Trump, “der blonde Berlusconi” der USA
Von Norbert Mayer
05.03.2016
Aus der Distanz sehen britische Wochenzeitschriften den republikanischen Spitzenreiter als ein abstoßendes Beispiel für den US-Wahlkampf. Am härtesten geht ein Leibblatt der Konservativen mit dem Milliardär um.
Kann Donald Trump tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden? Der Mediator meint: Aber ja! „It’s a free country.“ Immerhin ist es doch schon fast zwölf Jahre her, dass ein verhaltensauffälliger Multimillionär ins Rennen geschickt wurde, der die Wahl für die Republikaner dann auch gewonnen hat. Warum sollen sie also nicht einen demagogischen Multimilliardär nominieren, der so tut, als würde er nicht zum Establishment gehören?
Umbruchzeiten begünstigen Bizarres. Allein in den vergangenen 40 Jahren gab es einen blauäugigen Erdnussfarmer, einen charismatischen B-Movie-Star und ein Trailer-Park-Kid, die den (trügerischen) Eindruck vermittelten, sie erneuerten das System. Die alten Netzwerke aber besorgten ihnen Geld und Apparate für Wahlkämpfe.
Die Schönheit der Demokratie besteht nicht zuletzt darin, dass sich alle irren dürfen. Wie aber sehen britische Medien, Blätter also aus dem neuzeitlichen Mutterland von Freiheit und Gleichheit, die laufenden Kampagnen in ihren seit 1776 abspenstigen Ex-Kolonien? Was fangen die feinen Magazine in London mit der Kunstfigur Donald Trump an, nachdem der Super Tuesday diese Woche ahnen ließ, dass der Spitzenreiter der Rechten und Konservativen, wiewohl bei vielen in der eigenen Partei ungeliebt, ja sogar verachtet, im November gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton um das höchste Amt kämpfen wird?
Der konservative Spectator ist entsetzt über Trump. Auf dem Titelblatt ist er als Freiheitsstatue abgebildet, die Frisur wurde zur Karikatur, das Gesicht zur Grimasse verzerrt. Er streckt dem Betrachter den rechten Mittelfinger obszön entgegen: „America turns nasty“ lautet die Schlagzeile. In einem Feature erklärt Freddy Gray, dass in Trumps Amerika „Gier groß und Gemeinheit schön ist“. Man müsse die Realität erkennen: Trump werde am 8. November der Kandidat der Republikaner sein, „ein wetternder Demagoge mit mehr als nur dem Hauch eines verrückten Diktators an sich könnte in der mächtigsten Nation der Welt das Sagen haben“. Das verstört den britischen Beobachter. Trump werde fast sicher gegen Clinton antreten – gegen eine Frau, die noch nie eine wichtige Wahl gewonnen habe, „ein perfektes Beispiel für die üble Elite, die von US-Wählern so sehr verachtet wird“. Für den Spectator ist das Ehepaar Clinton „genauso verdorben wie Trump“. Wer an eine liberale Demokratie glaube, müsste nun alarmiert sein. Zivilisiertes habe keinen Platz im Wahlkampf: „Trump bietet nur eine Art Antimoral.“ Der Begriff „Faschist“ passe gut zu ihm.
Relativ gelassen reagiert der recht weit links stehende New Statesman auf den rabiaten Immobilienhai. Peter Wilby meint dort, man solle sich keine Sorgen wegen Trump machen, denn das politische System der USA sei so konstruiert, dass es den Präsidenten aufhalten könne. Das jüngste Beispiel: Barack Obama. Der habe z. B. den Verkauf von Waffen nicht kontrollieren können. Ähnliche Probleme werde Trump haben, wenn er illegale Immigranten rausschmeißen wolle. Wen immer auch die Amerikaner wählten – „Wirtschaft und Geldelite werden die wichtigen Entscheidungen treffen“.
Nicht unterschätzen. Der liberale Economist sieht gar einen Hoffnungsschimmer, obwohl die Aussicht auf Trump vs. Clinton finster sei. Zunehmend habe der Republikaner Abstoßendes gesagt, aber: „Er wechselt seine Verkaufsargumente so flink wie seine Socken.“ Es wäre unklug, Trumps Fähigkeit zu unterschätzen, Würde vorzutäuschen und sich zum Zentristen zu wandeln. Clinton aber sollte um moderate Republikaner werben, um „den blonden Berlusconi“ aufzuhalten. Dann könnten die Demokraten nicht nur die Präsidentschaft eindeutig gewinnen, sondern auch wieder die Kontrolle im Senat. Das Zauberwort: Konsens. Auf jeden Fall brauche es eine Erneuerung der beiden großen Parteien, um die Stagnation in Washington zu überwinden.
(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 06.03.2016)
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