Die USA rücken nach links
Von DANIEL HAUFLER
3.16.16.
Für den republikanischen Bewerber Trump ist Klassenkampf wichtiger als Religion. Die Demokratin Clinton spricht über soziale Gerechtigkeit. Gute Aussichten für Amerika. Und das hat man vor allem Bernie Sanders zu verdanken.
Die Vorwahlen in den USA sind entschieden. Die Demokratin Hillary Clinton hat ihren Konkurrenten Bernie Sanders bei den bisherigen Entscheidungen so deutlich besiegt, dass ihr die Präsidentschaftskandidatur de facto nicht mehr zu nehmen ist. Und bei den Republikanern konnte keiner Donald Trump etwas entgegensetzen. Der Milliardär und Reality-TV-Star wird zwar womöglich nicht die absolute Mehrheit der Delegiertenstimmen beim Parteikonvent im Sommer erhalten, aber er liegt so weit in Führung, dass niemand ihm die Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten streitig machen kann.
Das Paradoxe an dem Ergebnis dieser Vorwahlen ist: Die Liberalen und Linken dürfen sich freuen. Besser hätte es für sie gar nicht laufen können, obwohl ihr Kandidat Sanders nicht gewinnen wird und obwohl bei den Republikanern überhaupt kein moderater Kandidat angetreten ist. Der noch anstehende Wahlkampf wird die Vereinigten Staaten endlich wieder ein Stück nach links rücken und den politischen Diskurs auf absehbare Zeit prägen.
Wie kann das sein? Zu allererst einmal: dank Bernie Sanders. Der Senator hat die soziale Frage in das Zentrum seines Wahlkampfes gerückt und Hillary Clinton mit Erfolg unter Druck gesetzt. Anfangs waren ihre Positionen noch eher wirtschaftsliberal geprägt, ähnlich wie die ihres Mannes Bill Clinton. Der hatte in den 90er Jahren als Protagonist der „New Democrats“ das Freihandelsabkommen Nafta durchgesetzt, das viele Industriearbeiter ihre Jobs kostete. Zudem kürzte er Sozialleistungen und deregulierte die Finanzmärkte so stark, dass es zu den Spekulationsexzessen kommen konnte, die 2008 eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise auslösten.
Bill Clintons Politik entfremdete viele einst demokratische Wähler von der Partei, allen voran junge Menschen, Angehörige ethnischer Minderheiten und Arbeiter. Erst Barack Obama stellte sich erfolgreich der Vorherrschaft der New Democrats in der Partei entgegen – vor allem in seinem Wahlkampf gegen Hillary Clinton 2008. Die Vorwahlen gewann er nicht nur, weil er anders als Clinton vernünftigerweise gegen den Irakkrieg gewesen war, sondern weil er ihre Nähe zu den großen Banken und Konzernen scharf kritisiert hatte.
Daran erinnert sie Sanders derzeit fast täglich, wenn er sie als Freundin der Wall Street und der Großkonzerne karikiert und dies gewiss bis zum Ende der Vorwahlen tun wird. Unter diesem Druck distanziert sich Clinton von der Politik ihres Mannes und rückt immer weiter nach links. So lehnt sie mittlerweile weitere Freihandelsabkommen ab und tritt weit energischer für mehr soziale Gerechtigkeit ein als noch vor Monaten. Diesen Kurs kann sie von Sommer an im Kampf um die Präsidentschaft gegen den Republikaner Trump nicht mehr grundlegend ändern.
Der Erfolg des Milliardärs wiederum lebt erstaunlicherweise ebenfalls von der sozialen Frage. Anders als alle anderen republikanischen Kandidaten geriert er sich überhaupt nicht als Vertreter des „small government“, also einer Philosophie, nach der sich die Regierung aus den meisten Bereichen des Lebens ihrer Bürger heraushalten soll. Im Gegenteil. Er will die Sozialversicherungen und die Krankenversicherung für Senioren und Behinderte erhalten und ausbauen. Er lehnt zwar Obamas Gesundheitsreform ab, möchte sie aber nicht ganz abschaffen, sondern überarbeiten. Die europäischen Gesundheitssysteme hält er sogar für besser, weil sie effektiver und damit billiger sind – bisher undenkbar für die Republikaner. Und wer soll eigentlich die Mauer an der mexikanische Grenze bauen lassen, die ja letztlich eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wäre? Der Staat.
Diese, sicher nicht sonderlich ausgereiften, Ideen werden von Trumps Anhängern gefeiert und sichern ihm die Unterstützung der Arbeiter und Handwerker. Sie begrüßen geradezu euphorisch seine Propaganda gegen die Eliten in Washington und an der Wall Street. Selbst religiöse Fundamentalisten mit geringem Einkommen wählen Trump, weil er die sozialen Probleme thematisiert. Klassenkampf ist wichtiger als Religion. Dieses Erfolgskonzept hat der Milliardär von Anfang an erkannt.
Für die Republikaner ist das eine Katastrophe. Trumps Anti-Establishment-Kampagne trifft mit voller Wucht auch die Parteielite, die mit ihrer Politik die soziale Spaltung seit Jahrzehnten forciert hat. Die Republikaner werden so zum Opfer ihrer Propaganda. Plötzlich werden sie als das Establishment entlarvt – und der Zorn der Basis richtet sich weniger gegen Obama als gegen die Republikaner im Kongress und ihre Freunde in der Wirtschaft. Bei den Wahlen zu Senat und Repräsentantenhaus werden zahlreiche Kandidaten der Partei darunter zu leiden haben.
Auf der anderen Seite kann eine nach links gerückte Hillary Clinton die demokratischen und moderaten Wähler gewiss für ein Programm begeistern, das mehr soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit verspricht. Keine schlechten Aussichten für Amerika also – sofern es nicht bei Wahlkampfparolen bleibt.
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