Save the Free Trade Agreement with the US

<--

Rettet das Freihandelsabkommen mit den USA!

Ein Handelsabkommen ist weder Liebesheirat noch Handschlaggeschäft, sondern ein Vertrag mit Vorteilen für beide Seiten. Deshalb darf man den Streit über die US-Spionage nicht mit TTIP vermischen.

Wolfgang Bosbach ist in der Union ein angesehener Mann. Dass ausgerechnet der bekannte CDU-Innenexperte die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA unterbrechen will, zeigt zweierlei: Das Verhältnis der Deutschen zu den Amerikanern ist seit Bekanntwerden der amerikanischen Spionageversuche unglaublich mies. Man fühlt sich in Berlin ausgenutzt und hintergangen.

Und: Das TTIP-Abkommen gilt hierzulande nicht als eine Vereinbarung, die beiden Seiten Vorteile bringen soll. Im Gegenteil. TTIP erscheint vielen als Vertragswerk zulasten der Europäer und damit auch zum Nachteil der Deutschen. Teufelszeug, das nur den Amerikanern nutzt.

Gefährlich irrational ist diese Sichtweise. Für uns alle, die wir von einem stärkeren Handel quer über den Atlantik profitieren könnten. Sicher, die Spionageversuche der USA sind keine Bagatelle. Die Bundesregierung täte gut daran, sie aufzuklären und notfalls entsprechend zu reagieren.

Nur mit dem Welthandel, mit TTIP und der deutschen Exportwirtschaft hat das Ganze nichts zu tun. Deutsche Politiker sollten aufhören, zwischen beiden Themen einen Zusammenhang zu konstruieren, indem sie behaupten, wer sich in Spionagefragen nicht vertrauen könne, der könne das auch nicht beim Handel. Denn das ist Unfug.

Es geht um Freihandel, nicht um Freiheitsrechte

Ein Freihandelsabkommen ist keine Liebesheirat. Und es ist auch kein Handschlaggeschäft, bei dem man den mündlichen Zusagen der Gegenseite nach einem tiefen Blick in die Augen rückhaltlos vertrauen muss. Es ist ein Abkommen zwischen zwei Wirtschaftsblöcken – im Fall von TTIP den Europäern und den USA –, mit dem das Wirtschaftswachstum auf beiden Seiten gefördert werden soll. Zum Nutzen aller Unterzeichner.

Haarklein wird in diesem Vertrag festgelegt, wer was zu welchen Bedingungen darf. Zölle, Umwelt- und Sozialstandards werden beschrieben. Hier geht es nicht um Freiheitsrechte versus Freihandel. Hier geht es um mehr Wachstum durch Handel für beide Seiten. Die Exportnation Deutschland müsste sich dafür aus ganzem Herzen begeistern können.

Stattdessen ist gerade hierzulande der Widerstand gegen TTIP groß. Das geplante Freihandelsabkommen mit den USA schweißt Globalisierungsgegner, Umweltgruppen und Kapitalismuskritiker in ihrem Widerstand zusammen. Alle, die sich berufen fühlen, die Welt irgendwie zu verbessern, sind dabei. Amerika als Gegner eint.

Was aus den vielen Menschen wird, die ihren Lebensunterhalt in Exportbetrieben verdienen, nicht nur in den Großkonzernen, auch im deutschen Mittelstand, interessiert diese Wohlmeinenden nicht. Dass Deutschlands Wohlstand nicht aus dem Tourismus, sondern aus dem internationalen Geschäft seiner Industrie stammt, spielt für sie keine Rolle. Von Beginn an ging es vielen Gegnern des TTIP-Abkommens weniger um die durchaus berechtigte Kritik an den einzelnen Verhandlungsthemen. Es ging gegen TTIP per se.

