05.10.2013
USA laufen Amok
Von Rüdiger Göbel
Früherer Geheimdienstchef Hayden bekennt: Whistleblower Snowden gehört auf Tötungsliste des Präsidenten. Polizisten erschießen junge Mutter auf Irrfahrt in Washington
Wer die US-Geheimdienste wegen systematischer Internetüberwachung kritisiert oder Washingtons »Top secret«-Informationen verrät, der kommt auf die Liste. Zu Wochenbeginn ist dem deutschen Schriftsteller Ilija Trojanow die Einreise in die USA verweigert worden. Gründe wurden dem 48jährigen nicht genannt, doch sie liegen auf der Hand. Trojanow engagiert sich seit Jahren politisch gegen den Sicherheitswahn in den USA und in der EU. Mit seiner Kollegin Juli Zeh hat er 2009 das Buch »Angriff auf die Freiheit – Sicherheit, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte« veröffentlicht. In diesem Sommer haben die beiden eine Petition initiiert, die eine Reaktion der Bundesregierung auf die vom früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden publik gemachte Internetspitzelei der US-Geheimdienstes fordert.
Während das EU-Parlament Snowden für seine Enthüllungen über Grundrechtsverstöße bei amerikanischen und britischen Überwachungsprogrammen mit dem Menschenrechtspreis ehren will, denkt der ehemalige Chef der US-Geheimdienste NSA und CIA, Michael Hayden, über eine gezielte Tötung des »Verräters« nach. Auf einer von der Washington Post veranstalteten Podiumsdiskussion über Cybersicherheit sagte Hayden laut Presseberichten: »Ich muß zugeben, daß ich in meinen dunkleren Augenblicken in den vergangenen Monaten auch daran dachte, Herrn Snowden zu nominieren, allerdings für eine ganz andere Liste.« Er spielte damit auf die »Kill Lists« der US-Präsidenten an, auf denen die Namen von Menschen stehen, die umgebracht werden sollen. Unter Barack Obama wurde die Tötungsliste in »disposition matrix« umbenannt – und fortgeführt. Berichten zufolge macht der Präsident einmal die Woche seine Kreuzchen. Hayden erklärte und rechtfertigte die staatlichen Auftragsmorde so: »Attentate sind per Verfügung des Präsidenten verboten. Wir machen keine Attentate.« Man führe aber sehr wohl »gezielte Tötungen gegnerischer Kombattanten« durch, die USA seien immerhin »im Krieg«.
Der frühere Geheimdienstchef Hayden sorgte mit seinen Mordphantasien Berichten zufolge für »Raunen und Gelächter« im Publikum. Der republikanische Abgeordnete Mike Rogers sprang auf die Anspielung auf die »Kill Lists« an und sagte: »Damit kann ich Ihnen helfen.« Bei früheren Gelegenheiten hatte Hayden den zum Staatsfeind Nummer eins deklarierten Whistleblower als »arroganten, jungen Mann« diffamiert und erklärt: »Snowden wird so enden, wie der Rest derjenigen, die zur Sowjetunion überliefen: isoliert, gelangweilt, einsam und depressiv – und die meisten wurden Alkoholiker.« Glenn Greenwald, der für den britischen Guardian über die NSA-Enthüllungen Snowdens berichtet, bezeichnete nach Publikwerden der Mordwitze Hayden als »Psychopathen«.
In der US-Hauptstadt Washington haben derweil Sicherheitsbeamte am Donnerstag eine 34jährige Mutter nach einer Verfolgungsjagd durch das Regierungsviertel erschossen. Die Frau rammte nach Angaben der Behörden bei ihrer Irrfahrt mit ihrem schwarzen PKW zunächst eine Absperrung am Weißen Haus und raste dann mit ihrer einjährigen Tochter im Wagen auf das Kongreßgebäude zu. Ein Mitarbeiter des Secret Service, der die Gegend um das Weiße Haus bewacht, wurde von dem Wagen getroffen und verletzt. Polizisten feuerten auf das Fahrzeug. Das Baby überlebte den Beschuß. Das Motiv der Frau war zunächst unklar. Sicher ist: Sie war unbewaffnet.
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