Sean, the Clown

<--

Und alle lachen über Sean Spicer: Der Auftritt von Donald Trumps ehemaligem Pressesprecher hat der Emmy-Verleihung jede politische Glaubwürdigkeit genommen.

Wenn Hollywood beweisen will, dass etwas nicht inszeniert ist, filmt es die überraschten Gesichter des Publikums. Als Sean Spicer, der ehemalige Pressesprecher des US-Präsidenten Donald Trump, plötzlich auf die Bühne der Emmy-Verleihung gefahren kommt, zoomen die Kameras also auf all die “Oh-My-God”-Münder, die hochgezogenen Augenbrauen von Kevin Spacey und die fassungslose Miene von Melissa McCarthy. Die Komikerin hatte Spicer während dessen kurzer Amtszeit höchst erfolgreich in der Comedysendung Saturday Night Live parodiert. Als Monsterpuppenversion von Trumps Sprecher beschimpfte sie die Washingtoner Presse, stopfte sich mit Kaugummis voll und nutzte ein fahrbares Rednerpult als Rammbock gegen die Journalisten.

Mit diesem Pult rollte nun der echte Spicer auf die Bühne des Microsoft Theaters in Los Angeles, nur dass darauf statt “The White House – Washington” eben “The Emmys – Hollywood” stand. Eine Parodie auf die Parodie, wie hübsch! Einer der meist gehassten Vertreter der Trump-Regierung beugt das Knie vor der Comedybranche. Was für ein Triumph. Oder?

“Mr. President, hier ist endlich ihr Emmy”

Spicers Auftritt bei der wichtigsten Fernsehpreisverleihung der USA zeigt zunächst einmal eines: wie sehr das politische Washington und die Entertainmentbranche inzwischen ineinander verschlungen sind. Der größte TV-Star des vergangenen Jahres sei Donald Trump gewesen, gab der Gastgeber, Late-Night-Moderator Stephen Colbert, gleich zur Eröffnung der Gala zu: “Jede Show war auf irgendeine Weise von Trump beeinflusst.” Und als Alec Baldwin für seine Trump-Parodien in Saturday Night Live seinen Emmy als bester Nebendarsteller in einer Comedyserie entgegennahm, widmete er ihn dem Mann, dem er diesen Preis letztlich verdankte: “Ich schätze, ich sollte sagen: Mr. President, hier ist endlich ihr Emmy.”

Natürlich kann man diese Verzahnung zwischen Parodisten und Parodierten auch positiv sehen, vielleicht war das amerikanische Fernsehen wirklich nie besser als heute, wie Colbert in seiner Eröffnungsrede behauptet. Im Laufe des US-Wahlkampfes und der zehn Monate der Trump-Regierung haben vor allem die Late-Night-Shows von Stephen Colbert und John Oliver eine bisher nie dagewesene politische Relevanz bewiesen. Einige gehen sogar so weit, zu sagen, dass die Late-Night-Shows inzwischen fast allein für die politische Bildung der Amerikaner zuständig sind.

In dieser Rolle gefallen sich die Comedians freilich, und man kann es ihnen kaum verdenken, dass sie es genießen, sich an diesem Emmy-Abend mit den wichtigsten Preisen der Fernsehindustrie überhäufen zu lassen: Neun Preise gibt es allein für Saturday Night Live, einen weiteren für die Show Last Week Tonight With John Oliver.

Doch gerade Satiriker sollten auf der Hut sein, wenn sie zu sehr gefeiert werden. Nach einem knappen Jahr Trump scheint es, als habe sich die liberale Entertainmentbranche ein bisschen zu gemütlich auf der Oppositionsbank eingerichtet. Wann konnte man sich in den USA je so sicher sein, auf der richtigen Seite zu sein? Wann waren Differenzierungen je so hinfällig wie in Zeiten, in denen der Gegner selbst keine Argumente bemüht?

Spicers Lügen – bloß ein Witz?

Da scheint es fast schon folgerichtig zu sein, dass man sich zur Selbstaffirmation das Objekt seines Spotts als Pausenclown auf die Bühne holt. Aber: Wie glaubwürdig kann ein selbst ernanntes liberales Antiestablishment sein, wenn man den erklärten Feind (zur Sicherheit hat man immerhin nur ein ehemaliges Regierungsmitglied gecastet) in seine Mitte aufnimmt? Es ist ein bisschen so wie damals im September 2016, als Jimmy Fallon in seiner Tonight Show dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump durch die Haare wuschelte. Man habe Trump in diesem Moment zwar zum Idioten gemacht, aber eben auch gesellschaftsfähig, lautete damals die berechtigte Kritik.

Zu Beginn der Trump-Regierung waren viele Menschen erleichtert, dass der dämonisierte Milliardär und Teile seiner Entourage eben doch entzaubert, weil parodiert werden konnten. Es ist eine schöne Illusion, dass man den Entertainer Trump mit den Waffen des Entertainments schlagen kann. Nur lassen sich Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Dummheit nicht so einfach weglachen. Dieser Emmy-Veranstaltung hätte weniger Albernheit und Eitelkeit gut getan. Dafür mehr inhaltliche Härte.

Der Pay-TV-Sender TNT Serie wiederholt am Montag, 18. September 2017, ab 21 Uhr die Emmy-Verleihung in ganzer Länge.

About this publication