Freedom Fighter, Racist, Homophobe and Anti-Semite

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Posted on December 29, 2011.

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Freiheitskämpfer, Rassist, Schwulenhasser, Antisemit

Von Uwe Schmitt

28. Dezember 2011

Ein alter Newsletter mit haarsträubenden Ausfällen gegen Amerikas Minderheiten holt den US-Repuplikaner Ron Paul ein. Doch der bestreitet alles. Wenn auch wenig überzeugend.

Weder die Welt noch Amerika nahmen zur Kenntnis, als der texanische Kongressabgeordnete Ron Paul an einem Herbsttag 2009 Geschichte schrieb: „H.R. 2121“, das von Paul betriebene und geschriebene Gesetz über den Verkauf eines Gebäudes im Bundeseigentum in Galveston (Texas), wurde angenommen.

Es war Ron Pauls erster Erfolg nach 482 gescheiterten Versuchen in elf je zweijährigen Amtszeiten im US-Repräsentantenhaus. Noch kurioser: Es war das vierte Mal in 620 Anläufen, dass ein in Pauls Namen vorgelegtes Gesetz das Plenum erreichte.

Ob Paul (76) seinen späten Durchbruch als Gesetzgeber feierte, ist nicht überliefert. Doch die Gründe, welche die „Washington Post“ bewogen, am 27. Dezember an Pauls Arbeit als Parlamentarier zu erinnern, sind alles andere als schmeichelhaft.

Vorleben von Ron Paul beleuchtet

Ein Artikel in dem Nachrichtenmagazin „The New Republic“ hatte kurz vor Weihnachten das Vorleben des Mannes beleuchtet, der sich nach 1988 und 2008 in diesem Jahr zum dritten Mal um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner bewirbt und in Iowa in der kommenden Woche gewinnen könnte.

Ronald Ernest Paul ist laut dem „New Republic“-Material nicht nur der quichottesk-libertäre Kämpfer gegen Amerikas Kriege und Staatswillkür, wie ihn seine friedensbewegten studentischen Fans lieben, sondern ein Rassist übelster Sorte, Verschwörungstheoretiker mit antisemitischem Verfolgungswahn und Schwulenhasser, wie ihn Amerikas rechte Milizen verehren.

In seinem „Ron Paul Investment Letter“, der ihn in den 80er- und 90er-Jahren stets als verantwortlicher Redakteur und meist als Herausgeber nennt, finden sich genug haarsträubende Ausfälle gegen Amerikas Minderheiten, um Paul für immer aus dem seriösen politischen Diskurs in Amerika zu verbannen.

Paul bestreitet zornig und wenig überzeugend

So einfach lägen die Dinge, wenn Paul ernsthaft Chancen auf die Nominierung hätte. Und wenn er zugäbe, dass er die oft in der ersten Person verfassten Pamphlete selbst geschrieben oder autorisiert hätte. Beides bestreitet er ebenso zornig wie wenig überzeugend: Er habe nichts mit dem Inhalt der Newsletter zu tun, wisse nichts über den oder die Autoren und distanziere sich von allen möglichen Scheußlichkeiten darin.

Wer ihn kenne, könne nicht wirklich glauben, dass er solchen Unsinn vertrete. Er habe damals in seiner Praxis als Gynäkologe und Geburtshelfer alle Hände voll zu tun gehabt und das Übrige nicht so ernst genommen: „Ich war ziemlich nachlässig in allem, was mit dem Newsletter zu tun hatte, das war mein größter Fehler.“

Paul erwartet tatsächlich oder spielt es überzeugend, dass seine gereizten Erklärungen von den amerikanischen Medien akzeptiert und für sein letztes Wort in der Sache genommen werden. Dass ihn die Unkenntnis und Gleichgültigkeit, wer in seinem Namen solche Hetze betrieben hat, kaum weniger disqualifizieren könnte wie die Autorenschaft, will er nicht einsehen.

Keine Nachfragen in TV-Debatten

Es war allein Chancenlosigkeit, die Paul 2008 schützte, als die Newsletter erstmals bekannt wurden. Auch 2011 konnte der großväterlich-putzig wirkende Politiker 13 TV-Debatten mit den anderen Kandidaten absolvieren, ohne ein einziges Mal nach den Newslettern gefragt zu werden.

Erst in diesen Tagen ist Paul in Iowa ganz vorn dabei und damit nicht mehr als Kuriosum tabu. Der Kandidat Barack Obama lernte 2008, dass nichts aus dem Vorleben verjährt, vor allem, wenn es Videoaufnahmen gibt, die Nahrung der Kabelsender.

Die Tiraden von Obamas Pastor Jeremiah Wright gegen (ein imperialistisches, mitleidloses) Amerika wären dem Kandidaten beinahe zum Verhängnis geworden, obwohl er die Ausbrüche bezeugt, nicht die Predigten geschrieben hatte.

Gegen Aids-Kranke und mächtige Juden

Von Paul gibt es keine Videoaufnahmen, wie er gegen seinen Lieblingsfeind Martin Luther King („Weltklasse-Ehebrecher, der kleine Mädchen und Jungen verführte“), gegen Aids-Kranke, mächtige Juden wie „Rockefeller und Kissinger“, die hinter ihm her seien, und Israels Geheimdienst Mossad als Täter des Bombenanschlags auf das World Trade Center 1993 hetzt.

Gäbe es solche Aufnahmen, wäre Paul längst erledigt. Stattdessen warten die seriösen Medien ab, ob die Causa Paul sich in Iowa von selbst erledigt.

Im Online-Forum der Zeitung „Politico“ debattieren namhafte Akademiker, was Pauls Newsletter und seine Distanzierungsstrategie bedeuten können und dürfen. Die überwiegende Meinung: Wer zulässt, dass in seinem Namen Hass gesät wird, muss dafür einstehen – noch nach Jahrzehnten und auch, wenn er es nicht geschrieben, nur geduldet hat.

Jeffrey Stewart, Professor für „Black Studies“ an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara, erinnert daran, dass Pauls Argumente gegen Bevormundung der Staaten wie des Bürgers durch den Bund exakt jene der Südstaaten in Verteidigung der Sklaverei wie die von Rassisten gegen die Bürgerrechtsbewegung 100 Jahre darauf war.

Nicht zufällig gelingt nur Paul das Kunststück, Anhänger aus Kreisen bewaffneter Milizen wie linker „Occupy-Wallstreet“-Aktivisten zu rekrutieren. Er nimmt jeden an: „Wenn sie mich unterstützen, heißt das ja nicht, dass ich ihre Positionen unterstütze.“

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