Die Zukunft des Krieges
von Joachim Käppner
26. Februar 2014
Die US-Streitkräfte bauen kräftig Personal ab. Hinter dieser Entscheidung steht ein Denken, das den Einsatz Tausender Soldaten mehr und mehr durch Hochtechnologie ersetzen will: Hacker, Roboter, ferngelenkte Flugkörper sollen stattdessen die Kriege der Zukunft führen. Doch das könnte ein folgenschwerer Irrtum sein.
Die Bundeswehr ist längst aus Kundus abgezogen. Die afghanische Stadt gilt aber immer noch als Symbol für Hinterhalte, tote Soldaten, das fatale Bombardement von 2009 mit etlichen zivilen Opfern, kurz: für einen Krieg, der alles nur noch schlimmer gemacht habe. 2010 aber, nach all diesen Rückschlägen, drängten die Bundeswehr und afghanische Streitkräfte die Taliban bei Kundus Dorf für Dorf aus Gebieten heraus, welche die Gotteskrieger als “befreit” deklariert hatten. US-Spezialkommandos suchten nachts nach Taliban-Führern, starke Bodentruppen sicherten das Erreichte durch ein Netz neuer Stützpunkte; Experten bauten in den Dörfern Krankenstationen und Brunnen.
Die Operation “Halmazag” war gewiss nur eine Momentaufnahme; wie nachhaltig der begrenzte Sieg nach dem Abzug der Nato-Truppen Ende 2014 sein wird, ist fraglich genug. Sie zeigt aber exemplarisch, wie ein asymmetrischer Krieg erfolgreich geführt werden kann: mit “boots on the ground”, Soldaten am Boden.
Hochtechnologie soll Soldaten ersetzen
Nach den Planungen des Pentagon soll es davon aber immer weniger geben. Die Personalstärke der US Army wird auf einen Stand verringert, der so niedrig ist wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese und andere Einsparungen sind zwar der US-Etatkrise geschuldet. Im Hintergrund steht aber ein Denken, das den Einsatz Tausender Soldaten mehr und mehr durch Hochtechnologie ersetzen will: Tarnkappen-Drohnen, Vielzweckbomber, Spezialeinheiten mit Ausrüstung wie aus einem Science-Fiction-Film.
Gewiss dient das auch schlicht der Modernisierung. Der Erste Weltkrieg beendete das Zeitalter der Kavallerie, der Zweite jenes der Schlachtschiffe. Nun sehen viele eine Ära unbemannter Waffensysteme hereinbrechen. Langwierige, allein wegen der Verluste unpopuläre Einsätze wie in Afghanistan mit großen Kontingenten soll es möglichst nicht mehr geben. Nicht Soldaten, sondern Hacker, Roboter, ferngelenkte Flugkörper, heißt es, würden stattdessen Kriege der Zukunft führen.
Dies aber könnte ein folgenschwerer Irrtum sein; er war es schon im Irak 2003, als die USA einen ohnehin überflüssigen Krieg führten, das Land mit viel zu wenig Truppen besetzten und bald die Kontrolle verloren. Die westlichen Streitkräfte werden sich durch neue Technologien zwar stark wandeln, aber noch lange nicht ersetzbar sein – auch, ja gerade nicht in den asymmetrischen Konflikten unserer Zeit.
Die Drohnenkampagne der USA gegen islamistische Terroristen ist ein beunruhigendes Beispiel für allzu viel Technikgläubigkeit, von ihrer völkerrechtlichen Fragwürdigkeit ganz abgesehen. Die Drohne, die man nicht sehen kann, die Rakete, abgefeuert von einem Leitstand in Nevada, der Tod, vor dem es keine Warnung gibt – die Überlegenheit gegenüber dem Feind ist so groß wie die britischer Heere gegenüber afghanischen Freischärlern Ende des 19. Jahrhunderts. Damals setzten die Engländer erstmals Maschinengewehre ein: “Whatever happens / we have got / the Maxim gun / and they have not.” Der angeblich präzise Drohnenkrieg über Pakistan oder Somalia aber kostete Hunderte Unbeteiligte das Leben, Opfer einer Technologie, die nur so gut sein kann wie die militärische Strategie, der sie dient. Das Ergebnis: Hass und neue Terroristen.
Besser zu viele Bodentruppen als zu wenige
David Petraeus, einst weitblickender Nato-Befehlshaber in Afghanistan, hatte 2010 als Prinzip erfolgreicher Aufstandsbekämpfung etwas anderes ausgegeben: “Priorität muss es sein, die Zivilisten zu schützen, erst danach kommt das Ziel, den Feind zu vernichten.” Das ist eine alte, oft vergessene Weisheit: Je mehr Unschuldige durch ein Militär sterben, das sich doch als ihr Beschützer ausgibt, desto weniger werden die Menschen ihm vertrauen. Um die Bevölkerung aber zu gewinnen und ihre Sicherheit zu gewährleisten, sind Bodentruppen notwendig, und besser nicht zu wenige.
Nach 9/11 ist die Nato ja nicht aus Abenteuerlust an den Hindukusch gezogen, sondern weil die al-Qaida dort ihre Terrorbasis errichtet hatte. Der Westen musste reagieren, und so etwas kann wieder geschehen. Sollten also neue Einsätze nötig sein, werden nicht nur Drohnen gebraucht, sondern vor allem jener lange Atem, der in Afghanistan fehlte: Soldaten, die Frieden schaffen, mehr Soldaten, um ihn zu sichern; Helfer, um Vertrauen zu gewinnen, noch mehr Helfer für das nation building. In frankophonen Ländern Afrikas deutet sich bereits an, dass all dies gefragt sein könnte – obwohl die französische Intervention in Mali nur ein kurzer Militärschlag werden sollte. George Orwell schrieb: “Menschen schlafen nur deshalb friedlich in ihren Betten, weil raue Männer bereitstehen, um sie notfalls mit Gewalt zu verteidigen.” Das wird noch lange so bleiben, vielleicht immer.
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