Dear Death Penalty

<--

Liebe Todesstrafe!

Von Mely Kiyak

Töten ist auch dann barbarisch, wenn man es durch den Staat „erlaubt“. Die USA müssen endlich damit aufhören.

Diese Woche ist in den USA bereits zum 34. Mal in diesem Jahr ein Mensch hingerichtet worden. Die Todesstrafe wird in den USA demnach nicht selten, sondern häufig angewendet. Im Schnitt dreimal pro Monat.

Erst 2002 wurde ein Exekutionsverbot an geistig Behinderten eingeführt. Und seit 2005 erst dürfen keine Minderjährigen mehr getötet werden. Seit 2005! Zu diesem Zeitpunkt waren die USA bereits seit zwei Jahren mit „Operation freedom“ im Irak und seit vier Jahren in Afghanistan – der Menschenrechte wegen. Freiheit und weiß Gott was für zivilisatorische Eigenschaften die USA noch exportieren wollten. Das ist so absurd, dass ich es wiederholen muss. Die Friedensspezialisten USA marschieren in andere Länder ein, um Menschen von der Tyrannei zu befreien und wenden bei sich zu Hause die Todesstrafe gegen Kinder und Behinderte an.

Und wir sind den USA im Afghanistankrieg noch beigesprungen! Offensichtlich sind wir in Europa hinsichtlich der USA etwas blind, taub und tumb. Wir rügen unsere Regierungsmitglieder, wenn wir das Gefühl haben, dass sie in den Staaten des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens nicht die Menschenrechtsfrage ansprechen, aber wir kritisieren die Kanzlerin nie dafür, dass sie es im Weißen Haus stets verpasst hat zu sagen: „George, little Teddy bear from Texas, what about some zivilisation in your own country?“ Oder „Barack brother, I brought you the universal declaration of human rights to schmöker in!“

Kapitulationserklärung der Zivilisation

Laut Amnesty International wurden letztes Jahr 527 Menschen auf der ganzen Welt hingerichtet. Und, so Amnesty, „Tausende in China“. Über 3 000 Menschen auf der Welt sind derzeit zum Tode verurteilt, plus „Tausende in China“. Die Maxime der westlichen Welt, „wir marschieren überall dort mit unseren Truppen ein, wo Unterdrückung herrscht“, wird angesichts der Länder, in die man wirklich einmarschiert, recht inkonsequent gehandhabt. Es scheint, dass man die Todesstrafe in Ländern, zu denen man gute wirtschaftliche Beziehungen pflegt, als Schönheitsfehler im System betrachtet, wohingegen man in Ländern, die einem selber wirtschaftlich und politisch unterlegen sind, das Recht zum staatlichen Töten als Indikator für ein an sich fehlerhaftes System betrachtet.

Dabei ist die Todesstrafe ein archaisches Merkmal und eine Kapitulationserklärung der Zivilisation, egal wie ökonomisch erfolgreich das Land ist oder in welches politische System sie eingebettet ist. Töten ist auch dann unzivilisiert und barbarisch, wenn man es durch den Staat oder seine Organe „erlaubt“. Eine Nation, die tötet, kann ihr ganzes Justizsystem einpacken. Es gibt kein gerechtes, und schon gar kein humanes Töten. Auch nicht, wenn es, wie in den USA, in einer Atmosphäre von Legalität, Transparenz und Öffentlichkeit unter sterilen, fast medizinischen Umständen geschieht.

Die Liste der Länder, in denen 2010 die Todesstrafe am häufigsten angewandt wurde, liest sich so: Iran, Nordkorea, Jemen, USA, Saudi-Arabien. Wenn die USA auf Staaten herabschaut, dann doch auf die übrigen Länder in dieser Aufzählung, nicht wahr? Schon allein aus diesem Grund müssten sie die Todesstrafe abschaffen. Damit nicht eine wie ich daherkommt und sagt: Ihr seid keinen Deut besser als die anderen.

About this publication