Washington Doubts the Strength of Merkel's Leadership

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Washington zweifeln an Merkels Führungsstärke.

Angela Merkel gilt in den USA als Hoffnung, Putin zu verstehen und vielleicht mit ihm zu verhandeln, nicht ihn zu bändigen. Kein amerikanischer Meinungsartikel lässt die DDR-Prägung als protestantische Pfarrerstochter und die Russischkenntnisse der Bundeskanzlerin aus. Kein US-Spitzenpolitiker hat solche Expertise gegenüber Russland zu bieten. Kein Eindruck von Wladimir Putin wurde mehr zitiert als Merkels Befund, der russische Präsident lebe in einer anderen Welt. Doch in die respektvollen Betrachtungen mischt sich, zumal in konservativen Kommentaren, die reflexhafte Skepsis gegenüber der Führungsfähigkeit Berlins in einem schwachen, chaotischen Europa. Gerade weil Merkel Putin so gut lesen und dekodieren könne, werde sie zaudern und keine Härte bei Sanktionen zeigen. Die deutsche Abhängigkeit von russischem Erdgas werde jede Entschlossenheit aufweichen. Die enorme Abhängigkeit der Londoner City von russischem Geld und das Zögern der Briten, Moskau und sich selbst schmerzhaft zu bestrafen, wird nicht annähernd so häufig kritisiert.

Typisch für die US-Hardliner ist der Kolumnist Charles Krauthammer, der in der „Washington Post” ein ganzes Paket von amerikanischen Strafaktionen vorschlägt, die Entsendung von Kriegsschiffen ins Schwarze Meer und Nato-Manöver eingeschlossen. Im übrigen solle Russland isoliert werden, indem man es unter anderem aus der G 8 wirft: „Um die zitternde Angela Merkel zu beruhigen, könnte man es durch Austritt der sieben demokratischen Mitglieder und Neugründung als G 7 machen.”

Krauthammer und John McCain, Senator der Republikaner, klagen die Bundeskanzlerin ebenso der Schwäche an wie ihren Präsidenten, dem spätestens seit seiner leeren „Rote Linie”-Drohung gegen Syriens Assad keine glaubwürdige Demonstration amerikanischer Stärke gelingen könne. Auffällig oft wird die machohafte Zurschaustellung von Putins muskulösem Oberkörper erwähnt. Eher bewundernd als spottend, so als wünsche man sich heimlich einen Bären statt eines schlaksigen Hänflings im Weißen Haus. McCain hat das Problem, dass nicht einmal alle seine republikanischen Fraktionskollegen das Hilfspaket Barack Obamas für die Ukraine in Höhe von einer Milliarde Dollar absegnen wollen. Die einen sagen, mit der Kreditgarantie stärke man Moskau, da die Ukraine bei den Russen hoch verschuldet sei. Die anderen wollen das Paket mit einer Reform des Internationalen Währungsfonds verbinden, das den USA mehr Spielraum im IWF geben soll. Das Ergebnis ist die inzwischen übliche Blockade des Kongresses. Und weitgehend eine Lähmung der US-Außenpolitik. McCain und sieben weitere Senatoren sind in die Ukraine gereist. Sie werden Mühe haben, die US-Innenpolitik zu erklären.

Methodisch, klug, vernünftig sind Attribute, die der Bundeskanzlerin in den USA zugedacht werden. Auch der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands, bei aller Kritik der Austeritätspolitik, beeindruckt. Das duale Ausbildungssystem, befriedete Gewerkschaften und ein starkes produzierendes Gewerbe lassen die Amerikaner gelten, manche Linksliberale sehen es gar als vorbildlich. Nur mit politischer Führungsstärke Merkels innerhalb Europas rechnet niemand.

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