US-Demokraten wollen von den größten CO₂-Produzenten der Welt rückwirkend viele Milliarden Dollar Schadensersatz einfordern. Mindestens drei deutsche Unternehmen sollte dieser Vorstoß nervös machen.
Es ist sehr unangenehm, sich mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen, aber es wird täglich schwieriger, sie zu ignorieren. Selbst für Leute, die sich wirklich anstrengen. Die Menschheit hat das Weltklima bereits jetzt in einer Weise verändert, die gigantische Schäden anrichtet.
Diese Woche gab es weltweit so viele Großfeuer, dass das Klima- und Umweltressort der »Deutschen Welle« twitterte: »Es sind so viele, dass es schwerfällt, noch im Blick zu behalten, wie viele Länder im Moment brennen.«
Einer aktuellen Studie zufolge steht der Golfstrom womöglich vor einer dauerhaften Abschwächung, was weitere katastrophale Folgen für das Klima in Europa und Nordamerika hätte. In den Anden fällt so wenig Schnee, dass vielerorts Wasserknappheit droht. Die Überschwemmungskatastrophen in Deutschland und China sind in der internationalen Berichterstattung schon wieder Ereignisse von gestern.
Die Verursacher sollen für die Schäden aufkommen
Es gibt jetzt jede Woche erschreckende Klimanachrichten. Und das wird auch nicht mehr aufhören.
Gleichzeitig war vorherzusehen, dass all das passieren würde, Klimaforscher warnen seit Jahrzehnten davor. Und noch jemand wusste seit Jahrzehnten Bescheid: Die Unternehmen nämlich, deren Produkte hauptverantwortlich für die Erhitzung des Planeten sind, allen voran die Öl- und Kohlekonzerne. Jahrzehntelang haben sie, mit unterschiedlicher krimineller Energie, aber stets gleicher Stoßrichtung, mit Desinformation, Propaganda und politischer Lobbyarbeit verhindert, dass wir endlich aufhören, fossile Brennstoffe in CO2 zu verwandeln.
Eine Gruppe von US-Demokraten will die wirkmächtigsten Verursacher und größten Profiteure der Krise jetzt rückwirkend zur Kasse bitten. Sie sollen nicht nur in Zukunft CO2-Steuern bezahlen, sondern auch retrospektiv für die Schäden aufkommen, die ihre Geschäftsmodelle anrichten.
Explizit benannt: ExxonMobil, BP, Shell, Chevron
Der Gesetzentwurf von Chris Van Hollen, Demokratischer Senator aus Maryland, sieht vor, dass US-Behörden die Unternehmen identifizieren, die in den Jahren 2000 und 2019 für die größte Menge Treibhausgas verantwortlich waren, und man sie dann proportional zu dieser Menge zur Kasse bittet. Van Hollen schätzt, dass das in den kommenden zehn Jahren 500 Milliarden Dollar einbringen könnte. Die will er anschließend in Forschung im Bereich erneuerbare Energien stecken, und in Hilfe für von klimabedingten Katastrophen heimgesuchte Regionen. Unterstützt wird der Vorschlag derzeit von fünf weiteren Senatsmitgliedern, darunter Bernie Sanders und Elizabeth Warren.
Betreffen soll das Gesetz Van Hollen zufolge »in den USA beheimatete Förderer fossiler Brennstoffe und Ölraffinerien sowie ausländische Firmen, die in den USA Geschäfte machen«. Explizit benannt werden ExxonMobil, BP, Shell und Chevron.
»Einfache, aber mächtige Idee«
Kern des Entwurfs sei die »einfache, aber mächtige Idee, dass Verschmutzer bezahlen sollten, um dabei zu helfen, das Chaos zu bereinigen, das sie verursacht haben«, sagte Van Hollen der »New York Times« zufolge. Betreffen soll das Gesetz nur Unternehmen, die von 2009 bis 2019 für mindestens 0,05 Prozent der weltweiten CO2- und Methanemissionen verantwortlich waren. Ältere Daten seien nicht ausreichend verlässlich oder vergleichbar.
Die »New York Times« verweist auf eine Studie des Wissenschaftlers Richard Heede, der heute für das Climate Accountability Institute arbeitet.
Drei deutsche Firmen sind in den Top 90
Heede führt darin fast zwei Drittel aller historischen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2010 auf nur 90 Verschmutzer zurück: Unternehmen, viele davon in staatlicher Hand, und (in der Regel kommunistische) Nationalstaaten. Die Gesamtliste führen die Sowjetunion und China mit einem historischen Anteil von jeweils weit über acht Prozent an, aber danach folgen bereits die US-Konzerne ChevronTexaco und ExxonMobil mit jeweils deutlich über drei Prozent, dicht gefolgt von Saudi Aramco, BP, Gazprom und Royal Dutch Shell.
Natürlich ist diese Liste heute längst nicht mehr aktuell, denn in den Jahren seit 2010 hat China seinen Anteil am globalen CO2-Ausstoß kräftig ausgebaut und ist heute der größte Einzel-Emittent. Die historische Schuld an der Klimakrise aber bildet Heedes Tabelle sehr anschaulich ab.
Unter den historischen Top-90 finden sich auch drei deutsche Unternehmen: Auf Platz 84 steht HeidelbergCement, auf Platz 71 die Ruhrkohle AG und auf Platz 28 RWE.
»Keine Notwendigkeit, absichtliches Fehlverhalten nachzuweisen«
Ich kann mir vorstellen, dass der Vorstoß der US-Demokraten auch den einen oder anderen deutschen Vorstand nervös macht. Künftig geht es für die Unternehmen, deren Geschäftsmodell die Erzeugung von Roh-CO2 ist oder bedingt, nicht nur um die möglichst lange Abwehr wirklich wirksamer CO2-Bepreisung. Es geht plötzlich auch darum, dass sie womöglich eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Für all das Geld, das sie sehenden Auges mit der Zerstörung der menschlichen Lebensgrundlagen verdient haben. Auch in anderen Ländern wird man auf diese Idee kommen, wenn es noch schlimmer wird.
Vorbilder für eine solche Gesetzgebung gibt es: In den USA wurden 1980 beispielsweise durch ein Gesetz schuldige Unternehmen verpflichtet, die Säuberung von durch giftige Substanzen geschädigten Gebieten mitzufinanzieren. Ein anderes Beispiel sind die Prozesse gegen die US-Tabakindustrie, die ihre Kunden wissentlich über die Schädlichkeit des Rauchens und das Suchtpotenzial von Nikotin in die Irre geführt hatte.
Der neue Gesetzentwurf sieht laut »NYT« aber gar nicht vor, dass die Fossilkonzerne bewusster Lügen überführt werden müssen: »Es gibt keine Notwendigkeit, Fahrlässigkeit oder absichtliches Fehlverhalten nachzuweisen. Der Vorschlag macht keine Schuldzuweisungen hinsichtlich spezifischer Schäden – er stellt nur sicher, dass diese Firmen zur Lösung beitragen.«
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