The World’s Best Actress

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Ob es um Haargummis, den “dünnhäutigen” Präsidenten Putin oder das heikle Thema NSA geht: Hillary Clinton kontert jede Frage von Günther Jauch. Schwer fällt ihr das nicht.

Für einen Moment hat es Günther Jauch geschafft: Sein Gegenüber ist verunsichert. Treuherzig hatte der Moderator Hillary Clinton angeschaut und gefragt, wie sie seinen Anzug und seine Frisur finde. Und ist die Brille überhaupt noch modern? Die Amerikanerin lacht irritiert und sagt dann, dass der deutsche Talkmaster in dieser Angelegenheit sicher noch an sich arbeiten könne.

Fragen nach ihrem eigenen Äußeren ist Hillary Clinton gewöhnt, seit sie als First Lady mit Ehemann Bill ins Weiße Haus einzog. Auch als sie Obamas Außenministerin war, verfolgten sie diese Debatten. Als sie nach einem Titel für ihr Buch über jene Jahre als Amerikas Chefdiplomatin, das sie nun in Deutschland bewirbt, gesucht habe, habe sie im Internet folgenden Vorschlag gefunden: “Die Haargummi-Chroniken. 112 Länder, aber immer ging es nur um meine Haare”. So steht es im Vorwort von “Entscheidungen” und darauf spielt Jauch an.

Dass Frauen in Spitzenämtern noch immer zu oft nach ihrem Outfit und ihrem Aussehen bewertet werden, bestätigen auch. Die frühere EKD-Ratsvorsitzende und die Verteidigungsministerin sollen mit Clinton über das Thema “Frauen an die Macht” sowie das deutsch-amerikanische Verhältnis sprechen, doch sie wirken blass neben Clinton, die als Favoritin für die Nachfolge von Barack Obama gilt und 2016 zur ersten US-Präsidentin gewählt werden könnte (mehr über Clintons inoffizielle Wahlkampfkampagne hier).

Es ist verständlich, dass sich Günther Jauch auf den weltberühmten Gast konzentriert. Doch nach der netten Einstiegsfrage zu seiner Frisur gelingt es Jauch nicht mehr, Hillary Clinton zu überraschen. Schnell schwindet die Hoffnung, dass der Moderator das Nebensächliche hinter sich lassen könnte, um hintergründig zu fragen. Stets scheint Jauchs Sorge, nicht alle vorbereiteten Fragen von seinen Karten ablesen zu können, größer als der Wunsch, der 66-Jährigen mehr als vorbereitete Floskeln (talking points nennen das die Amerikaner) zu entlocken. Die gibt gern zu, sich als Feministin zu bezeichnen: “Ich will, dass Töchter genauso gute Chancen haben wie Söhne.”

Im Fall des möglichen US-Spions beim Bundesnachrichtendienst, der zurzeit nicht nur Bundespräsident Joachim Gauck erzürnt, zieht sich Clinton auf die Position zurück, dass sie die “Tatsachen” nicht kenne und deswegen keine Schlussfolgerungen ziehen könne. Alles müsse geprüft und anschließend im Dialog zwischen Washington und Berlin debattiert werden, betont die Demokratin.

Diese Argumentation hat etwas für sich, denn Clinton ist seit Anfang 2013 nicht mehr Mitglied der US-Regierung. Doch Jauchs Fragen zur NSA-Affäre und dem Umgang mit dem Whistleblower Edward Snowden sind bestenfalls routiniert. Konnte sie wirklich nichts über das abgehörte Kanzlerinnenhandy wissen? Nein, weder sie noch Obama hätten davon gewusst und der Präsident habe ja das Ende der Überwachung angeordnet. Warum werden befreunde Staaten überhaupt ausspioniert? Nach 9/11 sei dies nötig gewesen, immerhin hätten mehrere Attentäter in Hamburg gewohnt und dort die Anschläge geplant. Und auch heute – siehe Syrien – sei die Welt nicht sicherer geworden und Terroristen weiter aktiv.

Obamas Regierung arbeite aber an Reformen und wolle die Geheimdienste strenger kontrollieren, versichert Clinton. Und sie werde dem Präsidenten (“Wir sind gute Freunde”) und ihrem Nachfolger John Kerry bei ihrer Rückkehr noch mal sagen, wie wichtig die Deutschen wegen ihrer Geschichte das Thema “Schutz der Privatsphäre” nehmen. Nachfragen des Moderators? Fehlanzeige.

Die sonst selten um klare Meinungen verlegene Margot Käßmann will Jauchs Frage, ob Edward Snowden “Held oder Verräter” sei, nicht beantworten: “Das ist mir zu platt.” Clinton, der die NSA-Affäre nur 1,5 von fast 900 Seiten ihres aktuellen Buchs wert ist, wiederholt die Argumente der Obama-Administration: Sie wundere sich, dass Snowden nach China und Russland geflohen sei, wo die Meinungsfreiheit unterdrückt werde. Snowden habe doch alle Möglichkeiten gehabt, intern auf die Missstände aufmerksam zu machen – und natürlich habe er das Recht, in die USA zurückzukehren, doch dann müsse er sich vor Gericht verantworten.

