Gerade eben war Venezuelas Autokrat Nicolás Maduro in Washington noch das verachtete politische Schmuddelkind Lateinamerikas. Jetzt nähern sich die USA an das sozialistische Regime an, um Ersatz für russisches Öl und Gas zu besorgen. Glaubwürdig ist das nicht.
Der völkerrechtswidrige russische Überfall auf die Ukraine sorgt nicht nur in Deutschland, sondern auch auf dem amerikanischen Kontinent für atemberaubende Dynamiken. Eine davon ist die diplomatische Annäherung der USA an das sozialistische Regime des venezolanischen Autokraten Nicolás Maduro. Denn der hat etwas, ohne das die USA ihren Importstopp gegen Russland nur schwer durchhalten können: Erdöl.
Bis vor wenigen Tagen war Maduro in Washington noch das verachtete politische Schmuddelkind Lateinamerikas: Maduro hetzt seine Todesschwadronen in den Armenvierteln auf Oppositionelle, ist laut Menschenrechtsorganisationen für außergerichtliche Hinrichtungen und massive Repression verantwortlich. Ganz nebenbei hat sich Venezuela auch noch zur lukrativen Drehscheibe für den illegalen Drogenhandel entwickelt.
Seit Maduros Amtsantritt als politischer Erbe des Revolutionsführers Hugo Chávez sind sechs Millionen Menschen aus dem südamerikanischen Land geflohen. Die USA verhängten deswegen harte Sanktionen, reduzierten die Öleinfuhr aus Venezuela dramatisch und setzten auf den oppositionellen Interimspräsidenten Juan Guaidó, der aber seit nun fast drei Jahren nicht über eine symbolische Rolle hinauskommt.
Jetzt muss Guaidó mitansehen, wie die US-Diplomatie nicht mit ihm, sondern erstmals seit Jahren wieder mit Maduro verhandelt. Nüchtern betrachtet ist das eine Anerkennung der politischen Realitäten. Diplomatisch gesehen geht es um eine Art politischen Doppelverrat: Im Gegenzug dafür, dass Maduro seinem russischen Schutzpatron Wladimir Putin die Gefolgschaft entzieht und die boykottierten Öllieferungen teilweise ausgleicht, fällt Washington Guaidó in den Rücken und verschafft Maduro neue politische Anerkennung.
Das ist gelinde gesagt ein gefährlicher Drahtseilakt, denn damit offenbart die US-Diplomatie, dass ethische Grundsätze über Bord geworfen werden, sobald das opportun erscheint. Das alles scheint aber Teil einer Strategie zu sein, Lateinamerika vom Einfluss Putins abzuschneiden. Koste es, was es wolle – auch die eigene Glaubwürdigkeit.
Offenbar ist die Furcht vor dem wütenden Autofahrer in den USA angesichts der steigenden Spritpreise so groß, dass all die Toten, Vertriebenen und Verhafteten Maduros nichts mehr zählen. Zu rechtfertigen ist eine solche Kehrtwende nur, wenn es der US-Diplomatie gelingen würde, nicht nur die Versorgungssicherheit an den amerikanischen Zapfsäulen zu garantieren, sondern auch Maduro in einen zielführenden transparenten Dialogprozess mit der düpierten Opposition zu zwingen, an dessen Ende international unabhängig überwachte Präsidentschaftswahlen stehen. Geht das aber schief, dürften sich so manche Oppositionelle in lateinamerikanischen Linksdiktaturen fragen, wie viel Verlass noch auf Washington ist.
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