Obama’s Strategic Punt

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Obamas Befreiungsschlag

Von HINNERK BERLEKAMP

18. DEZEMBER 2014

Barack Obama mit Raul Castro im Dezember 2013.Foto: REUTERS

Der Kalte Krieg zwischen den USA und Kuba hat schon mehr als genug Verlierer hervorgebracht. Enden aber könnte er mit zwei Siegern. Washington ergreift die Chance, das Vertrauen Lateinamerikas zurückgewinnen.

Kriege, heiße wie kalte, enden meist mit einem Sieger und einem Verlierer, gelegentlich auch mit zwei Verlierern. Der Kalte Krieg zwischen den USA und Kuba, der jetzt hoffentlich zu Ende geht, hat Verlierer schon mehr als genug hervorgebracht. Enden aber könnte er mit zwei Siegern.

Als Sieger fühlen kann sich auf jeden Fall die kubanische Führung: Sie hat für die Einigung kein einziges der öffentlichen Zugeständnisse gemacht, die die letzten zehn US-Präsidenten von ihr als Vorbedingung für jede Wiederannäherung gefordert hatten. Von gleich zu gleich, im gegenseitigen Respekt könne man über alles reden, hatten sie in Havanna stets verkündet, doch vermutlich glaubten Fidel und Raúl Castro selbst kaum daran, dass sie diesen Tag noch erleben würden. Nun ist er da.

Aus dem Triumph der Brüder Castro auf der einen Seite lässt sich aber keinesfalls schließen, dass Barack Obama auf der anderen Seite verloren hätte. Was hatte er mit der Blockadepolitik seines Landes gegen den kleinen Nachbarn denn zu schaffen? Der liberalere Flügel seiner Politiker-Generation in den USA drang schon lange auf eine schrittweise Normalisierung der Beziehungen. Obamas Argument vom Mittwoch, die Blockade habe „über Jahrzehnte unsere Interessen nicht vorangebracht“, beschreibt das Scheitern seiner Vorgänger, nicht sein eigenes Scheitern. Es ist nichts als eine nüchterne Beschreibung dessen, was ist und was sich ändern muss. Und damit ein Arbeitsauftrag für einen Präsidenten wie Obama, der Politik eher pragmatisch als ideologisch begreift.

Globalstrategische Interessen stehen auf dem Spiel

Um Kuba selbst oder um die Beziehungen zwischen beiden Ländern geht es ihm dabei bestenfalls am Rande. Die 1,2 Milliarden Dollar im Jahr, die US-Firmen nach Berechnungen des Handelsministeriums in Washington durch die Wirtschaftsblockade entgehen, sind ein eher zu vernachlässigender Betrag. Das Ein-Parteien-System, an dem die kommunistische Führung in Havanna eisern festhält, ist aus Sicht der USA zwar ein Ärgernis. Aber eine wirkliche Bedrohung ihrer Interessen in der Region ist es beileibe nicht, zumal selbst die größten Bewunderer der Castros ihnen in diesem Punkt nicht folgen.

Wenn die Insel aber, bei Lichte betrachtet, so unbedeutend ist für die USA: Warum legt sich Obama dann um ihretwillen auf seine alten Tage mit dem Kongress an? Gerade erst hat er mit seiner Einwanderungsreform, die vor allem Migranten aus Zentralamerika zugutekommt, seine Vollmachten als Präsident bis aufs Äußerste strapaziert. Warum riskiert er jetzt ein zweites Mal die Konfrontation mit den neokonservativen Hardlinern, die obendrein mit dem Helms-Burton-Gesetz zur Blockade Kubas das geltende Recht auf ihrer Seite wissen?

Die Antwort ist die gleiche wie im Fall der Einwanderer ohne Papiere: weil globalstrategische Interessen der USA auf dem Spiel stehen. Lateinamerika, auf das sie als Rohstoffquelle wie als Absatzmarkt nicht verzichten können, hat aufgehört, sich als Hinterhof der USA zu begreifen. Dieser Prozess, der in der kubanischen Revolution 1959 seine Initialzündung hatte, hat seit der Jahrtausendwende eine neue Qualität erreicht.

Mitverantwortung dafür trägt die Bush-Regierung, die in ihrer Fixierung auf den angeblichen Krieg gegen den Terror die Nachbarn im Süden einfach ignorierte. Viel wichtiger jedoch ist der Aufschwung Chinas. Noch nicht in Mexiko, aber umso mehr in Brasilien, Argentinien, Ecuador und weiteren Ländern der Region hat die neue Großmacht aus Asien die USA als wichtigster Handelspartner und im Fall der Fälle auch als wichtigster Geldgeber abgelöst.

Die mehrheitlich linken Regierungen in Südamerika, die von ihren Bürgern ein ums andere Mal bestätigt werden, sind für finanzielle Erpressungsversuche aus Washington, wie sie noch in den 1990er-Jahren gang und gäbe waren, kaum noch anfällig, und sie kosten ihre neue Freiheit aus. Wer eine vergleichbare Emanzipationsbewegung sucht, muss schon bis zur Entkolonialisierung Afrikas zurückgehen.

Wollen die USA das verlorene Terrain wenigstens mittelfristig zurückgewinnen, müssen sie sich zunächst wieder als vertrauenswürdiger Partner anbieten. Und damit kamen die Migranten, und damit kommt Kuba ins Spiel. Denn die Regierungen Lateinamerikas – und nicht nur die linken unter ihnen – haben diese beiden Fragen zum Lackmustest für die USA erklärt. Sollte Raúl Castro keine Einladung zum Amerika-Gipfel in Panama im Frühjahr erhalten, würden auch sie geschlossen fernbleiben und das Treffen, das nach seinen Statuten doch ausdrücklich nur repräsentativen Demokratien offensteht, platzen lassen, drohten sie. Und diesmal ging es nicht mehr um Symbolik, es ging ums Prinzip.

Obama musste zwei Mal liefern, und er hat geliefert. Er hat sich, sein Land und den Kontinent von einer alten Last befreit. Wenn das kein Sieg für ihn ist – was ist es dann?

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