ames Clapper spricht
Die Phantome der Heimlichkeit
23.02.2014 · In der Informationsgesellschaft, in der Verschleierungen enorme Kraftanstrengungen bedeuten, werden alle politischen Geheimnisse Zeitbomben. Gilt das auch für James Clapper, Amerikas Geheimdienstdirektor?
Eine falsche Erinnerung: Im Sommer 2013 floh der amerikanische Veteran Edwin Sunden nach China. Er berichtete der Welt von einem amerikanischen Militärgefängnis fernab aller Jurisdiktionen. Im Auftrag und unter Aufsicht des Präsidenten seien dort mehrere hundert Menschen inhaftiert. Seit einem Jahrzehnt warten sie auf ihre Anklagen, für ihre Angehörigen gelten sie als verschollen. Die Öffentlichkeit hat nie davon erfahren.
Wie schockierend wäre eine Enthüllung wie diese tatsächlich gewesen? Und was wäre ihre Folge? Diese Fragen quälen die amerikanische Regierung derzeit, wenn auch zu einem anderen Thema: „Wären wir nach dem 11. September 2001 transparent gewesen, hätten wir den Bürgern und politischen Vertretern gesagt, womit wir den Terror bekämpfen, was wir planen und wie es funktioniert, hätten wir heute keine Probleme“, sagte gerade James Clapper, der Nationale Geheimdienstdirektor der Vereinigten Staaten, öffentlich und freimütig.
Dass die NSA nur vier Wochen nach dem 11. September 2001 damit begann, ihr Programm zur Telefonüberwachung auch auf das Inland auszuweiten, ist für den amerikanischen Geheimdienstdirektor allenfalls ein Problem der politischen Kommunikation. „Was hier tatsächlich gegen uns arbeitet, sind die schockierenden Enthüllungen“, behauptet Clapper. Man könnte ihm nun mit den Manieren eines Eric Schmidt Vorhaltungen machen: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“
Auf der anderen Seite hat Clapper vielleicht recht: In der Informationsgesellschaft, in der Verschleierungen und Heimlichkeiten enorme Kraftanstrengungen bedeuten, werden alle politischen Geheimnisse Zeitbomben. Aber warum sollte die Frage, ob etwas heimlich getan wird, auch eine Frage danach sein, was überhaupt getan wird? Clapper selbst hatte vor dem Kongress beteuert, dass Amerikaner „nicht millionenfach abgehört“ werden, zumindest „nicht wissentlich“, ehe ihn Edward Snowden anschließend zum Lügner machte.
Die mutmaßliche Straftat, vor den Abgeordneten zu lügen, wurde bislang nicht geahndet. Der mutmaßliche Verfassungsbruch, Amerikaner flächendeckend zu überwachen, blieb ebenso folgenlos. Clapper beschwerte sich zu Recht über Whistleblower – sie allein können die Öffentlichkeit noch schockieren. Wird dagegen auf bürokratischen Wegen kommuniziert, sind der Politik keine Grenzen gesetzt. Was könnte uns Edwin Sunden denn tatsächlich noch Schockierendes und Folgenreiches über Guantánamo erzählen?
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