The American President Must be Dyed-in-the-Wool American

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Montag, 9. Juni 2008

“Melting pot” Amerika

Präsident muss “waschecht” sein

Waschechter Amerikaner muss in den USA nur der Präsident sein – das schreibt die Verfassung vor. Das 304-Millionen-Volk aber, das ihn wählt, ist so bunt gemischt wie kein anderes. Ob Europäer, Latinos, Asiaten, oder Afrikaner – die Vereinigten Staaten nehmen mehr Immigranten auf als jedes andere Land. Im Einwanderungsland Nummer Eins sind mehr als elf Prozent der Bevölkerung im Ausland geboren. Jährlich kommen bis zu eine Million Einwanderer dazu. Der “melting pot” Amerika, der Schmelztiegel der Kulturen, verändert dadurch ständig sein Gesicht.

“Ausländer ist hier praktisch jeder”, kokettieren Amerikaner gern und verweisen auf ihre 400-jährige Einwanderer-Geschichte. “Welcome to America!” Erst kamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts Briten und Niederländer, dann folgten die Deutschen, um das weite Land zu besiedeln. Waren es bis Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in erster Linie Europäer, kommt der Großteil der Ausländer nun aus Südamerika und Asien. Und mit ihnen eine ganz neue Dynamik.

In New York locken Viertel wie Little India und Little Pakistan. Ein Chinatown gehört zu Metropolen wie Washington schon fast dazu. Vor allem aber an der Westküste sind Chinesen, Japaner, Taiwanesen und Koreaner prägend. Das Technik-Eldorado Silicon Valley in Kalifornien etwa ist fest in asiatischer Hand. “Früher kamen die Chinesen in die USA, um Restaurants oder Wäschereien aufzumachen”, sagt dort der asiatische Manager einer Computerfirma. “Aber das hat sich vor zehn Jahren geändert”

Bereits da ging rund ein Viertel aller Hightech-Firmengründungen in der Region auf asiatische Einwanderer zurück. Sie sind die Aufsteiger-Elite Kaliforniens: Über 80 Prozent machen einen Highschool-Abschluss, sie glänzen mit guten Noten und belegen im Schnitt mit einem Viertel die verhältnismäßig meisten Plätze an Elite-Universitäten der Westküste. Einer von vier Doktortiteln, die in den USA in technischen Wissenschaften und Ingenieurswesen vergeben werden, geht an chinesische Studenten. Ein Großteil der Asiaten, die hierher kommen, stammt bereits aus der gebildeten Mittelschicht ihres Landes – im Unterschied etwa zu den Hispanics.

Die Einwanderer aus Mittel- und Südamerika sind wiederum die größte und am schnellsten wachsende Gruppe. Nach Berechnungen der US- Zensusbehörde werden im Jahr 2050 über 102 Millionen Hispanics in den USA leben. Schon jetzt ticken kalifornische Großstädte wie Los Angeles oder San Diego “spa-nglish”. Der neue Slang, ein Mix aus Spanisch und Englisch, bahnt sich seinen Weg durchs ganze Land. “No Hangear” mahnt etwa ein Schild in Springfield, Massachusetts Jugendliche: “Nicht hier herumhängen!” Ein Professor am Amherst- College im selben Bundesstaat bot bereits den ersten Kurs in Spanglish an.

Vorbei die Zeiten, in denen Zugezogene automatisch zu Englisch sprechenden Amerikanern wurden. In Teilen der USA, vor allem im südlichen Texas, ist spanisch zweite Geschäfts- und Mediensprache. Sender wie Telemundo und Unovision florieren landesweit. Spanische Gottesdienste sind in vielen Gemeinden ein Muss. Wer in den USA ein Amt anruft, kann zwischen Spanisch und Englisch wählen. Verzweifelt kämpfen einige Parlamentarier in Washington darum, Englisch als Amtssprache in die Verfassung aufzunehmen – sie scheitern am Widerstand derer, die das diskriminierend finden.

Der umstrittene Harvard-Politologe Samuel Huntington warnte vor einer “Immigrantenflut”, die Amerika in ein Land mit zwei Sprachen, zwei Kulturen und zwei Völkern spalten würde. Nach Erhebungen der renommierten Denkfabrik PEW ist vielen Amerikanern der Anstieg an Zuwanderern tatsächlich nicht mehr geheuer. “Die Gründe sind je nach Bevölkerungsgruppe vielschichtig”, heißt es in dem PEW-Bericht: “Angst um Jobs, Furcht um den Verlust amerikanischer Werte, Sorge um die Staatskosten oder die Angst vor Terror und Kriminalität.” Aber auch Lapidareres beschäftigt die US-Bürger offenbar, so das Meinungsforschungsinstitut Gallup: etwa der Unmut darüber, dass durch die Vermischung mit den kleinwüchsigeren Südamerikanern die Durchschnittsgröße der Amerikaner wieder schrumpft.

Wissenschaftler der Universitäten Duke, New York und Harvard betonen dagegen, welch bedeutenden Schub Einwanderer der US- Wirtschaft geben: Ein Viertel der zwischen 1995 und 2005 gegründeten Unternehmen sind nach ihrer Studie durch Immigranten entstanden. Ohne Latinos, Asiaten und Afrikaner könnten demnach ganze Fabriken, Serviceunternehmen und Restaurants schließen. Die Investmentbank Goldman Sachs fand kürzlich in einer Studie heraus, dass über die Hälfte des Reichtums in den USA durch unterdurchschnittliche Löhne erwirtschaftet wird. Das wiederum wird als Beleg dafür gewertet, welch großen Beitrag Einwanderer – vor allem die illegalen – zur US- Wirtschaft leisten.

Die Frage des Umgangs mit diesen rund zwölf Millionen Illegalen ist ein heikles Thema. Die meisten sind über die mehr als 3000 Kilometer lange Grenze mit Mexiko in die USA gekommen. 2006 war Präsident Bush mit seinem Vorschlag gescheitert, den Illegalen qua Gesetz leichter einen legalen Status zu verschaffen und dafür wiederum in anderen Fällen einfacher ausweisen zu können. Ausgerechnet seine Republikaner haben diesen Vorschlag abgelehnt. Stattdessen beschloss der Kongress die Errichtung eines rund 1100 Kilometer langen Zauns entlang der Mexiko-Grenze – auch mit den Stimmen der gegenwärtigen Präsidentschaftsanwärter beider Parteien.

Von Antje Passenheim, dpa

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