Romney fällt durch beim Charaktertest
Von Daniel Haufler
Im US-Wahlkampf verhält sich der US-Republikaner Mitt Romney immer wieder ungeschickt. Seinem Gegner Obama verweigert er den nötigen Respekt – und stößt mit einer Äußerung fast die Hälfte der Amerikaner vor den Kopf.
Jetzt hat Mitt Romney die Wahl endgültig verloren. Da ist sich der bekannte Satiriker Bill Maher mit einigen anderen politischen Beobachtern einig. Romneys Reaktion auf die Anschläge in Kairo und Bengasi, bei denen der US-Botschafter in Libyen und drei Mitarbeiter getötet wurden, habe vor Augen geführt, dass er von solch einer krisenhaften Situation überfordert sei. Mahers Einschätzung wird durchaus ernst genommen und schafft es sogar in die Schlagzeilen des wichtigen Politik-Portals Politico.
Statt sich zurückzuhalten wie alle bisherigen Präsidentschaftskandidaten in ähnlichen Situationen – Ronald Reagan etwa rief 1979 lediglich zum Gebet für die Opfer auf, als die von Präsident Jimmy Carter angeordnete Geiselbefreiung in Iran kläglich gescheitert war. Statt also staatsmännisch zu agieren, veröffentlichte Romney sofort eine Erklärung, die Barack Obamas Reaktion auf die Anschläge als „schändlich“ anprangerte, weil er sich für sich angeblich für amerikanische Werte entschuldigt habe, statt empört die Attacke zu verdammen.
Offenbar hofft der Kandidat damit die eigenen Klientel von seiner moralischen Stärke und seinem großen Patriotismus zu überzeugen.
Daneben getappt
An dieser Stellungnahme Romneys stimmt nur so ziemlich alles nicht, wie zahlreiche Medien, selbst das konservative Wall Street Journal, festgestellt haben. Die Entschuldigung war keine und schon gar nicht von der Obama-Regierung, sondern eine Mitteilung der Botschaft in Kairo.
Es ist auch keine Reaktion auf die Anschläge gewesen, sondern Stunden zuvor ein Versuch, aufgeregten Muslimen zu verdeutlichen, dass die USA mit dem islamfeindlichen Film, der die ganze Aufregung ausgelöst hatte, nichts zu tun hat. Außenministerin Clinton und Obama haben sich von dieser Mitteilung distanziert und die Anschläge scharf verurteilt.
Wäre Romney Präsident gewesen …
Zudem wird immer deutlicher: Während es sich in Kairo wirklich um eine Demonstration von radikalen Muslimen gegen Amerika handelte, war der Angriff in Bengasi wahrscheinlich ein gezielter Terroranschlag, für den eine mit All Kaida verbandelte Gruppe verantwortlich ist.
Bill Maher hat also Recht: Wer ohne Kenntnis der Fakten so ein unfassbar dummes, polemisches und unverantwortliches Zeug redet wie Romney, der diskreditiert sich selbst. Ein Blogger schrieb sehr hübsch ironisch, dass Romneys Kampagne für Obama wirklich Fortschritte mache.
Weder die Kritik noch die Fakten haben Romney dazu veranlasst, von seiner Position abzurücken! Ja, er hat sie sogar von seinem Wahlkampfteam noch zuspitzen lassen. Einer seiner Topberater, Richard Williamson, sagte der Washington Post zwei Tage nach den Anschlägen tatsächlich, dass die Lage sicher eine andere wäre, wenn Romney als Präsident amtieren würde. „Zum ersten Mal seit Jimmy Carter ist ein amerikanischer Botschafter getötet worden. In Ägypten, Libyen und Jemen, wo wieder demonstriert wird, ist der Respekt vor Amerika verloren gegangen. Man erkennt die amerikanische Entschlossenheit nicht, und wir können nicht mal unser amerikanisches Eigentum verteidigen.“ Wäre Romney Präsident gewesen, hätten sich die Gegner wohl nicht getraut, die Botschaften zu stürmen.
Offenbar mangelt es schon länger an Respekt – sollte das ein Kriterium sein. Im Gegensatz zu der Romneyschen Propaganda hat Präsident Obama wenig geredet und Militär entsandt, um die Amerikaner in den betroffenen Ländern zu schützen (was womöglich nicht wirklich schlau ist, weil es provozierend wirkt) und sich als oberster Befehlshaber keine Blöße gegeben.
Radikal gegen Obama
Ganz anders die Republikaner. Sie versteigen sich nicht nur in diesem Fall zu absurden Aussagen. Sie erweisen dem Präsidenten seit Beginn seiner Amtszeit keinen Respekt. Vielmehr bestreiten sie ihm bis heute das Recht, überhaupt Präsident zu sein – da er gar kein Amerikaner sei –, erklären ihn zum geheimen Muslim oder, neuerdings, geheimen Homosexuellen. Gerade erst haben die Republikaner in Kansas allen Ernstes versucht, Obama vom Wahlzettel streichen zu lassen.
Romney schweigt zu diesem respektlosen Treiben. John McCain hat das vor vier Jahren nicht getan, als er für die Präsidentschaft kandidierte, sondern klipp und klar erklärt, dass Obama ein ehrbarer Amerikaner ist. McCain wollte nichts mit den kruden Spekulationen seiner rechten Parteikollegen zu tun haben. Er hat den Charaktertest für Präsidentschaftskandidaten bestanden. Mitt Romney ist bei ihm schon mehrfach durchgefallen.
Romney hält 47 Prozent für verloren
Unterdessen macht ein weiterer Fauxpas von Romney die Runde: Die Wähler von US-Präsident Barack Obama bezeichnete er als Opfer. Romney sagte vor wohlhabenden Spendern, fast die Hälfte aller Amerikaner glaubten, sie seien Opfer und hätten Anspruch auf finanzielle Unterstützung. Als Kandidat für das Weiße Haus sei es seine Aufgabe, „mir über diese Leute keine Sorgen zu machen“. Die Kommentare sind in einem Video enthalten, das von einem US-Magazin entdeckt wurde.
„47 Prozent der Menschen werden für den Präsidenten stimmen, egal was passiert“, sagte Romney in dem Video. „47 Prozent sind auf seiner Seite, sind abhängig von der Regierung, glauben, dass sie Opfer sind, dass die Regierung verpflichtet ist, sich um sie zu kümmern, dass sie Anspruch haben auf eine Gesundheitsfürsorge, auf Lebensmittel, Wohnung, was auch immer.“ Er könne sich über die Leute keine Gedanken machen. „Ich werde sie nie überzeugen, dass sie Verantwortung übernehmen und sich um ihr eigenes Leben kümmern müssen.“
Auf einer rasch einberufenen Pressekonferenz am Montagabend räumte Romney ein, seine Kommentare seien nicht elegant formuliert gewesen. Er habe aus dem Stegreif gesprochen. Romney forderte, das vollständige Video müsse im Internet gezeigt werden und nicht nur Ausschnitte. Er entschuldigte sich nicht, bemühte sich aber um eine Klarstellung. „Natürlich will ich allen Amerikanern helfen“, erklärte er. Seine Botschaft sei, dass die Einstellung des Präsidenten attraktiv sei für Menschen, die keine Steuern zahlten. Er dagegen wolle Steuern senken und erreiche damit eher die Mittelklasse. Auf der Mikroblogging-Plattform Twitter wächst die Zahl der Postings mit dem Hashtag #RomneyEncore nach dem Vorfall rasant an.
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