In Katar verhandeln die USA seit Monaten mit den Taliban über die Zukunft Afghanistans, nun gibt es Fortschritte. Doch die Regierung in Kabul ist alarmiert – sie darf nicht mitreden.
Donald Trump fasste sich kurz, als er im vergangenen August seine Afghanistan-Strategie erklärte.
“Wir werden angreifen”, sagte der US-Präsident im Armeestützpunkt Fort Myer im Bundesstaat Virginia. Und fügte hinzu: Die Konsequenzen eines schnellen Rückzugs der rund 14.000 vor Ort stationierten US-Soldaten seien nicht vorhersehbar, deshalb würden auch weiterhin Truppen am Hindukusch bleiben.
Bei dem Einsatz gehe es nicht darum, eine Nation aufzubauen, sagte er. Das Ziel seiner Regierung sei es nach 17 Jahren Krieg vielmehr, den Kampf gegen Terroristen auszuweiten. Es solle verhindert werden, dass Afghanistan wieder zu einem Rückzugsort für islamistische Kämpfer und damit zur Gefahr für die Vereinigten Staaten werden könne – wie es al-Qaida unter Osama Bin Laden war.
Eine Woche später starteten die Taliban eine Offensive auf die Großstadt Ghazni. Dabei hatten sie erst einen Monat zuvor begonnen, direkt mit US-Diplomaten im Emirat Katar über die Zukunft Afghanistans zu sprechen. Die islamistische Miliz verfolgt somit eine Doppelstrategie, setzt auf Militärschläge und Diplomatie – genauso wie die Trump-Regierung.
Annäherung zwischen Taliban und USA
Anfang der Woche, nach zahlreichen Treffen mit den Taliban, aber ohne Beteiligung von Regierungsvertretern aus Kabul, hat sich der US-Delegationsleiter Zalmay Khalilzad nun vorsichtig optimistisch gezeigt.
Es gebe “signifikante Fortschritte” sagte er der “New York Times”, die Grundzüge eines Abkommens seien erarbeitet worden. US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan bezeichnete die Verhandlungen als “ermutigend”. Die Kernpunkte, um die es bei den Gesprächen geht, sind klar:
Ein landesweiter Waffenstillstand vor den Präsidentenwahlen im Sommer,
der vollständige Rückzug der internationalen Truppen innerhalb von 18 Monaten
und die Frage, wie verhindert werden kann, dass internationale Terrorgruppen Afghanistan als Basis für Anschläge im Westen nutzen.
Weniger klar ist, wie eine Annäherung zwischen den Konfliktparteien in diesen drei Punkten erreicht werden kann. Die Gründe hierfür sind vielfältig:
Die Taliban lehnen direkte Gespräche mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani kategorisch ab, der sie jedoch in einer Fernsehansprache am Montag genau dazu aufrief.
Die Regierung in Kabul gab zudem immer wieder zu erkennen, dass sie sich von den USA vor den Kopf gestoßen fühlt, da sie bislang keinerlei Mitspracherecht bei der Planung der Nachkriegsordnung hat.
Die US-Regierung und die Nato verweigern einen unmittelbaren Rückzug der internationalen Streitkräfte, was in der Folge einen Waffenstillstand mit den Taliban unwahrscheinlich macht.
Die Islamisten kontrollieren mittlerweile rund die Hälfte des Landes. Beinahe wöchentlich kommt es zu Gefechten. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa befreiten Spezialkräfte der Regierung erst in der Nacht zu Montag 38 Menschen aus einem Gefängnis der Taliban in der Provinz Ghazni.
Der “Schlächter von Kabul” will Präsident werden
Die anhaltende Gewalt ist der Hauptgrund für die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen um drei Monate auf Juli dieses Jahres. Seit 2014 sind nach Angaben der Regierung in Kabul 45.000 afghanische Soldaten gefallen. Die Zivilbevölkerung leidet unter den Kämpfen – und unter extremer Armut: Mehr als die Hälfte der Afghanen haben laut offiziellen Statistiken täglich nur umgerechnet einen Dollar zum Überleben zur Verfügung.
Das ist der ideale Nährboden für Extremisten, zumal in einem Land, in dem das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei 19 Jahren liegt. Der amtierende Präsident Ghani will im Juli wiedergewählt werden. Neben ihm treten zahlreiche zentrale Persönlichkeiten des Landes zur Wahl an, darunter auch der aus dem Exil zurückgekehrte Gulbuddin Hekmatyar.
Der 69-jährige Warlord und Anführer der Islamistentruppe Hesb-i-Islami erwarb sich während des Bürgerkriegs in den Neunzigerjahren den Rufnamen “Schlächter von Kabul”.
Das Erstarken der Taliban, die Rivalität zwischen den verfeindeten Stämmen Afghanistans und die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung erhöhen die Gefahr, dass die Präsidentschaftswahlen von Gewalt überschattet werden – ähnlich wie schon die Parlamentswahlen Ende 2018.
Trump dürfte angesichts dieser Ausgangslage kein großes Interesse daran haben, den Großteil der US-Truppen noch lange am Hindukusch zu halten. Ähnlich wie in Syrien könnte er einen Rückzug anstreben und versuchen, sein Ziel – den Kampf gegen den internationalen Terrorismus – mit Spezialeinheiten und Kommandooperationen zu erreichen. Eine ähnliche Strategie verfolgen die USA bereits in Libyen und im Jemen – ohne durchschlagenden Erfolg.
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