Zimmerman Acquittal: Florida's Abstruse Self-Defense Law

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Ob Trayvon Martin aus rassistischen Motiven erschossen wurde, bleibt Spekulation. Der eigentliche Skandal ist Floridas “stand-your-ground law”, schreibt Martin Klingst.

Sie wollen den Freispruch einfach nicht akzeptieren: Von New York bis Los Angeles ziehen seit einer Woche Tausende von empörten Menschen auf die Straße, weil sie entweder nicht verstehen oder nicht einsehen können, dass George Zimmerman wieder auf freiem Fuß ist.

Eine Jury aus sechs Frauen hatte den 28-jährigen Angehörigen einer Bürgerwehr aus Sanford in Florida für “nicht schuldig” erklärt. Weder des Mordes noch des Totschlags noch der fahrlässigen Tötung, obwohl er unstreitig in der Nacht vom 26. Februar 2012 den unbewaffneten 17-jährigen Afroamerikaner Trayvon Martin erschossen hat.

An diesem Wochenende wollen Amerikaner in 100 Städten gegen dieses Urteil demonstrieren. “Gerechtigkeit für Trayvon Martin”, lautet ihr Motto. Die schwarze Bürgerrechtsorganisation NACCP kritisiert den Freispruch als rassistisch und bedrängt Justizminister Eric Holder, mit einer Bürgerrechtsklage dagegen vorzugehen.

Doch war der Freispruch wirklich ungerecht? War tatsächlich Rassismus im Spiel?

Es ist nicht auszuschließen, dass der selbsternannte Hilfssheriff Zimmerman dem jungen Trayvon Martin nachstellte, weil dieser schwarz war. Auch nicht, dass er ihn vielleicht schon deswegen für verdächtig hielt, weil Martin den für junge Schwarze so typischen Sweatshirt-Pullover mit Kapuze trug, den Hoodie. Möglicherweise hegt der Halb-Latino Zimmerman auch Vorurteile gegen Afroamerikaner und ist vielleicht in seinem Innersten sogar ein Rassist.

Mangel an Beweisen

Doch die Verhandlungen vor dem Strafgericht haben keinen Aufschluss darüber gebracht, dass er Martin vorsätzlich tötete und nicht, wie er zu seiner Verteidigung sagte, aus Notwehr. Außer Zimmerman gab es keine anderen Zeugen für den Tathergang. Es fehlten eindeutige Indizien für eine Verurteilung.

So ist es leider manchmal im Rechtsstaat: Das Urteil lässt einen unbefriedigt und mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Aber aus Mangel an Beweisen hätte es nicht anders getroffen werden können.

Natürlich stimmt es, dass Schwarze in Amerika unverhältnismäßig oft einer Straftat verdächtigt werden. Dass sie unverhältnismäßig oft verhaftet und im Polizeigewahrsam misshandelt werden. Ebenso werden Schwarze im Verhältnis zu Weißen schneller und länger ins Gefängnis gesperrt.

Allerdings ist es ebenso eine traurige Wahrheit, dass junge schwarze Männer im Verhältnis weit mehr Gewalt verüben als junge weiße. In New York City zum Beispiel sind nur 25 Prozent der Einwohner schwarz. Aber Dreiviertel aller erfassten Schusswaffeneinsätze gehen auf Afroamerikaner zurück.

Zudem: Zimmerman wurde nicht frei gesprochen, weil die sechs Frauen der Jury von rassistischen Motiven geleitet wurden. Dafür lieferte der Prozess keinerlei Anhaltspunkte.

Das Problem liegt ganz woanders. Trayvon Martin könnte noch am Leben sein, wenn es in Florida nicht dieses abstruse, weit gefasste Selbstverteidigungsrecht gäbe. Es wird stand-your-ground law genannt, was so viel bedeutet wie: weiche nicht. Im Falle einer Bedrohung, oder auch nur, wenn jemand meint, eine Straftat zu beobachten, müssen sich der Bedrohte oder der Zeuge nicht zurückziehen, sondern dürfen den Macho in Wildwestmanier spielen.

Nach diesem Gesetz ist es in Florida erlaubt, einen Verdächtigen zu verfolgen, ihn zu stellen, anzugreifen und nicht locker zu lassen. Angehörige von Bürgerwehren patrouillieren wie Zimmerman unter Berufung auf dieses Gesetz durch ihr Wohngebiet, natürlich mit einer Waffe am Halfter.

Manche sagen, diesem fatalen Gesetz fielen besonders viele Schwarze zum Opfer, weil sie, siehe oben, eben häufiger verdächtigt und verfolgt werden als Weiße. Die Statistik bietet dafür keinen Anlass. Aber das ist auch egal. Weil es dieses Gesetz gibt und Zimmerman Polizist spielte, ist Martin tot.

Der schwarze Musiker Steve Wonder hat den richtigen Schluss gezogen. Er will nicht mehr in US-Bundesstaaten auftreten, die ein solches oder ähnliches Gesetz erlassen haben. Ein Boykott des Waffenwahnsinns ist die richtige Antwort.

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