It Does Not Hurt Enough Yet

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Es tut noch nicht weh genug

US-Präsident Donald Trump erpresst die Europäische Union, als wäre er ein Mafiaboss – Schutz gegen Kohle. Das dürfen sich die Europäer nicht länger gefallen lassen.

Wer noch Zweifel hatte, welcher Tsunami da am Mittwoch und Donnerstag auf die Nato zuzurollen droht, der konnte sich zuletzt bei Donald Trumps Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Montana eines Besseren belehren lassen. Der US-Präsident kam sofort zur Sache. Kaum hatte er die lokale Politikprominenz begrüßt, war er beim Thema – der Nato und der aus seiner Sicht skandalösen Weigerung der Deutschen, endlich einen fairen Beitrag zu zahlen.

“Sie bringen uns beim Handel um” (“they kill us on trade”), schimpfte er über Europa, “und sie bringen uns in der Nato um”. Der Mann redete erst ein paar Minuten – in Montana wohlgemerkt, im amerikanischen Nirgendwo, und schon war er bei Deutschland. “Und ich habe ihr gesagt, Angela, ich kann es nicht garantieren, aber wir beschützen euch. Und dann gehen die her und machen einen Gas-Deal mit Russland.”

Erst reden, dann essen, dann Eklat?

Von Mittwoch an, 14.30 Uhr, sitzen sich nun Kanzlerin Angela Merkel und Trump bei der Nato gegenüber, erst im Kreis der Verbündeten, dann beim festlichen Abendessen mit der EU-Spitze, Schweden und Finnland. Spätestens zu dem Zeitpunkt schließen Nato-Diplomaten den Eklat nicht mehr aus. Stehen die USA noch zum Bündnisversprechen des Artikel 5? Es sind gut 24 Stunden, in denen die Zukunft des Westens auf dem Spiel stehen könnte.

Sicher, die USA verstanden es schon immer, die Uneinigkeit in der EU für den ein oder anderen Vorteil zu nutzen. Doch jetzt spaltet Trump Europa von außen und untergräbt die Gemeinschaft von Nato und EU von innen. Trump ist der erste US-Präsident, der Europa (und Deutschland) tatsächlich ernsthaft schaden will. Das dürfen sich die Europäer nicht länger bieten lassen.

Streiten um die zwei Prozent

Die Forderung, dass Deutschland und die anderen Verbündeten ihre Verteidigungsausgaben erhöhen sollen, dient Trump als Vehikel, um die Europäer vor sich herzutreiben. Die Sache wird nicht dadurch besser, dass er sogar einen Punkt hat. Trumps stärkstes Argument sind die Beschlüsse des Nato-Gipfels in Wales, auf dem sich die Mitglieder der Allianz darauf verständigten, von 2024 an zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Sicher, Experten weisen darauf hin, dass dieses Versprechen in allerlei weiche Sprache gekleidet ist, doch die “zwei Prozent” stehen nun einmal da.

Dazu kommt, dass nur wenige Politiker bestreiten, dass Länder wie Deutschland künftig mehr fürs Militär ausgeben müssen. Der beklagenswerte Zustand der Bundeswehr ist bekannt, Kanzlerin Merkel weist in ihrem jüngsten Videopodcast zu Recht darauf hin, dass mehr Geld für die Ausrüstung auch aus deutscher Sicht Sinn ergebe.

Es ist aber entscheidend, dass die Europäer selbst darüber befinden, wofür sie zahlen, und kein US-Präsident. Europa sollte nicht einfach die Schatulle öffnen, nur weil Trump seine Verbündeten im Stile eines Mafiabosses erpresst: Schutz gibt es nur gegen Kohle. So nötig sie sein mögen – höhere Verteidigungsausgaben werden in Europa keine Akzeptanz finden, wenn der Eindruck entsteht, Europa wolle sich nur bei Trump andienen. Zudem klar ist, dass die Europäer beim Militärischen schon ein gutes Stück weiter wären, wenn sie endlich enger zusammenarbeiten, Flugzeuge bauen und Einsätze planen würden.

Freundschaft zu Europa ist für Trump kein Wert an sich

Klimaabkommen, Iran-Atomdeal, Strafzölle, Trump hat längst gezeigt, dass er sich um die Interessen der Europäer nicht schert. Die Freundschaft zu Europa ist für ihn kein Wert an sich, daher sitzt er in der Debatte mit Merkel und Co. am längeren Hebel. Wenn dem US-Präsidenten nach dem Aufstehen danach ist, Kanzlerin Merkel per Tweet zu mobben, kann sie wenig dagegen machen. Und wenn Autoimporte aus der EU aus Trumps Sicht eine Gefahr für die amerikanische Wirtschaft darstellen, wird er Strafzölle erheben, egal, welche Argumente ihm die Europäer präsentieren.

Europa muss, da hat Merkel ja recht, ein Stück weit unabhängiger von den USA werden. Trump versteht nur Widerstand, harte Worte, dagegenhalten.

Das Dumme ist nur, dass diese Erkenntnis in Europa nicht sonderlich weit verbreitet ist. Die Interessen der Europäer gegenüber den USA sind einfach zu unterschiedlich, ob bei der Sicherheit, in der Handelspolitik oder sogar bei der Frage, nach welchen Regeln die Europäer selbst zusammenzuleben wünschen.

Polen und die baltischen Staaten wollen die Sicherheit ihrer Länder verständlicherweise nicht auf luftige Unterfangen wie die stärkere Zusammenarbeit der EU in Sicherheitsfragen bauen. Sie unterschreiben mit Freude jeden Scheck, wenn Trump im Gegenzug Sicherheit und Soldaten bietet. Frankreich wiederum drängt beim Handelskrieg auf eine harte Haltung gegenüber Trump, Deutschland will vor allem seine Autoindustrie schützen und ist eher zu Deals bereit.

Schleichendes Gift

Dazu wirkt Trumps Wahlerfolg im Inneren der EU wie schleichendes Gift. Der autoritäre Führungsstil des US-Präsidenten hat in Europa nicht wenige Bewunderer. Ungarn Regierungschef Viktor Orbán gehört dazu, aber sogar so mancher in der bayerischen CSU denkt darüber nach, wie viel von Trumps Botschaft von Abschottung und nationalem Egoismus man in die anstehenden Wahlkämpfe einspeisen sollte.

Es mag wehtun, aber die Wahrheit ist: Vielleicht hat Trump die Europäer noch nicht genug gedemütigt, damit sie endlich erkennen, dass sie sich gemeinsam gegen ihn wehren müssen.

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