Politische Vermächtnisse
Bush, Blair, Schröder: Es waren die Falschen an der Macht
16.04.2014 16:59 Uhr
von Moritz Schuller
George W. Bush, Tony Blair und Gerhard Schröder prägten den Beginn der 2000er Jahre: Sie hatten die richtigen Themen am Wickel, doch im Rückblick fragt man sich: Was wollten sie überhaupt? Die politische Auseinandersetzung belasten sie bis heute.
Auch Churchill hat im Alter gemalt, und aus Berlusconi wird in diesem Leben auch kein Elder Statesman mehr. Seine Reststrafe wegen Steuerbetrugs wird der italienische Ex-Premier als Sozialdienst ableisten und geistig und körperlich Behinderten „neue Hoffnung und Auftrieb geben“, wie es in einem Dokument seines Anwalts heißt. Es ist die Stärke und die Schwäche einer Demokratie, dass die Menschen an der Spitze kommen und wieder verschwinden. Demokratie kennt keine Kontinuität, politische Erfahrung verpufft.
Auch George Bush, Tony Blair und Gerhard Schröder sind wieder gegangen, und während die meisten ihnen keine Träne nachweinen, ist es doch ein erstaunlicher Gang der Dinge: Vor zehn Jahren waren sie die mächtigsten Männer der Welt, heute sind sie alle drei politisch und moralisch diskreditiert.
Im Gespräch sind sie zurzeit nur aus anderen Gründen: Bush stellte in Texas gerade naturalistische Porträts aus, die er in den vergangenen Jahren von anderen Staatenlenkern gemalt hat.
Die Themen gerieten mit ihnen in Misskredit
Blair, der laut „Daily Telegraph“ ein Vermögen von rund 70 Millionen Pfund angehäuft hat und kasachische Diktatoren berät, muss sich gegen das Gerücht wehren, eine Affäre mit Rupert Murdochs Frau Wendi Deng gehabt zu haben. Und Schröder, dem nicht einmal zum Volkerrechtsbruch seines Freundes Putin angemessene Worte einfallen, hatte gerade Geburtstag. Er ist der älteste dieses Trios. Manchmal kommen in einer Demokratie die Falschen an die Macht.
Doch manchmal haben sie richtige Themen am Wickel, die unglücklicherweise mit ihnen in Misskredit geraten. Dann prägen solche Politiker verlorene Jahre. George Bushs Obsession mit dem Irak hätte zu einem grundsätzlichen Verständnis darüber führen können, wann humanitäre Interventionen gerechtfertigt sind. Dazu kam es in dem politischen Kampf um Blut, Öl und Massenvernichtungswaffen nicht. Und so liegt der Irakkrieg noch immer wie ein lähmender Schatten über der wirren und widersprüchlichen Syrienpolitik des Westens.
In seiner Rede vor dem Europäischen Parlament 2005 hatte Tony Blair alles gesagt, was es zu Europa zu sagen gibt: „Es ist an der Zeit, dass wir uns einem Reality-Check unterziehen. Dass wir den Weckruf hören. Die Menschen posaunen es von den Stadtmauern herunter. Hören wir zu? Haben wir den politischen Willen, hinauszugehen und mit ihnen zu reden, damit sie unsere Führung als Teil der Lösung und nicht als das Problem selbst betrachten.“ Blair sprach vor neun Jahren die Arbeitslosigkeit an, das geringe Wachstum, die Zuwanderung, die Sozialpolitik, die Verteidigungspolitik, die mangelnde Legitimität der europäischen Strukturen. Doch was ist daraus in der britischen Ratspräsidentschaft und darüber hinaus passiert? Nichts. Blairs Interesse an Europa verschwand bald wieder. Die Probleme, die er ansprach, sind seitdem nur schlimmer geworden.
Und auch Gerhard Schröders Agenda 2010 hat einen Schaden angerichtet, der weit über seine Amtszeit hinausgeht. Denn das Programm war vor allem ein als wirtschaftspolitischer Befreiungsschlag getarnter Angriff auf seine innerparteilichen Gegner. Bis heute setzt sich diese parteipolitische Verknechtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik fort – in umgekehrter Richtung, im dem Kampf der SPD-Linken für die Rente mit 63. Das Erbe Schröders ist eine sozialpolitische Aggression, die jede sachliche Debatte über das, was richtig und gerecht ist in dieser Gesellschaft, unmöglich macht.
Bush malt Bilder, als hätte er keine Erinnerung an Merkel und Putin
George Bush malt die Porträts von Putin, Merkel und dem Dalai Lama nach Fotos, die von Wikipedia stammen – so, als ob er keine eigene Erinnerung an diese Menschen, keine eigenen Bilder von ihnen hat, so, als ob er nie Präsident gewesen wäre gewesen wäre. Tony Blairs eigene Partei will mit ihm nichts mehr zu tun haben. „Er ist toxisch“, zitiert der „Guardian“ einen ehemaligen Blair-Vertrauten. Schröder hält die Rente mit 63 für „ein absolut falsches Signal“, in der Debatte hat sein Wort aber kein Gewicht mehr. Warum auch? „Ich bin nicht Moses“, sagt Schröder lässig, und die Agenda sind nicht die Zehn Gebote.
Alle drei haben Politik mit einer Flatterhaftigkeit gemacht, die im Rückblick einen Mangel an Ernsthaftigkeit, auch an politischem Ehrgeiz verrät. Was wollten sie überhaupt? Wäre Bush nicht besser gleich Maler geworden und Blair Investmentbanker und Schröder Lobbyist? Schade ist es nicht, dass die drei innerhalb von zehn Jahren politisch irrelevant geworden sind. Schade ist es um die Themen, die sie diskreditiert haben.
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