Warnsignale aus dem Wahlkampf
Amerikas Mauertraum
Bereits Barack Obama hat zögerlich versucht, Amerikas internationales Engagement zu reduzieren. Die globalisierungsfeindlichen Töne im Wahlkampf lassen vermuten, dass sich der Trend verstärken wird.
ie Mauer, die Donald Trump an der Grenze zwischen den USA und Mexiko bauen lassen will, soll noch eine Handbreit höher werden als die Chinesische Mauer: «Die grossartigste Mauer, die man je gesehen hat», so grossartig, dass die dankbare amerikanische Nation sie eines Tages «Trump-Mauer» nennen wird. Bezahlt werden soll die Mauer von Mexiko. Wenn sich Mexiko weigert, dann werden die USA Geldüberweisungen von mexikanischen Immigranten beschlagnahmen, Zölle erheben und die Vergabe von Visa für mexikanische Geschäftsleute (und Diplomaten) stoppen. Trumps Weg, Amerika «wieder gross» zu machen, besteht darin, es von Fremdem abzuschotten und andere zu erniedrigen.
INSERTED TEXT in original: Dass jemand mit derart xenophoben, radikalen Positionen beste Chancen hat, republikanischer Präsidentschaftskandidat zu werden, ist mehr als ein Unfall.
In den Augen Trumps, der in einem globalisierten Amerika zum Milliardär geworden ist, sind die USA nicht Gewinner, sondern Verlierer der Globalisierung. Der Grund: Unfähige und korrupte Washingtoner Politiker haben schlechte «Deals» abgeschlossen, zuungunsten Amerikas. Als Präsident wird Trump den chinesischen Präsidenten nicht zum Staatsdinner einladen, sondern ihm bei McDonald’s einen Hamburger spendieren und dann Tacheles reden. Jobs aus China, Mexiko und Japan müssen in die USA zurückgebracht, Handelsabkommen neu verhandelt werden.
Die Militärausgaben sollen steigen, damit keiner auf die Idee kommt, sich mit Amerika anzulegen. Die Zeiten aber, in denen «Trittbrettfahrer» wie Deutschland, Japan, Südkorea oder Saudiarabien von amerikanischer Sicherheitsgarantie profitieren, sind zu Ende: «Wir können all diese Länder nicht länger verteidigen.» Aus Afghanistan soll Amerika abziehen. Mit Putin will Trump dagegen eng zusammenarbeiten, um den Terrorismus im Nahen Osten zu bekämpfen. Trump will Familienmitglieder von Terroristen gezielt töten lassen und massive Folter einsetzen.
Dass jemand mit derart xenophoben, radikalen Positionen beste Chancen hat, republikanischer Präsidentschaftskandidat zu werden, ist mehr als ein Unfall. Auch bei den Demokraten hat der Altlinke Bernie Sanders vor allem damit gepunktet, dass er Hillary Clinton als Büttel des globalisierten Grosskapitals – «Wall Street» – karikierte. Ebenso wie Trump sieht Sanders Amerika als Opfer der Globalisierung. Freihandel und Wettbewerb seien das Übel, das den amerikanischen Arbeiter deklassiert habe. Bedrängt von dieser Rhetorik, hat sich Clinton, die wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, selbst auf die Seite der Freihandelsgegner geschlagen. Als Präsidentin könnte sie zur Geisel dieser Positionierung werden.
Wenn sich Amerika zunehmend zum Opfer der Globalisierung stilisiert, wenn Wagenburgmentalität an die Stelle von Weltoffenheit tritt, dann geht die Pax Americana, die weitgehend von Amerika garantierte Weltordnung, ihrem definitiven Ende zu. Die Pax Americana beruhte auf einer positiven Haltung der Amerikaner zur Globalisierung: Freihandel stand für ökonomischen Fortschritt und Stabilität, Migration für Wertschöpfung, Weltoffenheit, ein globales Netzwerk von Allianzen. Der Aufstieg Trumps ebenso wie Sanders’ überraschende Siege sind ein Warnsignal. Obama hat bereits zögerlich versucht, Amerikas internationales Engagement zu reduzieren – und ist darüber in Konflikt mit dem Sicherheits-Establishment in Washington geraten. Ob eine Präsidentin Clinton diesen Trend umkehren könnte, ist keineswegs ausgemacht.
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