The Laws of Reality TV Make Trump So Dangerous

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Gesetze des Reality-TV machen Trump so gefährlich

Im gebildeten Milieu betrachtete man den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner lange aus ironischer Distanz und belächelte ihn. Jetzt merkt man zu spät, dass es ernst wird.

Langsam verdichten sich die Anzeichen, dass Donald Trump als das wahrgenommen wird, was er ist: ein ernst zu nehmendes politisches Risiko. Vor einer Woche überschrieb die unaufgeregte “Washington Post” einen Meinungsbeitrag der Harvard-Politikwissenschaftlerin Danielle Allen mit der Zeile “Der Moment der Wahrheit. Wir müssen Donald Trump jetzt aufhalten”.

Trump sei zwar vielleicht nicht ganz Hitler, aber dennoch ein Fallbeispiel dafür, wie ein “demagogischer Opportunist” von der Spaltung eines Landes profitiere.

Zwei Tage später erklärte einer der vormaligen Bannerträger des politischen Neokonservatismus in den USA, Robert Kagan, in derselben Zeitung Trump zum “Frankenstein” der Republikaner – also zu einem Geschöpf, das aus dem von den Republikanern und der Tea-Party befeuerten Anti-Government-Furor der vergangenen Jahre überhaupt erst entstehen konnte.

Nun werde die Partei den Geist, den sie rief, nicht mehr los. Kagan, der einst die Europäer auf der Venus und die Amerikaner auf dem Mars lokalisierte, unterschrieb seinen Abgesang auf die republikanische Partei mit einer persönlichen Kapitulationserklärung. Für einen ehemaligen Republikaner wie ihn gebe es nun nur noch die Wahl, für Hillary Clinton zu stimmen. “Die Partei kann nicht mehr gerettet werden, aber das Land.”

Der enthemmte Multimillionär

Einem Bericht der “New York Times” zufolge bereitet man sich inzwischen auch in Hillary Clintons Wahlkampfteam darauf vor, dass Donald Trump ernsthaft Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei werden könnte.

Die Demokraten ahnen, dass eine Kampagne gegen den enthemmten Multimillionär kein Selbstläufer wird. Der verstehe es nämlich, mit seiner ungebremsten Großspurigkeit und dem übergroßen Entrepreneur-Ego, Urängste einer verunsicherten und von Abstiegsängsten geplagten Mittel- und Unterschicht meisterhaft anzusprechen.

Während man im Clinton-Lager an einer Abwehrstrategie gegen Trump bastelt, verwandte Amerikas wichtigster linksliberaler politischer Comedian, John Oliver, in seiner Sendung “Last Week Tonight” am Sonntag 21 Minuten seiner halbstündigen Show darauf, den selbst geschaffenen Trump-Mythos zu entzaubern.

Er tat dies in erster Linie mit beinahe nüchternen, journalistischen Mitteln. Er begann mit dem Macher-Image, das Trump in den Augen seiner Anhänger genießt, um es Stück für Stück zu demontieren. Trump “sagt, was Sache ist”, “sagt, was er meint”, “sei aggressiv, stark, und selbstbewusst”, “niemand schulde ihm etwas”, ließ Oliver dessen Fans vor der Kamera schwärmen.

Der Euphorie stellte er einen Fakten-Check entgegen und dekonstruierte Trumps Fabelgebäude. Von den “bis zu 25 Millionen”, die er aus eigenen Mitteln in seinen Wahlkampf gesteckt haben will, seien bislang 17 Millionen erstattungsfähige Kredite und sieben Millionen private Kleinspenden.

Nur rund 250.000 Dollar stammten aus Trumps Privatvermögen. Oliver listete ein halbes Dutzend gescheiterter Unternehmungen Trumps auf, von Apartmentanlagen in Mexiko über Fluglinien, die Wodka-Marke Trump und den Versuch, “Trump Steaks” bei der Techniktrödelladenkette The Sharper Image zu verhökern.

