Clintons Kandidatur um die US-Präsidentschaft: Die große Bekannte
Sie tritt an, Amerikas Wahlkampf hat begonnen. Die Chancen der Bewerberin sind besser denn je, so gut wie jeder Amerikaner kennt sie. Fünf Gründe, die für Hillary Clinton sprechen.
Diesmal ist alles anders; soll auch anders sein. Zwar startet Hillary Clinton ihre zweite Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten genau wie die erste, die gescheiterte: indem sie ein Video ins Netz stellt.
Da aber enden die Gemeinsamkeiten mit ihrem Anlauf im Jahr 2007 dann auch schon.
Damals saß sie in ihrem Wohnzimmer, sendete von dort aus einen müden Monolog, die generelle Botschaft damals: “Ich trete an, um zu gewinnen.” Unvermeidlich schien ihr Sieg, unvermeidlich schien er offensichtlich vor allem ihr selbst. Dann kam Barack Obama.
Diesmal sieht man Hillary Clinton in den ersten eineinhalb Minuten ihres Werbevideos überhaupt nicht, stattdessen Amerikaner aus allen Lebenslagen: Arbeiter, Rentner, Frauen, immer wieder Frauen, ein homosexuelles Paar, Latinos, Weiße, Schwarze. Ganz am Ende erst taucht Clinton auf, sagt, sie wolle Vorkämpferin für den Durchschnittsamerikaner sein. Die Botschaft diesmal: “Ich will mir Eure Stimme verdienen.”
Das Video, so der Plan, soll eine andere, eine neue Clinton einführen. Hillary, die Zuhörerin. Das ist nicht unkompliziert, wenn man bedenkt, dass sie seit nunmehr einem Vierteljahrhundert fester Bestandteil des politischen Ensembles der Republik ist. Jeder kennt Clinton, jeder hat ein ganz bestimmtes Bild von ihr.
Die 67-Jährige wird in den kommenden Wochen durch wichtige Vorwahlstaaten touren, Iowa und New Hampshire stehen ganz vorn auf der Liste. Ihre erste große Kundgebung soll es erst im Mai geben, bis dahin steht der direkte Kontakt mit kleinen Wählergruppen im Zentrum. Diesmal sendet Clinton nicht abgehoben ihre Botschaften aus dem heimischen Wohnzimmer, diesmal will sie in die Wohnzimmer der anderen gehen.
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10 BilderPräsidentschaftsbewerbung: Hillarys Aufstieg
So soll aus der vermeintlich unvermeidlichen, abgehoben wirkenden Bewerberin von 2008 die de facto unvermeidliche, demütige Bewerberin 2016 werden. Clinton hat diesmal tatsächlich die besten Chancen – nicht nur auf die Kandidatur, sondern auch aufs Weiße Haus.
Fünf Gründe, warum sie gewinnen kann:
Erstens: In den parteiinternen Vorwahlen ist sie allen potenziellen Rivalen haushoch überlegen, wirklich allen. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass ein Messiaskandidat wie Obama auftaucht. Anders als 2008 verfügt Clinton über ein ausgeprägtes Netzwerk lokaler Aktivisten, in Umfragen unter Demokraten kommt die Bewerberin im Schnitt auf 60 Prozent. Weit abgeschlagen folgen die Senatorin Elizabeth Warren sowie Vizepräsident Joe Biden, beide liegen bei rund zwölf Prozent. Doch weder Biden noch Warren werden wohl antreten. Bleiben bislang noch der Ex-Gouverneur Martin O’Malley, der Sozialist Bernie Sanders oder der Ex-Senator Jim Webb. Keiner von ihnen liegt bei mehr als fünf Prozent. Finanziell wird ohnehin niemand an Clinton herrankommen, für den Wahlkampf wird eine Rekordsumme von 2,5 Milliarden Dollar veranschlagt.
Zweitens: Die von der rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung unterwanderten Republikaner werden es ihrem Kandidaten letztlich schwer machen, ein Profil der Mitte zu entwickeln; insbesondere bei den wichtigen Wählergruppen Latinos und Frauen drohen Schwierigkeiten. Clinton dagegen setzt – siehe Bewerbungsvideo – auf ein breites Bündnis: Sie will nicht nur die Obama-Koalition erben (Latinos, Schwarze, junge Leute), sondern setzt auch auf ihre althergebrachten Stärken bei Rentnern, Arbeitern und natürlich Frauen. Gelingt ihr diese Obama-Koalition plus , wäre sie nur schwer zu schlagen.
Drittens: Clinton hat eine Message , ein mögliches Gewinnerthema: soziale Gerechtigkeit. Schon Obama setzte dies im Wahlkampf 2012 offensiv ein, im kommenden Jahr wird die Ausgangslage noch besser sein: Denn der Aufschwung ist zwar da, aber die Mittelschicht profitiert nicht. Clinton kann die Frage der Umverteilung stellen – und damit punkten. Seit über einem Jahrzehnt gab es für die breite Masse der Amerikaner keine Lohnsteigerungen mehr, zudem ist Equal Pay für Frauen ein großes Clinton-Thema. Kein Zufall, dass ihr erstes Video die Wirtschaft ins Zentrum stellt. So gewann schon Ehemann Bill die Präsidentschaft. Die Republikaner mit ihren Rufen nach weniger Staat und Steuersenkungen wirken wie aus der Zeit gefallen.
Viertens: Sie hat ein besseres Team als 2008. Damals nahmen die internen Rivalitäten überhand, Obamas Vorwahlsieg in Iowa versetzte der Clinton-Maschinerie einen Schock, von dem sie sich nicht mehr erholte. Diesmal hat Clinton einen 35-jährigen Daten-Nerd zu ihrem Wahlkampfmanager gemacht, der bei den Demokraten als “Wunderwaffe” gilt: Robby Mook. Seine jüngste Weisung ans Team: Man solle sich bitteschön als Familie verstehen.
Fünftens: Bill Clinton zeigt sich richtiggehend altersweise und könnte seiner Frau im Wahlkampf helfen, statt wie 2008 durch Querschüsse aufzufallen und mit seinen alten Freunden ein quasi eigenes Team innerhalb der Clinton-Kampagne zu betreiben. “Solange wir uns nicht dem Wahltermin nähern, ist meine Rolle die eines Beraters hinter den Kulissen”, verkündete Bill gerade. Pluspunkt.
All das also könnte für den Einzug ins Weiße Haus sprechen. Eine Garantie ist das natürlich nicht. Bis zum Wahltag sind es jetzt exakt 576 Tage, da kann einiges schiefgehen:
Gereicht Clinton ihr relativ hohes Alter zum Nachteil?
Wollen die Amerikaner wirklich eine Clinton-Dynastie im Weißen Haus?
Wie gehen Clintons enge Beziehungen zur Wall Street mit ihrem Kleine-Leute-Wahlkampf zusammen?
Sollte sie keine echten Gegner in den Vorwahlen haben, ist sie dann überhaupt trainiert für den Kampf gegen die Republikaner?
Kann sie aus ihrer Haut heraus, raus aus der ewigen Defensive, dem Misstrauen gegen die Presse, der Geheimniskrämerei?
Keiner ist so anfällig für Skandale und Skandälchen wie die Clintons – hat sie das diesmal im Griff?
Tatsächlich, es kann viel schiefgehen.
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