Santa Claus in T-Shirt und Shorts
Das Jahr 2015 war in den USA das wärmste Jahr seit Menschengedenken. Das Negieren des anthropogenen Klimawandels ist in den Vereinigten Staaten aber immer noch sehr weit verbreitet.
Kolumnevon Ronald D. Gerste22.12.2015, 15:18 Uhr
(Bild: Imago)
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Wenn Sicherheit sexy ist
Auf sparsamer Testfahrt in der Präsidenten-Suite.
In Amerikas bekanntestem Weihnachtsgedicht «’Twas the Night before Christmas» wird die Ankunft von «St. Nicolas» beschrieben, der sich durch den Kamin zwängt, um die von braven Kindern bereitgestellten Strümpfe mit Geschenken zu füllen. Der Blick nach draussen offenbart eine winterliche Idylle, in der «the moon on the breast of the new-fallen snow» das Szenario mit den acht Rentieren illuminiert. Der Autor des reizenden Gedichtes von 1823 hiess Clement Moore, er war Professor für klassische Sprachen in New York.
Hot Dogs im Garten
Könnte Professor Moore heute die Weihnachtstage in seiner Heimatstadt oder etwas weiter südlich, hier bei uns in der Region Washington, erleben, er würde sich wundern. An Neuschnee ist überhaupt nicht zu denken, und wenn die Vorhersagen stimmen, wird man an Heiligabend problemlos im Garten stehen und Hot Dogs grillieren können. Santa Claus dürfte seine von Moore beschriebene Arbeitskleidung («dressed all in fur, from his head to his foot») gegen etwas Sommerliches tauschen. Einige Geschichtsbewusste haben unlängst des Todestages von Gründervater George Washington gedacht. Er hatte sich Mitte Dezember 1799 zu einem Ausritt über seine Plantage Mount Vernon begeben und kam mit Schneeflocken und Eiskristallen im Haar zurück, was ihm eine tödliche Infektion einbrachte. Ich gestehe, dass Wetter und Klima in diesem Jahr mein Denken und Handeln sehr dominiert haben: Mein Buch über den Einfluss beider auf unsere Geschichte ist gerade erschienen. Doch auch Menschen, die weniger oft gen Himmel oder auf das Thermometer schauen, ist deutlich geworden, dass 2015 hierzulande das wärmste Jahr seit Menschengedenken ist. Und dass Clement und George uns mit ihrer Lebenserfahrung mit der Natur viel weiter entrückt zu sein scheinen als zweihundert Jahre.
In dieser Kolumne habe ich den Leserinnen und Lesern (für deren Aufmerksamkeit und Feedback ich mich bedanken möchte) mehrheitlich über die guten, die faszinierenden, die skurrilen Seiten des Lebens in den USA berichtet. Es gibt freilich, wie in jedem Land, auch weniger Erfreuliches. Dazu gehört sicherlich das Negieren des anthropogenen Klimawandels durch grob gesprochen die Hälfte des politischen Establishments. Inzwischen haben viele US-Bürger eine andere Sichtweise als einige ihrer politischen Repräsentanten. Laut Umfragen sollen 76 Prozent überzeugt sein, dass der Klimawandel real und eine Bedrohung ist, selbst unter republikanischen Wählern ist es inzwischen mit 59 Prozent eine Mehrheit.
Vor- und Nachteile des Wachstums
Doch die Umsetzung von Massnahmen zum Klimaschutz steht nicht nur vor politischen Hürden, sondern auch vor einem Stück amerikanischer Mentalität. Nach wie vor ist Wachstum ein allzu positiv besetzter Begriff – doch gerade in boomenden Metropolen wie Washington sind die Schattenseiten längst zu spüren. Immer mehr Besiedlung, immer mehr Konglomerate von Shoppingcentern, Firmen und ganzen Ortschaften haben den täglichen Autoverkehr längst zur Qual werden lassen. Die seit Jahren erprobte Drei-Kilometer-Tramstrecke in Washington, die immer noch ihrer Eröffnung harrt, wirkt wie eine Satire, der Zustand vieler Eisenbahnlinien ebenfalls. Bleibt zu hoffen, dass das längst eingetretene Umdenken über unser Klima und der Druck der Bürger die USA endlich auch im Verkehrswesen ins 21. Jahrhundert transportieren. Und den Leserinnen und Lesern rufe ich herzlich das zu, womit sich Moores St. Nick einst verabschiedet hat: «Happy Christmas to all, and to all a good night!»
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