American Gas Can Stabilize Europe

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Die Krise in der Ukraine hat den Ländern Mittelosteuropas wieder einmal ihre energiepolitische Verwundbarkeit vor Augen geführt. Zwar machen gut gefüllte Gasspeicher und ein milder Winter eine Versorgungskrise, wie sie Teile Mittel- und Osteuropas 2006 und 2009 erleben mussten, unwahrscheinlich.

Zahlreiche Infrastrukturprojekte der vergangenen Jahre haben zudem die Anbindung der Region an die nord- und westeuropäischen Energienetze vorangetrieben. Doch diese Projekte brauchen Zeit. Noch immer sind einige Staaten in Europas Osten vollständig von russischem Gas abhängig.

Es gibt jedoch noch eine andere Option: amerikanisches Gas für Europa. Die Vereinigten Staaten sind durch die “Schiefergas-Revolution” zu einem der größten Gasproduzenten der Welt geworden. Die amerikanischen Vorräte an “shale gas”, das durch die Einleitung von Wasser und Chemikalien ins Erdreich aus dem Gestein herausgepresst wird, werden auf 100 bis 200 Jahre geschätzt.

Gas wird nicht nur an Pipelines gebunden

Diese Entwicklung, die kaum jemand vorhergesehen hatte, führt zwar nicht zur völligen Energieunabhängigkeit Amerikas, doch der Bedarf an importierter Energie wird weiter sinken. Entsprechend niedrig sind die amerikanischen Energiepreise.

Mehr noch. Die Fortschritte bei der Verflüssigung von Gas haben in den vergangenen Jahren einen flexiblen “Spotmarkt” entstehen lassen, den es bislang nur für Öl gab. Denn der Transport von verflüssigtem Gas (Liquefied Natural Gas – LNG) kann durch Schiffe erfolgen.

Gas ist damit nicht mehr ausschließlich an Pipelines gebunden – eine Entwicklung, die das Monopol derer brechen könnte, die bislang über den Verlauf von Pipelines und eine willkürliche Preisgestaltung Geopolitik betreiben konnten.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Dies erklärt das Interesse gerade der mittel- und osteuropäischen Staaten an amerikanischen Gasimporten. Würden ihnen die USA Energie liefern, würde dies nicht nur ihre Abhängigkeit von russischer Energie verringern, sondern ihnen auch eine bessere Ausgangslage bei den Preisverhandlungen mit ihren russischen Lieferanten verschaffen. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.

Schon heute ist die Verhandlungsposition Russlands bei Energiegeschäften schwächer als noch vor wenigen Jahren. Amerikanische Firmen könnten hingegen auf dem europäischen Markt höhere Preise erzielen als gegenwärtig in den USA.

Auf den ersten Blick also ein gutes Geschäft für Europa und Amerika. Doch noch zweifeln manche in den USA, ob es vertretbar ist, das eigene Gas zu exportieren und damit den durch niedrige Energiepreise geförderten eigenen wirtschaftlichen Aufschwung zu gefährden. Die Folge: Für Asien wurden zögerlich einige Exportlizenzen erteilt, für Europa nicht.

Washington hat Interesse an europäischer Preisstabilität

Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine könnten diese Lage jedoch schon bald ändern. Denn als der Welt größter Ölverbraucher zahlen die USA für jede europäische Krise, die zu einem höheren Ölpreis führt, den größten Teil der Zeche. Washington hat daher ein unmittelbares Interesse an europäischer Energie- und Preisstabilität.

Die aktuellen Ereignisse bestätigen die strategische Logik des sogenannten “LNG for Nato”-Gesetzentwurfs des ehemaligen Senators Richard Lugar. Lugar, einer der einflussreichsten Atlantiker im amerikanischen Kongress, hatte 2012 vorgeschlagen, den Export von LNG an Nato-Verbündete in Mittel- und Osteuropa schnellstmöglich zuzulassen, indem man diese Länder so stellt, als hätten sie ein Freihandelsabkommen mit den USA.

Damit würde die Energieabhängigkeit Mittel- und Osteuropas verringert, noch ehe andere, längerfristige Maßnahmen greifen. Es verwundert daher nicht, dass sich viele mittel- und osteuropäische Nato-Staaten für amerikanische LNG-Exporte starkmachen. In Polen und Litauen entstehen bereits LNG-Terminals, die bald auch Schiffe mit amerikanischem Gas empfangen könnten. Lettland, Estland und Finnland setzen ebenfalls auf LNG.

Solidarisch in nichtmilitärischen Fragen

Amerikanische Energieexporte nach Europa sind kein Ersatz für ein konstruktives Verhältnis zu Russland. Die eurasische Großmacht bleibt vermutlich auf Jahrzehnte der größte Gaslieferant Europas. Schon aus diesem Grund verbieten sich Spekulationen, amerikanisches LNG könne Russlands führende Stellung auf dem Energiemarkt neutralisieren.

Amerikanisches LNG für Europa ist daher kein Allheilmittel. Gelänge es jedoch, dadurch die Energieabhängigkeit – und damit zugleich die Nervosität – der mittel- und osteuropäischen Nato-Verbündeten gegenüber einem als unberechenbar empfundenen Russland zu verringern, dann hätte die atlantische Gemeinschaft einmal mehr bewiesen, dass sie auch in nichtmilitärischen Fragen solidarisch sein kann.

Michael Rühle ist Leiter der Politischen Planung beim Nato-Generalsekretär. Julijus Grubliauskas ist bei der Nato für Fragen der Energiesicherheit zuständig. Die Verfasser geben ausschließlich ihre persönliche Meinung wieder.

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