Obamas Glück sind die republikanischen Kandidaten
Von NORBERT RIEF (Die Presse)
Die Enttäuschung über den 44. Präsidenten der USA ist groß. Doch bei solchen Gegenkandidaten muss er nicht um seine Wiederwahl fürchten.
Barack Obama kann seit diesem Wochenende recht entspannt sein. Wenn es nicht noch eine große Überraschung gibt, dann hat der 44.Präsident der USA den Wahlsieg am 6.November in der Tasche. Und das nicht etwa deswegen, weil er in den vergangenen vier Jahren eine solch hervorragende Politik gemacht hätte – was er nämlich nicht hat –, sondern weil die Republikaner nicht in der Lage sind, einen ernsthaften Gegenkandidaten zu finden.
Der Sieg von Newt Gingrich an diesem Wochenende bei der republikanischen Vorwahl in South Carolina ist ein schlagender Beweis dafür: Ausgerechnet im „Bible Belt“ der USA, in dem sogar Demokraten konservativer sind als viele Republikaner in den nördlichen Bundesstaaten, gewinnt ein Ehebrecher.
Man kann dieses Faktum nicht hoch genug bewerten. Üblicherweise ist eine außereheliche Affäre das sichere Ende jedes republikanischen Politikers. Noch dazu, wenn einer wie Gingrich seine Karriere auf dem moralischen Kampf gegen einen Präsidenten (Bill Clinton) aufgebaut hat, der sich im Weißen Haus mit einer Praktikantin vergnügte – und der jetzt eingestehen musste, dass er selbst eine Affäre hatte, als er Clinton deswegen des Amtes entheben wollte.
Dass Gingrich jetzt gewonnen hat, ist kein Zeugnis für einen besonders guten Wahlkampf oder ein gutes Programm. Es ist einzig ein Votum gegen seinen Mitbewerber Mitt Romney. Für den bisherigen Favoriten ist das eine Ernüchterung: Offenbar ist konservativen Parteigängern sein Glaube (Romney ist Mormone) so suspekt, dass sie noch eher für einen Ehebrecher stimmen.
Nach drei Vorwahlen gibt es also drei verschiedene Sieger, und keiner von ihnen kann Obama ernsthaft gefährlich werden. Rick Santorum nicht, der sogar etlichen Republikanern zu konservativ ist und im Falle einer Nominierung mit seiner Politik nicht die schwankenden vier, fünf Prozent in der Mitte ansprechen kann, die bei der Präsidentschaftswahl den Ausschlag geben.
Gingrich nicht, der eine Politik der Beliebigkeit betreibt und jetzt etwa damit argumentiert, er habe die USA gemeinsam mit Bill Clinton zum Besseren verändert. Mit jenem Mann also, den er einst mit geradezu biblischem Zorn verfolgt hat. Jetzt, da man nachträglich die positiven Veränderungen sieht, die Clintons Amtszeit gebracht hat (Budgetüberschuss, Vollbeschäftigung), will Gingrich plötzlich schon immer dabei gewesen sein. Eine geradezu peinliche Zurschaustellung seiner Prinzipienlosigkeit.
Um gegen Romney zu punkten, muss Obama nur fortsetzen, was die Republikaner bereits begonnen haben: eine Diskussion über Leistung und Einkommen, über die Frage, mit welchen Mitteln jemand Millionen Dollar pro Jahr verdienen darf, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Auch das ein Beweis der verqueren Welt des republikanischen Vorwahlkampfs: Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts muss sich plötzlich dafür rechtfertigen, ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen zu sein.
Ron Paul? Der verbliebene vierte Kandidat sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Der libertäre Politiker ist ein nettes Kuriosum, mehr nicht.
Selten waren die Chancen, die Wiederwahl eines amtierenden Präsidenten zu verhindern, so groß wie in diesem Jahr. Obama hat seine Wähler in den vergangenen vier Jahren schwer enttäuscht. Seiner kompromissbereiten Politik fielen viele Versprechen zum Opfer, die wesentlich zu seiner leidenschaftlichen Anhängerschaft beitrugen: das Terroristenlager Guantánamo Bay etwa, der Inbegriff staatlicher Willkür, das Obama im ersten Jahr seiner Amtszeit schließen wollte. Es steht noch immer. Seine Gesundheitsreform musste er allzu sehr verwässern, und auch die große außenpolitische Offensive blieb aus. Ob seine Programme zur Wirtschaftsbelebung nachhaltig greifen und der derzeitige Aufschwung von Dauer ist, wird sich erst zeigen. Ein neuerlicher Wirtschaftseinbruch ist das Einzige, was Obama im November noch gefährlich werden kann.
Möglicherweise hatte der Präsident also die republikanischen Kandidaten im Kopf, als er neulich ein paar Takte aus einem Al-Green-Lied sang: „I’m so in love with you.“
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 23.01.2012)
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