Twitter ist für die Meinungsbildung zu wichtig, als dass der reichste Mann der Welt die Plattform kaufen sollte. Die Geschichte zeigt, welche Schäden Medieneigner mit politischer Agenda anrichten.
Er ist ja so voller bester Absichten. Behauptet er jedenfalls. Tesla-Chef Elon Musk will in den sozialen Medien mehr freie Meinungsäußerung ermöglichen. Er will Nutzern mehr Kontrolle darüber geben, was sie lesen und posten. Wäre es also gut, wenn Musk den Kurznachrichtendienst Twitter kauft? Nein, nein und nochmals nein.
Ob man es mag oder nicht, Twitter ist zu einer wichtigen Plattform geworden, über die sich Menschen weltweit informieren. Regierungschefs, Manager und 200 Millionen weitere Nutzer tauschen sich darüber aus. Es ist schlecht, wenn jemand ein einflussreiches Medium kauft, der wirtschaftliche Interessen außerhalb der Branche verfolgt.
In der klassischen Medienwelt vor Social Media gibt es dafür viele Beispiele. Wenn jemand wie Jeff Bezos Amazon mit brachialen Methoden zum weltgrößten Onlinehändler hochboxt, sollte er dabei nicht über das angesehene US-Blatt Washington Post verfügen können. Das Gleiche gilt für Rüstungsindustrielle, die französische Zeitungen kauften.
Dass Musk auch in Medien seine Geschäfte verfolgt, hat er schon bewiesen – ausgerechnet auf Twitter. 2018 tweetete er, er wolle den E-Auto-Hersteller Tesla von der Börse nehmen. Dabei behauptete er fälschlicherweise, das Geld dafür zusammenzuhaben. Die Börsenaufsicht SEC brummte ihm eine Millionenbuße auf. Trotz einer Vereinbarung twitterte er in einer Weise weiter über Tesla, die die Aufsicht als Verletzung des Deals sah. Wird der reichste Mann der Welt der Versuchung widerstehen, Twitter für seine anderen Geschäfte zu missbrauchen, wenn es ihm ganz gehört?
Schlechte Erfahrungen hat die Welt auch mit Medieneignern gemacht, die wie Musk eine politische Agenda verfolgen. Silvio Berlusconi, Regierungschef und Besitzer mehrerer TV-Sender, brockte Italien Jahre des Stillstands ein. Rupert Murdoch ließ seine britischen Zeitungen gegen die EU agitieren und bereitete so den Boden für den Brexit. Die Amerikaner hatten selbst Medienzaren wie William Randolph Hearst. Der organisierte in seinen Blättern Kampagnen dafür, Streiks gewaltsam niederzuschlagen. Seinen Redakteuren legte er nahe, den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt “Stalin” zu nennen.
Liegt der Fall Musk anders, weil seine politische Agenda um freie Meinungsäußerung zu kreisen scheint? Free Speech, das klingt doch super. Aber was meint Musk damit genau? Soziale Medien werden von Fake News überschwemmt, die oft gegen Corona-Maßnahmen oder Migranten hetzen und Rechtspopulisten Wählerstimmen zutreiben. Unter öffentlichem Druck haben Twitter, Facebook und Co. begonnen, falsche und aufrührerische Posts zu löschen. Ohne ins Detail zu gehen, hat Musk Twitter dafür kritisiert, zu sehr einzugreifen und zu wenig freie Meinung zu erlauben.
Fake-News-Schleuder Donald Trump twitterte wochenlang, er sei um seine Wiederwahl betrogen worden. Im Januar 2021 stürmte ein Mob das US-Kapitol. Twitter sperrte Trump, nach unzähligen Warnungen zuvor. Nur drei Tage später twitterte ein gewisser Elon Musk: “Viele Menschen werden unglücklich sein, dass die Tech-Konzerne de facto die freie Meinung kontrollieren.” Musk setzt sich dem Verdacht aus, free speech mit den Lügen zu verwechseln, die die amerikanische Gesellschaft gefährlich gespalten haben.
Womöglich handelt es sich bei seinem Kaufangebot ja nur um eine der Nebelkerzen, die Musk so liebt. Vielleicht will er Twitter gar nicht kaufen, sondern den Kurs hochtreiben, um seine Anteile mit Gewinn abzustoßen. Nachdem er zuvor mit Tweets die Aufmerksamkeit hochtrieb, etwa mit der Frage: Stirbt Twitter? Das wird dann vielleicht ein Fall für die Börsenaufsicht.
Meint er es aber ernst mit dem Kauf, ist die Antwort einfach. Die Plattform ist zu wichtig, um in die Hände eines zweifelhaften Milliardärs zu fallen. Hände weg von Twitter, Elon Musk!
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