung einen ähnlichen Schritt zu erwarten? Nicht eine parteipolitisch motivierte Debatte über „Reichensteuern“, sondern eine ernsthafte Diskussion, wie man den Staat sanieren kann. Ist es naiv, wenn man sich von unserer Regierung einen Blick über den nächsten Wahltermin hinaus erwartet?
Es wäre schön, könnte man diese Fragen mit Nein beantworten.
E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 20.09.2011)
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