Amerika zeigt wieder Flagge
Von Jochim Stoltenberg
Mit einem großen Volksfest rund um die neue Botschaft am alten Platz, dem Pariser, öffnet sich Amerika wieder für die Berliner. Nach Jahren der Abschottung hinter Betonblöcken und stacheldrahtbewehrten Stahlzäunen zeigt die westliche Supermacht endlich wieder Flagge in Berlin, ist Teil der “guten Stube” der Hauptstadt zwischen Brandenburger Tor und dem “Adlon” geworden. Es wurde höchste Zeit.
Amerikas Ruf und Anziehungskraft hat in den letzten Jahren arg gelitten. Das hatte mit politischen wie militärischen Entscheidungen zu tun. Und natürlich mit einem Präsidenten, dessen Sendungsbewusstsein und oft radikale Rhetorik auch viele Deutsche verstörten. Die Folge ist eine höchst bedenkliche Abkühlung in den Beziehungen zu den USA. Nicht gegenüber Land und Menschen, schon gar nicht gegenüber den gemeinsamen Wertevorstellungen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Aber eben sehr stark gegenüber dem Präsidenten der vergangenen acht Jahre und dessen Administration. Es gilt, verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
Die neue Botschaft neben dem Brandenburger Tor, genau dort, wo einst die Mauer Berlin, Deutschland und Europa teilte, ist ein idealer Ort dafür. Er symbolisiert den Sieg der Freiheit über Diktatur und Unterdrückung. Er erinnert daran, dass das unmöglich Erscheinende möglich ist, wenn ein Ziel (Wiedervereinigung) beharrlich verfolgt wird und man verlässliche Verbündete (Amerika) an seiner Seite weiß. Bei allem notwendigen Erinnern ist Nostalgie allein zu wenig. Von dieser Botschaft muss – völlig losgelöst von ihrer umstrittenen Architektur – ein Signal für die Zukunft ausgehen: Amerika verlässt die durch die obwaltenden terroristischen Umstände aufgezwungene Festung, öffnet sich, zeigt in Deutschlands Hauptstadt wieder Flagge, wirbt offensiv zumindest um Verständnis für seine Rolle als letzte Supermacht. Nirgends in der Welt hat Amerika die sich selbst gestellte Herausforderung überzeugender gemeistert als in Berlin. Von hier aus kann, von hier aus muss es gelingen, das durch Misstrauen und Besserwisserei einerseits, Arroganz und Beratungsresistenz andererseits arg ramponierte Vertrauensverhältnis wieder zu drehen und zurückzuführen zu ehrlich partnerschaftlichen Beziehungen.
Ein neuer Präsident und sein neuer Botschafter eröffnen die Chance für eine Wiederbelebung spür- und erfahrbarer deutsch- amerikanischer Freundschaft.
Das heutige Volksfest, zu dem der scheidende Botschafter die Berliner lädt, ist so ein Zeichen des guten Willens. Die Berliner werden es allen leider noch immer notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz zu schätzen wissen. Niemand wird fortan erwarten, dass angesichts der terroristischen Bedrohungslage die neue Botschaft ein Haus der offenen Türen sein wird. Aber es gibt Grenzen des Zumutbaren. Aus einer gewissen Sicherheitshysterie heraus neigen die Amerikaner dazu, diese zu überschreiten. Das schreckt mehr als nötig ab. Absolute Sicherheit ist ohnehin illusorisch. Deshalb sollte der künftige Botschafter bedenken, dass ein bisschen weniger martialisches Gehabe rund um sein Haus der gemeinsame Sache dienlich wäre.
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