Gefährliches Zuwarten des Fed
Trotz solider Wirtschaftslage hält die amerikanische Notenbank an der Nullzinspolitik fest. Das ist ökonomisch schwer nachvollziehbar und mit mehr Risiken als Chancen verbunden.
Die amerikanische Notenbank hat sich am Donnerstag gegen eine Zinserhöhung entschieden. Vielen sehr jungen Investoren, die nur eine Welt sinkender und rekordtiefer Zinsen kennen, bleibt damit eine Horizonterweiterung verwehrt. Dass der Preis für Geld nämlich auch steigen kann, weiss diese Generation bestenfalls vom Hörensagen. Letztmals war dies in den USA im Juni 2006 der Fall – in einer aus heutiger Sicht schon fast prähistorisch wirkenden Zeit, als es weder Twitter noch Whatsapp gab, Grossbritannien von einem gewissen Tony Blair regiert wurde, Saddam Hussein in einem Bagdader Gefängnis schmorte und Alan Greenspan noch als erfolgreicher Notenbanker galt.
Das geldpolitische Zuwarten ist ökonomisch schwer nachvollziehbar. So präsentieren sich die USA in einer derzeit durchaus soliden Verfassung. Die Wirtschaft ist im zweiten Quartal um respektable 3,7 Prozent gewachsen, die Konsumenten zeigen sich ausgabefreudig, die Unternehmen schaffen in hohem Tempo neue Stellen, und die Arbeitslosenquote liegt mit 5,1 Prozent auf einem Niveau, das dem Ziel einer Vollbeschäftigung sehr nahe kommt und wohl selbst mit noch expansiveren Geldpolitiken kaum weiter gesenkt werden kann. Die Beibehaltung der Nullzinspolitik erscheint in diesem Kontext als äusserst erklärungsbedürftig.
Doch für das Fed, das sich gern als eine von Daten gesteuerte Behörde präsentiert, gibt es noch immer einige Tolggen im Reinheft: Dazu gehört neben den jüngsten Finanzmarktturbulenzen auch die tiefe Inflation. Die geringe Teuerung ist aber nicht zuletzt dem Sinkflug der traditionell volatilen Energiepreise geschuldet. Irritieren muss, dass dieser Makel und die Sorgen mit China vom Fed erneut stärker gewichtet werden als die offenkundigen Fortschritte. Es bestätigt sich der Eindruck einer stark asymmetrisch agierenden Notenbank: Auf Eintrübungen reagiert sie rasch und aggressiv, Aufhellungen müssen dagegen heller als hell sein, damit sie die extrem lockeren Zügel auch nur minim anzieht.
Mit solcher Asymmetrie setzt das Fed nicht nur seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Mit der neuerlich auf die lange Bank geschobenen Normalisierung der Geldpolitik bleibt auf absehbare Zeit auch die Steuerungsfunktion des Zinses ausser Kraft gesetzt. Wenn Geld jedoch nichts kostet, setzen sich die Fehlinvestitionen und Übertreibungen an den Märkten fort. Damit wird die Saat gelegt für künftige Finanzkrisen. Diese Krisen werden umso schwerer ausfallen, je länger mit der Korrektur einer völlig verqueren Anreizstruktur zugewartet wird. Das müsste eigentlich auch dem Fed, das zusehends als Quelle der Instabilität erscheint, bewusst sein.
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