Trotz Haushaltskompromiss droht Donald Trump mit dem nationalen Notstand, um mehr Geld für eine Grenzmauer zu Mexiko zu bekommen. Doch es gibt Andeutungen, dass der Präsident eigentlich etwas ganz anderes vorhat.
Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, ließ sich am Abend von ihren Kollegen beklatschen. Das soeben verabschiedete Ausgabengesetz sei ein großer überparteilicher Erfolg – immerhin verhindert es einen weiteren Regierungsstillstand. Zuvor hatte auch der Senat zugestimmt. Was aussah wie ein guter Tag für Republikaner und Demokraten, ist für Präsident Donald Trump aber eine der größten Niederlagen seiner Amtszeit.
Am Freitag soll er seine Unterschrift unter den Kompromiss setzen, der lediglich 1,375 Milliarden Dollar für neue Grenzbefestigungen im Süden bereitstellt. Trumps Wahlkampfversprechen lautete einmal, dass Mexiko für eine Mauer zahlen solle – nun bekam er auch vom Kongress nicht die geforderten 5,7 Milliarden Dollar.
Der Präsident will sich damit nicht abfinden. Senats-Mehrheitsführer Mitch McConnellkündigte am Donnerstag an, Trump werde das Gesetz zwar unterzeichnen, am Freitag aber auch einen nationalen Notstand ausrufen. Durch die Erklärung der Grenze zum Notstandsgebiet, die er etwa mit einer humanitären Krise begründen könnte, würde er den Kongress umgehen. Am Abend war von acht Milliarden Dollar für die Mauer die Rede, die Trump auf diesem Wege sichern wolle. Durch einen Notstand könnte er unter anderem Geld aus zivilen Bauprojekten des Militärs umleiten.
Demokraten sprechen von Machtmissbrauch
Seine Vorgänger George W. Bush und Barack Obama riefen etwa nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und bei der Schweinepest-Pandemie 2009 nationale Notstände aus. Eine solche Erklärung bedeutet nicht automatisch die Einschränkung von Grundrechten überall im Land, wie manche Kommentare zunächst vermuten ließen. Einige Artikel des „Gesetzes über Nationale Notstände” von 1976 enthalten weit reichende Befugnisse für den Präsidenten, von denen er aber nicht automatisch Gebrauch macht, wenn ein Notstand erklärt wird. Dazu gehören das Recht, Güter und Grundstücke zu beschlagnahmen und Verkehrs- und Kommunikationsmittel zu kontrollieren.
Die Demokraten warfen dem Präsidenten Machtmissbrauch und einen Angriff auf die Demokratie vor. Trump demonstriere seine „Verachtung für die Herrschaft des Gesetzes” erklärten Pelosi und Senats-Minderheitsführer Chuck Schumer. Dass Trump Ängste vor Einwanderern schüre, mache die Situation an der Grenze noch lange nicht zu einem Notzustand. „Dies ist ein Versuch, das verfassungsrechtliche Grundprinzip der Gewaltenteilung zu unterlaufen. Der Kongress hat das Haushaltsrecht. Dies kann nicht toleriert werden,“ sagte der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus, Demokrat Jerrold Nadler aus New York.
Ein Nationaler Notstand kann indessen durch einen gemeinsamen Beschluss beider Kongresskammern blockiert werden. Die Demokraten kündigten an, eine entsprechende Resolution mit ihrer Mehrheit im Abgeordnetenhaus schnell auf den Weg zu bringen. Wenn der Senat sich nicht anschließe, werde man klagen, so Nadler. Die Republikaner haben im Senat eine Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen. Eine Resolution gegen Trumps geplanten Notstand würde eine einfache Mehrheit benötigen, könnte allerdings von Trump mit einem Veto belegt werden.
Tatsächlich könnte es sein, dass Trump mit der Ankündigung am Abend erst einmal die Stimmung im Kongress testen wollte und letztlich versuchen wird, seine Mauer-Mittel durch mehrere Exekutivanordnungen statt durch eine Notstandserklärung zu sichern. Matt Gaetz, republikanischer Abgeordneter aus Florida, machte am Abend bei CNN entsprechende Andeutungen. So könne es lokal begrenzte Verordnungen geben, die gut mit dem Kampf gegen Drogenhändler zu begründen seien.
Doch auch mit Exekutivanordnungen würde Trump viele in der eigenen Partei gegen sich aufbringen, zum Beispiel, wenn er versuchen würde, Mittel aus der Hurrikan-Hilfe für Gebiete wie Florida oder Puerto Rico umzuschichten. Und auch solche Anordnungen können seine Gegner vor Gericht anfechten, wie sie es in anderen Fällen erfolgreich getan haben – beispielsweise mit dem ursprünglich sehr weit gehenden Einreisestopp für Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern.
Republikaner warnen Trump
Viele Republikaner, die Trump zuvor vor dem Schritt gewarnt hatten, schwiegen am Abend zu dem Thema. Mitch McConnell hatte dem Präsidenten mehrfach von einer Notstandserklärung abgeraten, schien aber nun auf Trumps nächste Schritte zu warten. Andere wiederholten ihre Warnungen. „Ich habe meine Bedenken über die Erklärung eines nationalen Notstands ausgedrückt, nicht nur was das Setzen eines Präzedenzfalles angeht, sondern auch aus praktischen Gründen,“ sagte John Cornyn, Senator aus Texas, gegenüber CNN.
Senatorin Susan Collins aus Maine sagte, sie halte Trumps Entscheidung für einen Fehler. „Das Gesetz über Nationale Notstände war für Naturkatastrophen oder katastrophale Ereignisse wie die Angriffe auf unser Land am 11. September gedacht.“ Einen Notstand für den Bau der Mauer zu nutzen, könne „verfassungsrechtlich zweifelhaft“ sein, so die Republikanerin. Andere wiegelten ab. Es gebe unterschiedliche Vorschriften zu Not- und Ausnahmezuständen, gaben mehrere Republikaner zu bedenken. Noch wisse man nicht, welcher Mittel sich Trump im Einzelnen bedienen werde, sagte etwa Senator Mitt Romney aus Utah.
Für viele Republikaner geht es nicht nur um die Tatsache, dass der Präsident am Kongress vorbei regieren könnte. Sie machen sich auch Sorgen darüber, dass Trump einen Präzedenzfall für die Zukunft schaffen würde. Für eine Situation, die keinen echten Notstand darstelle, würde er einen solchen ausrufen und dann könnten auch zukünftige Präsidenten autoritärer regieren. Floridas Senator Marco Rubio hatte Anfang Januar in einem Interview gewarnt: „Morgen könnte der nationale Notstand dann, sagen wir, der Klimawandel sein – also lassen Sie uns alle Kohlekraftwerke verstaatlichen, oder so!“ Nancy Pelosi sagte am Donnerstag: „Auch ein demokratischer Präsident kann einen nationalen Notstand ausrufen. Der Präzedenzfall, den der Präsident hier setzen würde, sollte von den Republikanern also mit großer Sorge betrachtet werden.“
Am Ende könnte es darauf ankommen, wie weit Trumps Rückhalt in der eigenen Partei noch reicht – und wann es den Republikanern politisch zu riskant wird.
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