Bidens erste Welle
Tausende Migranten sind von Honduras Richtung Vereinigte Staaten aufgebrochen. Es ist ein erster Test für die Beziehung zwischen Mexiko und der neuen Regierung in Washington.
Tränengas und Schlagstöcke sind im Einsatz. Die Sicherheitskräfte versuchen alles, um die sogenannte Migranten-Karawane aufzuhalten. Es ist der erste Marsch von Migranten seit Monaten. Und er ist groß. Rund 8000 Personen, darunter viele Familien und Kinder, sind am Wochenende in der Stadt San Pedro Sula in Honduras aufgebrochen. Bandenkriminalität, die schlechte wirtschaftliche Lage und nun auch noch die Pandemie sowie die Folgen zweier Hurrikane Ende des vergangenen Jahres haben ihnen jegliche Perspektive genommen. Sie hoffen auf ein besseres Leben in den Vereinigten Staaten.
Für viele ist die Reise jedoch bereits in Guatemala zu Ende. Die dortige Regierung hat ein Großaufgebot von Polizisten und Soldaten mobilisiert, um die Honduraner aufzuhalten. Das sei eine Frage der nationalen Sicherheit, sagt der Direktor der guatemaltekischen Einwanderungsbehörde. Unter den Migranten versteckten sich diverse Kriminelle. Auch die Pandemiebekämpfung wird als Grund aufgeführt. Hunderte Migranten wurden bereits wieder nach Honduras zurückgebracht. Andere stecken nahe der Ortschaft Chiquimula fest, wo die Sicherheitskräfte warten. Wieder andere haben sich in kleinere Gruppen zerstreut.
Es ist unklar, wie Mexiko handeln wird
Einige der Migranten dürften es aber trotz des guatemaltekischen Polizeiriegels bis an die Grenze zu Mexiko schaffen. Am Grenzübergang von Tecún Umán sollen bereits die ersten Menschen angekommen sein. Doch dort und weiter nördlich wartet die mexikanische Nationalgarde schon auf der anderen Seite des Grenzflusses Río Suchiate.
Es ist unklar, wie Mexiko handeln wird, sollten die Migranten in größeren Gruppen die Grenze überqueren wollen. In den vergangenen Jahren war es der Regierung von Donald Trump gelungen, Mexiko und später auch Guatemala und Honduras unter Androhung von Strafzöllen und anderen Maßnahmen unter Druck zu setzen, um die Migranten aus Zentralamerika bereits an der mexikanischen Südgrenze aufzuhalten.
Seit einer Vereinbarung mit Trump im Frühjahr 2018 stoppte Mexiko Zehntausende von Migranten, bevor sie überhaupt an die amerikanische Grenze gelangen konnten. Zudem bot Mexiko sich als Warteraum für Migranten an, die auf die Bearbeitung ihrer Asylgesuche in den Vereinigten Staaten warteten. Im Gegenzug zog Trump seine Drohungen zurück und hielt sich aus mexikanischen Angelegenheiten heraus. Trump und sein mexikanischer Amtskollege Andrés Manuel López Obrador verstanden sich offenbar prächtig. Auch deshalb zählte López Obrador zu den letzten Staatschefs, die Biden zum Wahlsieg gratulierten.
Biden strebt eine Neuausrichtung der Einwanderungspolitik an
Der Regierungswechsel in Washington wirft daher mit Blick auf die mexikanisch-amerikanischen Beziehungen einige Fragen auf, für die die Migranten aus Zentralamerika eine zentrale Rolle spielen. Für das laufende Jahr wird mit einer starken Zunahme von Migranten gerechnet. Beschleunigend wirken einerseits die Folgen der Hurrikane, andererseits aber auch die Hoffnung vieler Menschen, dass der Weg in die Vereinigten Staaten durch den Regierungswechsel mit weniger Hindernissen verbunden sein wird.
Biden hatte schon im Wahlkampf angekündigt, dass er eine Neuausrichtung der Einwanderungspolitik anstrebt. In einem Gespräch zwischen Biden und López Obrador im Dezember, das sich fast ausschließlich um das Thema Migration drehte, verständigten sich die beiden auf eine enge Kooperation, um eine sichere und humane Migration zu ermöglichen und die Ursachen zu bekämpfen, welche die Menschen aus Zentralamerika in die Vereinigten Staaten treiben. Das Schicksal der ersten Migranten-Karawane wird die Entscheidung der vielen Zentralamerikaner, die ihr Land verlassen wollen, wesentlich beeinflussen.
Doch die Vereinigten Staaten sind nicht auf einen Ansturm von Migranten-Karawanen vorbereitet – zumindest noch nicht. An der Grenze stauen sich die Gesuche, weil es an spezialisierten Richtern mangelt. Biden sagte kürzlich, dass eine Neuausrichtung der Einwanderungspolitik mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nehmen werde.
Vorerst ist Biden also ebenso wie sein Vorgänger daran interessiert, dass die aktuelle und auch die künftigen Migranten-Karawanen möglichst schon weit im Süden aufgehalten und aufgelöst werden. Dafür braucht er Mexiko. Da Biden allerdings von Drohungen gegen Mexiko absehen dürfte, lässt er López Obrador Raum für Forderungen. López Obrador lotete das in den vergangenen Tagen bereits aus, indem er sagte, er strebe eine „Politik der guten Nachbarn“ an, wolle jedoch nicht „unterwürfig und verantwortungslos“ sein wie seine Vorgänger, wenn es um die Souveränität seines Landes gehe. Die Botschaft ist eindeutig: Solange sich Washington in Mexiko nicht in Themen wie organisierte Kriminalität, Korruption, Arbeitsrechte oder Umweltschutz einmischt, wird sich López Obrador kooperativ zeigen.
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