Overweight, Superficial and Stupid: America’s Negative Image

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Fett, oberflächlich und dumm: Feindbild Amerika

NORBERT RIEF

27.01.2012

Europas Bild der Vereinigten Staaten ist vor allem von Vorurteilen geprägt: Das Volk sei oberflächlich freundlich, dumm, schießwütig, unendlich ignorant und mindestens ebenso arrogant. Eine Richtigstellung.

Mit George Bush war die Welt noch in Ordnung. Als der Texaner im Weißen Haus regierte, ließ sich das Leben, die Politik, ließ sich alles leicht einteilen in Weiß und Schwarz, Gut und Böse: Böse waren Bush und seine neokonservativen Falken; gut waren alle anderen. In der Amtszeit des 43. US-Präsidenten erlebte der Antiamerikanismus einen einzigartigen Höhenflug, sogar in konservativen Kreisen war es plötzlich salonfähig, über die USA zu schimpfen.

Barack Obama brachte unser Weltbild vom hässlichen Amerikaner gehörig ins Wanken – kurz, aber nicht nachhaltig. Der Afroamerikaner, der nur Monate nach seinem Amtsantritt bereits den Friedensnobelpreis erhielt – in erster Linie dafür, nicht George Bush zu sein –, verkörperte die Hoffnungen auf ein besseres Amerika. Der große Charismatiker verzauberte mit seinem Wahlkampf und seinem einzigartigen rhetorischen Talent die Menschen. Bei seinem Slogan „Change We Can Believe In“ gehe es nicht um das Wort „Change“, analysierte das „Time“-Magazin damals, sondern um das Wort „Believe“: Wie einst John F. Kennedy gab Obama den Menschen – hier wie da – Zuversicht, Hoffnung und den Glauben, dass mit ihm alles gut wird.

Außenpolitische Enttäuschung

Vier Jahre später ist Enttäuschung geblieben, in Europa wie in den USA: Das Gefangenenlager Guantánamo Bay existiert noch, es gibt nach wie vor keinen Dialog mit dem Iran oder Nordkorea, Afghanistan ist auch nach zehn Jahren US-Einsatzes eine Taliban-Hochburg, das Nahost-Problem ist ungelöst und sogar die Neoliberalen haben die USA mit ihrer Wirtschaftspolitik vor den Kopf gestoßen: Ausgerechnet das Musterland des Kapitalismus mit seinen gläubigen Liberalisierern und Entregulierern setzte in der Krise auf keynesianische Modelle.

Gleich geblieben sind die europäischen Vorurteile von den Amerikanern als einem Volk aus Dummen und Fetten, einem Land mit oberflächlichen Menschen, die sich für den Mittelpunkt der Welt hielten, schießwütig seien, unendlich ignorant und mindestens ebenso arrogant.

Wie überlegen sind dagegen wir Europäer mit unserer Kultur, unserer Geschichte und unserem herausragenden Wissen: Wir finden sogar Rumänien auf Anhieb auf der Weltkarte. Schwieriger wird es schon beim US-Bundesstaat Montana, und der ist mehr als eineinhalbmal so groß.

Man muss einige Jahre in den USA gelebt haben, um zu wissen, dass die Menschen besser sind als ihr Ruf; um beispielsweise die angeblich so oberflächliche Freundlichkeit seiner Bewohner schätzen gelernt zu haben. Sie macht das Zusammenleben bedeutend einfacher (und man will im Supermarkt ja keine Freundschaften fürs Leben schließen). Nie hat dort jemand seine Stimme erhoben, weil der Kellner zu langsam war, und die Verkäuferin lächelt auch dann noch, wenn einem die zehnte Hose nicht gefällt. Nachbarschaftsstreitigkeiten sind die Ausnahme, weil man das Individuum respektiert und nicht glaubt, besser zu wissen, was der andere mit seinem Garten tun soll.

Die Freundlichkeit hat auch einen ganz praktischen Sinn: Statistisch gesehen übersiedelt jede amerikanische Familie alle fünf Jahre. Wenn man nicht offen und einladend ist, sind die Nachbarn schon wieder übersiedelt, bevor man sie überhaupt kennengelernt hat. So aber werden Neuankömmlinge mit einem regelrechten Grill-Marathon begrüßt. Und oberflächlich? Manche Freundschaften halten auch über tausende Kilometer, andere nicht. Genauso wie in Österreich.

Schlechtes Schulsystem

Dass das öffentliche amerikanische Schulsystem mit dem österreichischen nicht mithalten kann, ist unbestritten. Dafür wird mehr Wert auf Persönlichkeitserziehung gelegt. Von der ersten Klasse an wird den Kindern beigebracht, andere Meinungen und Menschen zu respektieren. Das führt dazu, dass Amerikaner üblicherweise nicht schlecht über andere Menschen reden – ebenfalls eine Erfahrung, die einem Österreicher eher fremd ist. Den Schülern wird anerzogen, nicht über Mitschüler zu lachen, die einen Fehler machen, und selbst bei der dümmsten Antwort findet der Lehrer noch irgendetwas lobenswert. Das ist zweifellos motivierender als ein stöhnendes Augenverdrehen. Die Folge von solchen Lehrmethoden sieht man in der Pisa-Studie: In Mathematik und Lesen mögen die amerikanischen Schüler weitaus schlechter abschneiden als die europäischen. Aber beim Selbstvertrauen liegen sie überall an vorderster Stelle.

Das mag ein Grund sein, warum aus den USA so viele Innovationen kommen; warum sich Menschen eher zutrauen, eine Firma zu gründen und etwas zu riskieren. In Österreich ist der Abbruch eines Studiums üblicherweise der sicherste Weg, um in einem mittelmäßigen Job zu landen. In den USA haben Studienabbrecher Apple (Steve Jobs) und Microsoft (Bill Gates) gegründet.

Natürlich gibt es auch das Amerika der Holzköpfe; der Nationalisten, deren Horizont nicht über Maine und Kalifornien hinausreicht, der Dicken, der Unfreundlichen und Schießwütigen. Natürlich ist vieles irritierend, die mangelnde Solidarität etwa.

Aber Bill Clinton hat es bei seiner Angelobung zum 42. Präsidenten der USA 1993 am besten gesagt: „There is nothing wrong with America that cannot be cured by what is right with America.“

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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