Obama and the Dumb Wars

<--

Wäre Barack Obama nicht Präsident, würde der Politiker aus Chicago den Schlag gegen Syrien wohl ablehnen und ihn als “dumm” bezeichnen. Was aber die Außenpolitik der USA insgesamt betrifft, bleibt er ein Erneuerer.

Ist es denn wirklich so überraschend, dass US-Präsident Barack Obama nun den Kongress über einen Angriff gegen Syriens Regime entscheiden lassen will? Immerhin hat er seit mehr als zwei Jahren den Einsatz militärischer Mittel abgelehnt, obwohl Baschar al-Assad die Proteste der Opposition brutal niederschlug, obwohl Millionen Syrer aus ihren Wohnungen und sogar dem Land flohen, obwohl Teile des bewaffneten Widerstands dringlich um Unterstützung baten.

Stattdessen sandte Obama schon früh Amerikas Botschafter in Syrien nach Hama, um sich mit den Protestierenden zu solidarisieren, unterstützte diplomatische Bemühungen, setzte auf die Vernunft des syrischen Regimes – und dessen wichtigsten Verbündeten. Vergebens. Russlands Präsident Wladimir Putin träumt fatalerweise noch immer davon, der große internationale Gegenspieler Obamas zu sein, und verweigert sich daher jeder rationalen Lösung des Problems. Was auch immer Putin nun sagt. Ohne die Vetomacht Russland jedoch kann der UN-Sicherheitsrat keine völkerrechtsgemäße Intervention beschließen – keine Flugverbotszone und auch keine noch so begrenzte Bombardierung.

Eine zentrale Frage ist ungeklärt

Zudem sind die Verbündeten der USA darüber uneins, wie in Syrien vorgegangen werden soll. Die Deutschen zögern traditionell, versuchen sich als Mittler und bieten bestenfalls rhetorisch ein Drohpotenzial. In Großbritannien hat das Parlament einen Militärschlag abgelehnt, und in Frankreich steht Präsident François Hollande eine heftige Kontroverse bevor. Bleiben die Türkei und Israel, auf die allein Obama verständlicherweise nicht setzen will.

Zumal eine zentrale Frage ungeklärt ist: Was kann man mit einem militärischen Eingreifen überhaupt erreichen, egal ob Raketenangriffe oder weitergehende Maßnahmen? Die politischen und religiösen, ethnischen und sozialen Konflikte in Syrien lassen sich nicht mit Gewalt lösen, sondern nur in einem langwierigen diplomatischen Prozess, der Regionalmächte wie den Iran und Saudi-Arabien einbindet.

“Ich bin gegen die dummen Kriege”

Vor zehn Jahren kritisierte der damals noch völlig unbekannte Politiker Barack Obama den Irak-Feldzug George W. Bushs mit den Worten: „Ich bin nicht gegen jeden Krieg. Ich bin gegen die dummen Kriege.“ ]Dieser Grundhaltung ist er bislang treu geblieben. Während seiner nun fünf Jahre währenden Amtszeit hat er nur in zwei Fällen auf militärische Mittel gesetzt: bei einer kurzzeitigen Truppenaufstockung in Afghanistan, die vor dem anstehenden Abzug der US-Soldaten das Terrornetzwerk Al-Kaida maßgeblich schwächte, und bei den vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Luftschlägen in Libyen, mit denen ein Massaker an der Opposition verhindert werden sollte – und, ja, nicht ganz mandatsgemäß ein Diktator beseitigt wurde.

In Syrien dagegen besteht nicht die geringste Aussicht, dass den Menschen mit einer Intervention nachhaltig geholfen wird. Vielmehr droht eine Eskalation. Unglücklicherweise jedoch hat sich Obama selbst unter Zugzwang gesetzt, als er mit einem Militärschlag drohte, wenn die syrische Armee Giftgas einsetzen sollte. Einem Gegenschlag, den er selbst wohl „dumm“ nennen würde, wäre er heute nicht Präsident. Angesichts seiner Skepsis gegenüber Militäreinsätzen, angesichts der Widerstände im eigenen Land und der Zurückhaltung der Verbündeten war es logisch, den Kongress einzuschalten. Wenn schon dumm, dann wenigstens gemeinsam! Gemeinsam wird man dann einen Militärschlag beschließen, um das Ansehen als handlungsfähige Großmacht zu wahren.

USA begreifen sich nicht mehr als allzuständige Weltpolizisten

Dennoch bleibt es grundsätzlich bei einer Neuausrichtung der US-Politik. Die USA unter Barack Obama betonen zwar weiterhin ihre Rolle als führende Weltmacht, aber sie begreifen sich nicht mehr als allzuständige Weltpolizisten. Denn: Um überhaupt weiterhin international den Einfluss auszuüben, den Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg hatte, muss das Land zuerst seine gewaltigen eigenen Probleme daheim lösen. Priorität haben für Obama die Konsolidierung des Haushalts, die Reform des Einwanderungsrechts und die Umsetzung der Gesundheitsreform; der Kampf gegen Armut und Rassismus, für mehr soziale Gerechtigkeit und für ein vernünftiges Waffenrecht. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen. Amerika ist ein fragiles Empire – und das weiß der Präsident.

Obama ist dennoch kein Isolationist. Das US-Militär bleibt weltweit präsent, sichert die Rohstoffversorgung und wird trotz einiger Einsparungen großzügig finanziert. Aber der Präsident verwirft endlich die seit dem Ende des Kalten Krieges so bedeutsame neokonservative Idee einer von den USA dominierten Weltordnung. Er fordert, dass die Nationen gemeinsam ihre Verantwortung für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit tragen.

Ein Konflikt wie in Syrien lässt sich nicht mal eben mit einer Militärintervention lösen. Es bleibt nur der langwierige, oft leider von vielen Toten gesäumte Weg der Diplomatie. Das mag derzeit illusionär klingen, aber eine andere Chance gibt es nicht. Der G20-Gipfel bietet dazu die nächste Möglichkeit.

About this publication