Informationsaustausch über Bankkunden. Amerika will viel und gibt wenig
Die USA verlangen mit Fatca von Banken weltweit Informationen über US-Kunden. Fatca steht auch dem OECD-Standard zum Informationsaustausch Pate. Die USA selbst sind indes kaum zu Reziprozität bereit und haben bei der OECD eine Extrawurst.
Christoph Eisenring, Washington
Der Druck zum automatischen Informationsaustausch (AIA) in Steuersachen zwischen den Industrieländern nimmt zu. So hat
die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kürzlich Standards für dessen Umsetzung vorgestellt. Man muss den AIA nicht mögen. So widerspricht er dem Prinzip, dass Informationen erst fliessen sollten, wenn es einen begründeten Verdacht auf Steuerhinterziehung oder -betrug gibt. Da die Entwicklung aber in diese Richtung geht, sollten sich wenigstens alle an dieselben Spielregeln halten müssen. Nur so wäre die Balance zwischen «Geben und Nehmen» gewahrt. Als Vorbild für die OECD-Standards dient die Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca), mit der die USA ab Juli 2014 weltweit von Finanzinstituten detaillierte Angaben über US-Personen verlangen können. Doch die USA gewähren Partnerstaaten unter Fatca nur sehr beschränkt Reziprozität. Und bei den OECD-Standards darf Washington sogar ein Sonderzüglein fahren.
Den Schleier nicht gelüftet
Die OECD-Standards verlangen, dass Banken den Schleier über Investmentgesellschaften lüften. Sie müssen also die Personen
eruieren, die solche Vehikel kontrollieren, und diese Angaben an die Steuerbehörden der teilnehmenden Länder übermitteln. Auch unter Fatca müssen Banken aus Vertragsstaaten der USA hinter Investmentgesellschaften blicken. Findet eine Bank Amerikaner mit einer substanziellen Beteiligung (mehr als 10%), muss sie diese Angaben an die USA weitergeben.
Im umgekehrten Fall müssen amerikanische Banken unter Fatca bei solchen Konti nicht nach den wirtschaftlich Berechtigten forschen. Und auch die OECD-Standards sehen für die USA eine Sonderbehandlung vor, die in diese Richtung geht.
US-Banken müssen demnach passive Körperschaften («passive non-financial foreign entities») aus Staaten, mit denen die USA kein Fatca-Abkommen haben, nicht durchleuchten. Zu solchen Entitäten gehören laut Hans-Joachim Jaeger von Ernst & Y oung in Zürich
etwa Trusts oder Aktiengesellschaften, besonders mit Inhaberaktien. Es handelt sich also nicht um eine Marginalie, wie es die OECD darstellt. Die Sonderbehandlung für die USA reduziert nicht nur den Aufwand amerikanischer Institute im Vergleich zurKonkurrenz in Europa, sondern unterhöhlt auch das Prinzip der Gegenseitigkeit.
Geringere Last für US-Banken
Jaeger macht ein Beispiel. Angenommen, eine Gesellschaft aus einer «Steueroase» wie Vanuatu oder Belize habe ein Konto bei einer US-Bank und der wirtschaftlich Berechtigte dahinter sei Europäer. Wenn die Gesellschaft amerikanische Wertschriften hält, muss sie gegenüber der US-Bank lediglich zertifizieren, dass kein Amerikaner eine substanzielle Beteiligung hat. Damit ist die Sache für die US-Bank erledigt. Allenfalls muss sie 30% Quellensteuer auf gewissen Erträgen aus US-Quelle zurückhalten, da Vanuatu mit den USA kein Doppelbesteuerungsabkommen hat.
Wenn die Vanuatu-Gesellschaft indes keine US-Wertschriften hält, ist nicht einmal dies der Fall. Dagegen müsse eine Schweizer
oder eine deutsche Bank sowohl unter Fatca als auch gemäss OECD-Standards die wirtschaftlich Berechtigten hinter der
Vanuatu-Gesellschaft ermitteln, erklärt Jaeger. Wenn sie herausfindet, dass kontrollierende Personen aus den USA (bei Fatca)
oder einem Teilnehmerstaat (gemäss OECD-Standard) stammen, muss diese Information an das jeweilige Land übermittelt
werden.
