Die Folter-Debatte wird politisch missbraucht
Republikaner und Demokraten wittern eine Chance, die jeweils andere Partei als Werteverräter bloßzustellen, um den kommenden Wahlkampf zu beeinflussen. Ist das in Ordnung? Nein, aber so ist Politik.
Der UN-Sonderbeauftragte zum Thema “Antiterrorkampf und Menschenrechte” hat gefordert, alle Verantwortlichen für die amerikanischen Verhörmethoden gegenüber Al-Qaida-Internierten vor Gericht zu bringen. Die “kriminelle Verschwörung” für “systematische Verbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen” müsse “entsprechend hart bestraft werden”. Dasselbe möchte die in der Demokratischen Partei durchaus einflussreiche linksliberale amerikanische Bürgerrechtsgruppe ACLU.
Bush und Cheney haben sich ohne Wenn und Aber vor den Geheimdienst gestellt. Ihre Gegner sagen, auf solche Weise bettelten beide förmlich darum, vor Gericht zu kommen.
Die Republikaner und die CIA wehren sich mit einer Leidenschaft, die nicht einfach nur der Aufschrei von Ertappten ist. Erstens, sagen sie, sei Waterboarding, unter höchstem Ermittlungsdruck eingesetzt, nach US-Recht keine Folter, sondern legal. Alle Special-Forces-Rekruten würden ihm unterzogen – nicht aus Sadismus, sondern damit sie ihren seelischen Bruchpunkt kennen. Obamas Justizministerium habe die Vorgänge geprüft und keine Anklage erhoben.
Zweitens seien die Vernehmer der Al-Qaida-Internierten nicht vom Senat angehört worden. Das nun widerspreche US-Recht. Drittens stimme es nicht, dass die Methoden kontraproduktiv waren. Entscheidende Hinweise entstammten der Kombination aus normalen und verschärften Verhören.
Unamerikanisch oder nicht?
Man muss dem wahrlich nicht in allen Punkten folgen. Aber aus der Luft gegriffen sind die Gegenvorwürfe auch nicht – jedenfalls in den Augen von US-Wählern, denen der 11. September 2001 so tief in den Knochen steckt wie Pearl Harbor. Der Folterbericht, so widerlich er sich liest, ist kein Schlussstrich unter ein schlimmes Jahrzehnt. Ein ohnehin polarisiertes Land, das auf eine Präsidentenwahl zusteuert, bekommt vielmehr ein weiteres Thema, an dem sich die Geister scheiden.
Die Demokraten wollen uneinsichtige Republikaner als “unamerikanisch” darstellen. Die Republikaner wittern eine Chance, die Demokraten vor dem Wahljahr als diejenigen hinzustellen, die das Geschäft des moralisch empörten, aber gegenüber dem Terrorismus hilflosen Auslands betrieben, wenn nicht sogar das Geschäft der Terroristen selbst.
Ermittlungen durch den UN-Gerichtshof in Den Haag würden deshalb an Washingtons Veto scheitern. Aber die USA haben die Antifolterkonvention der UN ratifiziert. Nationale Initiativen gegen US-Verantwortliche ebenso wie gegen regierungsamtliche Helfer in Übersee sind denkbar. Das spanisch-britische Vorgehen gegen Chiles einstigen Diktator Augusto Pinochet zeigt, was möglich wäre.
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