Kleinmütige und Ängstliche bestimmen öffentliche Meinung

Dabei gibt es jede Menge, worüber sich in den laufenden TTIP-Gesprächen ganz konkret streiten ließe – aber nicht um das Abkommen zu verhindern, sondern um es zu verbessern. Aus deutscher Sicht etwa sind die Knackpunkte vor allem Umwelt- und Lebensmittelstandards. TTIP heißt für die Gegner, dass diese hart erkämpften Standards abgesenkt werden. Als gäbe es dazu keine Alternative. Vor genmanipulierten Lebensmitteln aus den USA und den berüchtigten Chlorhähnchen fürchtet man sich hier mehr als vor Stagnation und Arbeitslosigkeit.

Die Angst vor einer Investitionsschutzklausel, die es Unternehmen erlauben könnte, nationale Gesetze per Klage auszuhebeln, wird gegen TTIP angeführt. Allein die Intransparenz in den Verhandlungen der EU mit den USA gilt aus Sicht der Gegner als ausreichender Grund, das Ganze am besten zu stoppen. Die Kleinmütigen und Ängstlichen bestimmen die öffentliche Meinung.

Der europäischen Politik ist die Debatte längst entglitten. Den Großteil der Bevölkerung erreicht sie mit ihren durchaus richtigen Argumenten für das Abkommen nicht. Sie scheitert an der Aufgabe, der Bevölkerung die potenziellen Vorteile von TTIP zu vermitteln.

Dabei sollten zwei so große Wirtschaftsblöcke durchaus fähig sein, ein Geschäft mit Gewinn für beide Seiten auszuhandeln. Sachlich und ohne Gefühlsduselei müssen die Europäer, auch die Deutschen, ihre Forderungen stellen. Sie sollten klarmachen, was ihnen wichtig ist und wo die Kompromissbereitschaft endet.

Merkel und Gabriel kämpfen viel zu zaghaft

Alle Beteiligten werden Zugeständnisse machen, wenn sie an dem Vertrag interessiert sind. Auch die Amerikaner, die sich bislang auf den Standpunkt stellen, europäische Normen schleifen zu können. Am Ende – ursprünglich geplant war Ende nächsten Jahres – wird man ein Abkommen auf dem Tisch haben, dem entweder alle Verhandlungspartner zustimmen können, weil die Geschäftsaussichten danach deutlich besser sind. Oder TTIP wird nicht Realität, weil man sich in wichtigen Punkten nicht geeinigt hat. Das wäre dann eine verpasste Riesenchance, die auf absehbare Zeit nicht wiederkommen wird.

Angela Merkel weiß das. Ihr Bundeswirtschaftsminister, SPD-Chef Sigmar Gabriel, weiß das auch. Dennoch kämpfen sie in der Heimat bislang viel zu zaghaft für TTIP. Das Abkommen gilt in der deutschen Politik nun einmal nicht als ein Thema, mit dem man die Wähler hinter sich bringt. Wenn es schiefgeht oder zumindest nicht richtig gut wird, so die Einschätzung, liegt die ganze Verantwortung besser in Brüssel. Diese Taktik ist in Berlin nicht neu.

Die politische Einschätzung mag richtig sein. Nur birgt sie ein Problem. Die EU-Kommission, die die Verhandlungen führt, hat aus Sicht vieler europäischer Wähler nicht die Legitimation, solche Verträge zu schließen. Und sie hat offenbar auch nicht die Kraft, um sich gegen die selbstbewussten Amerikaner durchzusetzen. Ihr undurchsichtiges Verhandlungsgebaren gibt den Kritikern unnötig Auftrieb.

Eine Chance, das Freihandelsabkommen trotz all der Kritik in den Augen einer breiten deutschen Öffentlichkeit zu retten, ist vermutlich nur noch durch den Einsatz der Kanzlerin möglich. Immerhin genießt Angela Merkel in ihrer dritten Amtsperiode das Vertrauen der Menschen. Zwei Drittel wünschen sich heute, dass sie 2017 wieder als Kandidatin der Union antritt. Wenn ihr das nicht das Mandat gibt, dieses für den deutschen Wohlstand so wichtige Abkommen zur Chefsache zu machen, was dann?

About this publication