Ungeniessbare Extrawurst
Wie begründet die OECD die Extrawurst für die USA? Steuerchef Pascal Saint-Amans argumentiert, Fatca habe gegenüber den OECD-Standards einen gewichtigen Vorteil: Die «Strafsteuer» von 30% auf US-Erlösen und -Erträgen sei ein starkes Druckmittel, damit Staaten mit den USA ein Abkommen zur Umsetzung von Fatca schlössen. So haben die USA etwa auch mit britischen Kronkolonien wie der Isle of Man oder Guernsey sowie mit britischen Überseeterritorien wie Bermuda oder den Cayman-Inseln Fatca-Vereinbarungen getroffen und stehen mit Panama in Gesprächen. Doch diese Rechtfertigung verkennt,
dass der Grund für die mangelnde Reziprozität in den USA selbst zu suchen ist: Es gibt keine Verpflichtung für US-Banken, die
wirtschaftlich Berechtigten hinter Firmenkonstrukten zu identifizieren.
Ginge es nach dem US-Finanzministerium, soll sich dies zwar ändern. Im März 2012 hat es einen entsprechenden Vorschlag
lanciert. Die Regulierung soll noch 2014 in die Vernehmlassung geschickt werden. Doch selbst wenn die Banken solche Informationen sammeln würden, hiesse dies nicht, dass diese anschliessend automatisch an Fatca-Partner oder am OECD Standard teilhabende Länder weitergeleitet würden. Vielmehr handelt es sich um bankinterne Unterlagen, die bei Delikten wie Geldwäscherei von der Justiz angezapft werden können. Damit Angaben über wirtschaftlich Berechtigte automatisch an das jeweilige Heimatland weitergeleitet werden könnten, müsste eine weitere Verordnung folgen, sagt Brian Kindle von der Association of Certified Financial Crime Specialists in Miami. Davon ist derzeit jedoch nicht die Rede.
Ein Trippelschritt der USA
Die «Reziprozität» bei Fatca müsse man in Anführungszeichen setzen, sagt auch Allison Christians, Rechtsprofessorin an der McGill University in Montreal. Die Amerikaner haben den Fatca-Partnern diese zwar versprochen, bisher aber nur ein Trippelschrittchen in diese Richtung gemacht: So müssen US-Banken seit 2013 Zinszahlungen an Ausländer von mindestens 10$ der US-Steuerbehörde melden. Diese kann die Angaben im Prinzip an den Fatca-Partnerstaat weiterleiten (wobei die Schweiz auf Reziprozität verzichtet hat). Wenn also ein Mexikaner, Deutscher oder Italiener versucht, Geld in den USA auf einem
Sparkonto zu verstecken, dürfte es damit bald einmal vorbei sein. Von dieser Regel berührt sind jedoch nur Konti von natürlichen Personen, nicht aber von juristischen.
An einem gleichgewichtigen Informationsaustausch seien die Vereinigten Staaten gar nicht interessiert, sagt Professorin Christians. Hierzu fehle in den USA schlicht die politische Unterstützung. Für Washington stehe die weltweite Bekämpfung der Steuerhinterziehung durch Amerikaner im Vordergrund. Die USA gehören denn auch – wie die Schweiz – nicht zu den 42 Ländern und Territorien, die sich bisher explizit hinter die OECD-Initiative gestellt haben, darunter etwa die grossen EU-Länder, aber auch Liechtenstein oder Luxemburg. Vielmehr ist Washington weit entfernt davon, die dort festgeschriebenen Standards befolgen zu können (deshalb wohl die Sonderbehandlung). Die USA nehmen damit bei ihren Banken vorderhand Verhaltensweisen in Kauf, die sie anderen Ländern seit Jahren ankreiden.
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