How Olaf Scholz Can Restore Germany’s Reputation in Washington

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Wenn der Kanzler die deutsche Schlüsselrolle in Europa behalten will, muss er bei seinem USA-Besuch eine klare Botschaft senden – dazu gehört auch ein Bekenntnis zu militärischer Abschreckung.

Im Juni sagte US-Außenminister Antony Blinken bei einem Treffen mit Angela Merkel: »Die USA haben keinen besseren Partner, keinen besseren Freund in der Welt als Deutschland.« Wenn Merkels Nachfolger Olaf Scholz sich am Sonntag nach Washington aufmacht, hören sich diese Worte wie Erinnerungen aus einer längst vergangenen Epoche an.

Deutschlands Ruf hat in den vergangenen Monaten stark gelitten. Letzte Woche schickte Emily Haber, die deutsche Botschafterin in Washington, einen Brandbrief nach Berlin. Deutschland gelte als »unzuverlässiger Partner« in der Russland- und Chinapolitik. Deutschland drohe massiver Reputationsschaden. Republikaner sprächen regelmäßig davon, Deutschland sei »mit Putin im Bett«.

Öffentlich macht die Biden-Regierung weiterhin eine gute Miene, doch intern teilen viele die Kritik. Deutschlands osteuropäische Partner sind direkter. Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks bezeichnete Deutschlands Position gegenüber China und Russland als »unmoralisch und scheinheilig«. Scholz muss hier nun heftig gegensteuern, um deutsche Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen. In Washington kann er dazu den Grundstein legen mit einer klaren Botschaft zu Sanktionen, einem größeren Beitrag zur Verteidigung der Nato-Partner und einer ambitionierten chinapolitischen Agenda.

Im Russlandkonflikt vertritt Scholz eine Linie, die in Kontinuität zu Merkel liegt

So hatte sich Scholz seinen Antrittsbesuch in Washington nicht vorgestellt. Viel lieber hätte er sich darauf konzentriert, mit Präsident Biden die Agenda von Deutschlands G7-Präsidentschaft unter dem Leitbild »Fortschritt für eine gerechte Welt« zu diskutieren und Kooperationsmöglichkeiten etwa bei Scholz’ Lieblingsprojekt eines internationalen Klimaklubs auszuloten.

Stattdessen steht Krisenmanagement in der Sicherheitspolitik in Fokus. Dabei ist es ironisch, dass Scholz in den USA weit kritischer gesehen zu werden scheint als seine Vorgängerin. Genauso wie Merkel ist Scholz Transatlantiker und Nato-Anhänger. Merkel hat die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 über Jahre hinweg mit gleich großer Verve unterstützt wie Scholz. Und im aktuellen Russlandkonflikt vertritt Scholz eine Linie, die in Kontinuität zu Merkel liegt und die (mit Ausnahme von Waffenlieferungen an die Ukraine) die Politik der US-Regierung vollumfänglich unterstützt.

Doch das ist bislang öffentlich kaum durchgedrungen – was Scholz selbst zu verantworten hat. Er sprach zwar früh vom hohen Preis, den Putin für eine weitere Invasion der Ukraine werde zahlen müssen. Doch Scholz ließ lange Klarheit mit Blick auf Sanktionen vermissen. Als er schließlich Mitte Januar die SPD-Führung auf die Formel »Alle Sanktionen sind auf dem Tisch« einschwor, hatte sich bei vielen ausländischen Kritikern schon der Eindruck eines Kanzlers festgesetzt, dem die Nord-Stream-2-Pipeline wichtiger ist als die Verteidigung der europäischen Friedensordnung.

Das Treffen mit Präsident Biden in Washington bietet Scholz nun die Bühne, diesen Eindruck zu korrigieren. Dazu sollte er noch einmal mit Nachdruck betonen, dass alle Sanktionen (auch der Stopp von Nord Stream 2) für Deutschland auf dem Tisch liegen. Gleichzeitig sollte sich Scholz in Washington in aller Deutlichkeit von Gerhard Schröder distanzieren, dessen Lobbytätigkeit für russische Staatsunternehmen und bedingungslose Verteidigung der Kremlpolitik nicht nur den Ruf der SPD, sondern auch Deutschlands in Mitleidenschaft zieht.

