Sollen wir über die Klippe springen? Na, gut!
von Marek Dutschke
29.12.2012
Die Fiskalklippe wird überall als Vorbote zur Hölle dargestellt. Nichts Schlimmeres könnte passieren. Ist das so? Es klingt pervers, aber: Sowohl Demokraten als auch Republikaner wären mit einem Absturz gut bedient.
Eigentlich können wir nicht wollen, dass die USA über die Fiskalklippe springen. Automatisch in Kraft zum neuen Jahr träten Steuererhöhungen für alle und drastische Kürzungen bei Sozialprogrammen. Eine neue Rezession könnte kommen. Gerade die Unter- und Mittelschicht wären besonders hart betroffen. Die Kürzungen bedeuten auch, hunderttausende Jobs im öffentlichen Dienst zu streichen. Eine spürbare Erhöhung der Arbeitslosenquote wäre die Folge. Heute, vier Tage vor dem Jahreswechsel, sehe ich kaum noch Hoffnung, diesem Schicksal zu entkommen.
Es hätte nicht soweit kommen dürfen. Der Fernsehmoderator Jon Stewart spricht zu recht von einem „absolut lösbaren Haushaltsproblem“. Die Lage ist eindeutig. Die USA gibt für manches zu viel Geld aus und nimmt nicht genug ein. Unabhängig von der Fiskalklippe wird die gesetzliche Schuldenobergrenze von 16,4 Billionen Dollar überschritten werden, wenn das Parlament sie nicht erneut erhöht. Um das Schuldenproblem langfristig in den Griff zu bekommen, müssen die reichen Amerikaner mehr Steuern zahlen. Darüber hinaus müssen die Steuern auf Kapitalerträge erhöht, sowie Steuerschlupflöcher für Unternehmen geschlossen werden.
Was wäre wenn?Wenn Amerika über die Klippe springt
Der Countdown läuft: US-Präsident Barack Obama und den Republikanern bleiben nur noch vier Tage, um sich in Sachen Staatshaushalt zu einigen. Doch was passiert eigentlich konkret, wenn die Parteien keine Lösung finden?
Letztlich müssten die Haushaltsausgaben für das Militär stark reduziert werden. Die USA gab 2011 unglaubliche 740 Milliarden Dollar für ihren Verteidigungsetat aus und stellte damit über 40 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Die Lösungen sind bekannt, aber die Politik ist nicht in der Lage, zu handeln. Viele republikanische Abgeordnete weigern sich aus ideologischen Gründen und aus Angst, die Wiederwahl zu gefährden, die Steuern zu erhöhen und den Verteidigungsetat zu kürzen.
Schon allein das Wort Steuern löst bei vielen Konservativen allergische Reaktionen aus. Sie verschließen sich jeder rationalen Argumentation über Notwendigkeiten und machen den Haushaltsstreit zu einem großen ideologischen Grabenkampf. Wenn es bei dieser harten Haltung bleibt, wird es keinen Kompromiss geben.
Wenn die USA über die Klippe springe
Wer wäre betroffen?
Wenn Amerika über die Klippe springt und sich Demokraten und Republikaner nicht einigen, würden für fast jeden Steuerzahler und viele Unternehmen die Steuern steigen. Finanzierungen für die meisten Programme des Landes und des Militärs würde beschnitten werden.
Die drohende Fiskalklippe wird in den Medien einhellig als Vorbote zur Hölle dargestellt. Nichts Schlimmeres könnte passieren. Aber ist das wirklich so? Es klingt pervers, aber sowohl Demokraten als auch Republikaner wären mit der Fiskalklippe ganz gut bedient. Beide Parteien haben diesen Automatismus ja auch gemeinsam beschlossen – sicherlich als absolute Notfalloption, aber immerhin im Einvernehmen über die Notwendigkeit.
Politikern beider Parteien ist natürlich klar, dass die bisherige Ausgabenpolitik überhaupt nicht nachhaltig ist und dramatische Folgen für die USA in den kommenden Jahren hätte. Auch Republikaner haben kein Interesse daran, die USA Bankrott gehen zu sehen. Sie müssen aber natürlich ihrer Wählerschaft zeigen, dass sie sich standhaft und bis zur letzten Minute gegen Steuererhöhungen gewehrt hätten. Die Demokraten bekämen Steuererhöhungen für die besser verdienenden Einkommensschichten besonders durch das Auslaufen der so genannten Bush Tax Cuts und zudem durch einen speziellen Teil von Obamas Gesundheitsreform. Darüber hinaus, würde der Verteidigungsetat ab 2013 um jährlich 55 Milliarden gekürzt.
Allerdings müssen auch die Demokraten ihr Möglichstes tun, die Fiskalklippe öffentlich abzuwehren, schließlich träfen die Steuererhöhung zu großen Teilen die kleinen und mittleren Einkommen. Die Klippe beinhaltet auch die Kürzung der Arbeitslosenhilfe, den Stellenabbau im öffentlichen Sektor, die Reduzierung von Forschungsmitteln. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass vorausgesagt wird, dass die Aktienmärkte stark fälle und dass die Bonität der USA herabgestuft würde. Für all diese dramatischen und schmerzhaften Folgen der Fiskalklippe möchten weder Demokraten noch Republikaner verantwortlich sein.
Hierzulande wird viel über die Folgen für die Weltwirtschaft geschrieben, wenn die USA über die Klippe springen. Die Amerikaner sind die Konsummeister der Welt und gerade Deutschland als ehemaliger Exportweltmeister ist darauf angewiesen, seine Produkte dort loszuwerden. Doch wir können nicht darüber hinwegsehen, dass dieser Konsum zum Großteil durch Schuldenmacherei aufrechterhalten wurde.
FiskalklippeWie tief wird der Sturz?
Eine Einigung im Etatstreit schien möglich. Nun fallen die Politiker wieder über einander her.
Nicht nur der amerikanische Staat ist hoch verschuldet, sondern auch Millionen privater Haushalte. Die Amerikaner leben gern unbeschwert auf Pump. Die Fiskalklippe ist alles andere als ideal und würde kräftig wehtun. Aber zumindest sind die Amerikaner gezwungen, etwas abzuspecken. Die USA sollte wohl oder übel über die Klippe springen – ich hoffe für sie, dass es keine Bauchlandung wird.
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