US-Wahl – Mitt ohne Mitte
Von Daniel Haufler
12 | 4 | 2012
Viele Amerikaner sind auf der Suche nach einem wie Ronald Reagan. Einem, der ihnen mit großem Gestus erklärt, wie großartig ihr Land ist, wie stark und überlegen.
Früher wäre Romney ein wunderbarer Mainstream-Kandidat gewesen. Heute jedoch kann er nicht einmal die Anhänger der eigenen Partei von sich überzeugen, so weit nach rechts ist sie gerückt. Foto: dapd
Was für ein schöner Frühling für US-Präsident Barack Obama. Jedes Mal, wenn er den Fernseher einschaltete, konnte er miterleben, wie die republikanischen Präsidentschaftskandidaten sich gegenseitig fertigmachen. Wie sie Werbespots ausstrahlen ließen, die ihre Konkurrenten als unfähig, charakterlos oder – ganz schlimm – liberal beschimpften. Wie sie, statt über Wirtschaftskrise oder Sicherheitspolitik zu debattieren, immer wieder ihre Botschaften zu Verhütungsmitteln, Abtreibung und der Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft zum Besten gaben. Kurz: Wie sie die republikanische Partei spalteten und in der öffentlichen Wahrnehmung noch weiter rechts positionierten als zuvor. Auf diese Weise öffneten sie Obama die Mitte. Die Mitte, in der auch in den USA die Wahlen letztlich entschieden werden.
Besonders geschadet hat dieser Vorwahlkampf Obamas wahrscheinlichem Herausforderer Mitt Romney. Als Gouverneur von Massachusetts war er einst ein moderater Republikaner, der zur Haushaltskonsolidierung die Abgaben deutlich erhöhte (auch die auf Benzin!) und Steuerschlupflöcher schloss – sehr zum Ärger konservativer Parteikollegen und vieler Unternehmer. Er unterstütze sogar das Recht auf Abtreibung. Sein größtes Verdienst war jedoch 2006 eine große Gesundheitsreform, die eine Versicherungspflicht für jedermann enthielt. Durchgesetzt hat er das Gesetz gemeinsam mit den Demokraten und Interessenvertretern aller Betroffenen in Massachusetts. Barack Obama hielt diese Reform für so vorbildlich, dass er sie zum Modell für die von ihm betriebene Erneuerung des Gesundheitssystems im ganzen Land machte.
Mainstream-Kandidat ohne Wähler
Vor dreißig Jahren noch wäre Romney ein wunderbarer Mainstream-Kandidat gewesen, der als Mann der Wirtschaft und des gemäßigten Konservatismus Wähler aus fast allen Lagern bindet. Er hätte bei Präsidentschaftswahlen eine hervorragende Chance auf den Sieg gehabt. Heute jedoch kann ein Mainstream-Mann wie er nicht einmal die Anhänger der eigenen Partei von sich überzeugen, so weit nach rechts ist sie gerückt.
In den Vorwahlen verweigerten sich seinem Werben mehrheitlich die sehr konservativen und die religiösen Republikaner sowie die Arbeiter, vor allem die Geringverdiener. Sie gaben dem ultrakonservativen Rick Santorum selbst dann noch ihre Stimmen, als er schon längst keine Chance mehr auf die Nominierung als Präsidentschaftskandidat hatte.
Romney bescherte das ein Riesenproblem: Um die Vorwahlen für sich zu entscheiden, musste er seine moderaten Positionen zu Abtreibung, Gesundheitsfürsorge oder Steuern so weit aufgeben, dass er sie eigentlich selbst nicht wiedererkennen dürfte. Will er nun im Herbst gegen Obama siegen, müsste er alle Versprechungen aus dem Vorwahlkampf wieder kassieren, damit er die Wähler der Mitte erreicht. Doch das geht nicht so ohne weiteres. Zum einen könnte er so seine mühsam erworbene Unterstützung im konservativ-religiösen Lager wieder verlieren, zum anderen dürften ihn die Demokraten gern und oft daran erinnern, wie oft er seine Meinung zu wichtigen Themen gewechselt hat.
Aber auch Obama ist in der Defensive. Die ökonomischen Aussichten sind mau, viele seiner Wähler enttäuscht, wie wenig er in Washington verändert hat, und eine große Mehrheit glaubt, dass Amerika nicht gut regiert wird. Das ist verständlich, verliert das Land doch nicht nur viele Arbeitsplätze, die in Billiglohnländer wandern, sondern auch beträchtlich an Einfluss in anderen Weltgegenden. Die meisten Amerikaner akzeptieren nicht, dass ihr Präsident oft eher moderiert als dekretiert. Obamas Idee des Führens aus dem Hintergrund – erfolgreich etwa im Libyen-Krieg und manch internationalen Verhandlungen angewandt – halten sie einer Weltmacht nicht für würdig.
Anders als Obama haben viele US-Bürger noch nicht verstanden, dass in einer multipolaren Welt mit enorm prosperierenden Schwellenländern der Nimbus und die Möglichkeiten der einzigen Supermacht schwinden, dass die USA weit mehr als früher von Entwicklungen anderenorts abhängen, die sie nicht oder nur in geringem Umfang beeinflussen können.
Also sind sie auf der Suche nach einem wie Ronald Reagan. Einem, der ihnen mit großem Gestus erklärt, wie großartig ihr Land ist, wie stark und überlegen. Denn dieses Gefühl der Besonderheit und Auserwähltheit wärmt das amerikanische Herz. Rick Santorum ist für die Mehrheit zu extrem, aber im Vorwahlkampf erwies er sich als ein solcher Herzerwärmer.
Mitt Romney ist es nicht. Wäre er es, hätte er die Präsidentschaftswahlen bereits gewonnen, ganz egal, wie oft er seine Meinung zur Abtreibung schon geändert hat. So jedoch wird ihm wohl seine Prinzipienlosigkeit zum Verhängnis. Für Obama dagegen dürfte auch der Herbst richtig schön sein.
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