Trump als Lügner zu bezeichnen, greife zu kurz, so Olivers Fazit: Ihm sei die Wahrheit vollkommen gleichgültig. Für einen Privatmann spiele das keine Rolle, für einen Präsidenten sei es fatal.

Kandidatur galt als “Entertainment”

Das Interessante an Olivers Liste Trumpscher Pleiten, Lügen und Ungeheuerlichkeiten war der Ernst, die spürbare Sorge, mit der er sie vortrug. Ausgerechnet ein Vertreter der Unterhaltungsindustrie erinnerte sich an die politische Verantwortung, die das politische Spektrum lange abgelehnt hatte.

Als Trump im vergangenen Jahr seine Kandidatur verkündete, wollte die “Huffington Post” darüber nur im Ressort “Entertainment” berichten. Diese Entscheidung hat das Onlinemedium mittlerweile revidiert, aber sie bleibt symptomatisch für die eklatante Fehleinschätzung, die sich das gesamte politische und journalistische Spektrum im Bezug auf die Trump-Kandidatur geleistet hat.

Den Millionärsdarsteller Trump, der in der Reality-TV-Show “The Apprentice” mit derselben pubertär-sadistischen Lust an der Erniedrigung Kandidaten feuerte, mit der er nun auf politische Gegner eindrischt, hielt die politisch-publizistische Elite für jemanden, der umgehend scheitern würde, sobald er sich anschickte, nach dem wichtigsten politischen Amt zu greifen, das die Wirklichkeit zu vergeben hat.

Verrohung der Sitten

Doch Trump übertrug einfach die Gesetze des Reality-TV auf die politische Arena. In Reality-TV-Formaten hatte von jeher der Lauteste und Schamloseste gute Aussichten zu gewinnen, da er dem “Es” freien Lauf ließ und das Publikum von der Zensur des Über-Ichs befreite.

Jene politischen Deutungsprofis, die bis heute ratlos vor dem Erfolg des politischen Phänomens Trump stehen, sind dabei nicht frei von Mitschuld. Am Unterhaltungswert des Rohlings haben sie sich lange selbst delektiert. Schließlich lieferte er Quote.

Seit dem Aufstieg von Reality-Formaten in den Nullerjahren hat man nicht nur im Feuilleton die dort zur Schau gestellte Verrohung der Sitten aus scheinbar ironischer Distanz betrachtet und belächelt – oder aber affirmierend gefeiert.

Während sich aber die gebildeten Schichten an den permanenten Verstößen gegen ihre ästhetischen und kulturellen Codes – Einrichtung, Frisuren, Redeweisen – erheiterten, übersahen sie, wie die Protagonisten dieser Kultur für Massen von Deklassierten zu echten Helden wurden.

Retten, was noch zu retten ist

Deren Rohheit konnte so zur Leitkultur aufsteigen, und Donald Trump verwandelte einen Präsidentschaftswahlkampf in eine Art Jerry-Springer-Talkshow. Dort endete fast jede Folge mit einer Saalschlägerei.

Trumps Erfolg legt die politische Kraftlosigkeit der Ironie des gebildeten Mainstreams offen. Auf die Wirkungslosigkeit dieser scheinbar überlegenen Geste des postmodern-popkultivierten Milieus haben Autoren wie David Foster Wallace und Jedediah Purdy schon in den Neunzigern mit wachsender Verzweiflung hingewiesen.

Nun zeigen sich die politischen Konsequenzen. Bezeichnenderweise war es gerade Barack Obamas ironisches Trashing von Trumps “Birther”-Kampagne bei einem White House Press Dinner, das den bösen Clown erst als politische Figur nobilitierte. Es ist eine beinahe ironische Pointe, wenn nun der Komiker John Oliver mit heiligem Ernst versuchen muss, zu retten, was noch zu retten ist.

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