Das gibt Scholz dann auch die Glaubwürdigkeit, seine US-Gastgeber daran zu erinnern, dass die Kosten für Sanktionen fair verteilt werden sollten und dass die USA einer der größten Importeure russischen Öls sind, was jedoch von Washington bislang nicht zur Disposition gestellt wird.

In der gegenwärtigen Krise geht es um weit mehr als die Ukraine

Noch wichtiger ist es, dass Scholz ein klares Signal setzt, dass Deutschland zusätzliche militärische Investitionen in die Abschreckung des Kremls und die Verteidigung der Nato-Bündnispartner an der Ostflanke unternehmen wird. In der gegenwärtigen Krise mit Russland geht es um weit mehr als die Ukraine, wie der umfassende Forderungskatalog des Kreml deutlich macht. Osteuropäische Nato-Partner fühlen sich aus nachvollziehbaren Gründen davon bedroht. Berlin muss dem Rechnung tragen.

Ein starkes Europa auf der Weltbühne, das Scholz anstrebt, wird es nicht geben, wenn sich Deutschlands osteuropäische Partner von Berlin alleingelassen fühlen. Und Scholz’ Projekt einer »neuen europäischen Ostpolitik« kann nur funktionieren, wenn Deutschland bereit ist, zusätzliche Investitionen in die Sicherheit der osteuropäischen Partner zu leisten.

Dabei kann der Kanzler an das Vermächtnis der Ostpolitik Willy Brandts anknüpfen. Anders als viele Geschichtsklitterer heute behaupten, war Abschreckung für Brandt die Voraussetzung für Entspannungspolitik. Unter Brandts Führung erlebte der Verteidigungshaushalt bis dato ungekannte Steigerungsraten. 1973 argumentierte der spätere Friedensnobelpreisträger, dass uns die »Freiheit, an Entspannung und Ausgleich mitzuwirken« nicht »geschenkt werde«. Der Verteidigungshaushalt helfe »unserer Friedensarbeit«. »Präsenz und Kampfkraft der Bundeswehr müssen erhalten bleiben.«

Genauso funktioniert heute die Formel »Dialog und Härte« der Bundesregierung mit Blick auf Russland nur, wenn Deutschland auch in der Härtung der Verteidigungsfähigkeiten der Nato-Bündnispartner investiert. Bei dieser Aufgabe kann sich Deutschland nicht allein auf die USA verlassen. Wir sollten uns von den 3000 zusätzlichen Soldaten, die Präsident Biden nach Europa schickt, nicht täuschen lassen. Mittelfristig müssen die USA ihre Präsenz in Europa reduzieren, um sich darauf zu konzentrieren, Pekings Hegemonialstreben im Indo-Pazifik Paroli zu bieten. Und dies wird passieren, ganz gleich, ob wir Glück haben und der Trumpismus 2024 keinen Weg zurück an die Macht findet.

Schulterschluss mit Washington gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen aus Peking

Gleichzeitig sollte Scholz in Washington konkrete Vorschläge für transatlantische Zusammenarbeit in der Chinapolitik machen. In seiner Regierungserklärung legte Scholz dafür die Grundlage. Er sprach von der Notwendigkeit, »unsere Chinapolitik an dem China aus(zu)richten, das wir real vorfinden« und »global den Wettbewerb aufzunehmen«. Der Kanzler fügte hinzu: »Unser wichtigster Partner dabei sind die Vereinigten Staaten.« Dies kann Scholz nun mit Leben füllen mit konkreten Kooperationsangeboten bei grüner Technologie, seltenen Erden, Halbleitern oder globaler Infrastruktur (auf die europäische Global-Gateway-Initiative aufbauend).

Scholz wäre gut beraten, auch den Schulterschluss mit Washington gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen Pekings zu suchen (wie im Falle Litauens). Dies sollte er mit einem Hinweis verbinden, dass Kooperation dann erfolgreich sein wird, wenn die USA auf den Einsatz von Wirtschaftssanktionen gegen demokratische Verbündete verzichten.

Gleichzeitig sollte Scholz in Washington deutlich machen, dass deutsche Friedenspolitik den Status quo in der Taiwan-Straße verteidigen hilft durch nicht-militärische Abschreckung Pekings. Mit dieser klaren Agenda kann Scholz in Washington nicht nur Zweifel an der Verlässlichkeit Deutschlands als Bündnispartner ausräumen. Er kann auch deutlich machen, dass er eine ambitionierte Politik als seine Vorgängerin Merkel verfolgt.

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