Putin statt NSA

Vergeblich hofft der Zuschauer, dass sich Jauch damit nicht begnügen möge. Wie gern würde man hören, wie Clinton auf die Nachfrage reagiert, wieso ausgerechnet der Verfassungsjurist Obama Whistleblower so drakonisch auf Basis eines 97 Jahre alten Gesetzes verfolgt – und was sie als Ex-Mitglied dieser Regierung dazu sagt. Oder wie sie auf einen Einspielfilm reagieren würde, der die Fälle von anderen Whistleblowern wie Thomas Drake oder Jesselyn Radack beleuchtet. Denn dann würde klar werden, dass der “behördeninterne” Weg für kritische Mitarbeiter der Geheimdienste nahezu unmöglich ist.

Solche Fragen wurden Clinton zwar schon früher gestellt, aber ihre Reaktion wäre für die deutschen Zuschauer interessant gewesen. Und es hätte zum Thema der Sendung gepasst, die ja auch beleuchten wollte, wie Frauen mit ihrer Macht umgehen. Von der Leyen spricht zwar davon, dass die Kanzlerin einen “anderen Blick” auf Politik habe – doch sie erklärt diesen Unterschied nicht und Jauch fragt auch nicht nach. Stattdessen darf von der Leyen mit Clinton wetteifern, wer sich öfter als Merkel-Fan zeigt (die Deutsche gewinnt). Und weil sich dann wieder Bilder des Super-Machos Wladimir Putin ohne Oberhemd zeigen lassen, wird Clinton aufgefordert, über ihre Erfahrungen mit Russlands Präsidenten zu sprechen.

Dass dieser sie jüngst “schwach” nannte, habe sie nicht gewundert. Putin sei zwar sehr entschlossen, aber auch “dünnhäutig”. Sein wichtiges Ziel sei es, die Größe Russlands wiederherzustellen und er passe mit diesem Denken und seinem autokratischen Methoden nicht ins 21. Jahrhundert. Europa und die USA müssten gemeinsam Härte zeigen und Sanktionen durchsetzen, damit Putin einlenke und sich die Ukraine in Richtung Demokratie entwickeln könne.

Wie angekratzt das deutsch-amerikanische Verhältnis ist, zeigt eine Infratest-Umfrage, die Jauch hat erstellen lassen. Zwar halten demnach 66 Prozent der Deutschen die USA für fortschrittlich, doch sieben von zehn Bundesbürgern empfinden Washington als machtgierig und nur noch 27 Prozent stufen die USA als vertrauenswürdig ein. Dass diese Zahlen nach der Enthüllung des BND-Maulwurfs weiter sinken werden, stört die Optimistin Hillary Rodham Clinton nicht: “Das ist enttäuschend, aber wir arbeiten daran, das Verhältnis zu verbessern.”

In den letzten zehn Minuten muss Jauch noch weitere Fragen abarbeiten, von denen Clinton viele bereits am Sonntagmorgen im Berliner Schillertheater gestellt wurden. Wie sie auf den kürzlich erschienenen Artikel von Monica Lewinsky, der Ex-Geliebten ihres Mannes reagiert habe, will Jauch wissen. Das interessiere sie nicht, sie sei darüber hinweg und sie habe vergeben, so Clinton.

Für seine Neugier wird der Moderator von den deutschen Gästen getadelt: Es sei nicht mehr nötig, danach zu fragen. Jauchs pflichtschuldigen Hinweis, dass in den langen und harten amerikanischen Wahlkämpfen dies sehr wohl ein Thema sei, kontern gekonnt: “Wir sind hier aber in Deutschland.”

Kandidaten für US-Präsidentschaft 2016 Mal wieder Bush gegen Clinton?

Auf die Frage, ob sie 2016 wieder antreten wolle, um Präsidentin zu werden, gibt Clinton ihre Standardantwort. Sie freue sich darauf, bald Großmutter zu werden und diese Premiere wolle sie genießen. Wenn die Kongresswahlen im November vorbei seien, dann wolle sie abwägen, was die Entscheidung für sie und ihre Familie bedeute: “Ende dieses Jahres oder Anfang des kommenden Jahres werde ich mich äußern.”

Die Sendung, die mit Äußerlichkeiten begann und nicht recht in die Tiefe gehen wollte, endet dann wieder mit Nebensächlichkeiten. Hillary Clinton, die übrigens einen leuchtend blauen Hosenanzug trägt, guckt nochmals belustigt auf eine Aufnahme aus dem Jahr 2003 an: Genau vor elf Jahren saß sie bei im Studio – neben der damaligen Oppositionsführerin Angela Merkel.

Und noch etwas interessiert, der sich sichtlich nach der Sommerpause sehnt: Wer solle sie denn in dem geplanten Film über die Clinton-Familie spielen? Sie hoffe, dass Meryl Streep diese Rolle übernehme, sagt Hillary Clinton, die an diesem Abend die Chefin im Studio war. Ihre Begründung zeigt, dass diese Frau in ganz anderen Dimensionen denkt als ihr Gastgeber: “Meryl Streep ist die beste Schauspielerin der Welt.” Drunter macht es eine Hillary Clinton nicht.

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