Das Bankgeheimnis verewigen oder «reformieren»
Vorläufig ist in den Parteien nur eine Ausweitung der Zinsbesteuerung
mehrheitsfähig
Seit dem Nachgeben gegenüber den USA wälzen Politiker Ideen, wie der Schweizer Finanzplatz geschützt und das Bankgeheimnis verteidigt oder aber revidiert werden könnte. Die Preisgabe der Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung, einer Schweizer Eigenheit, ist in den
bürgerlichen Parteien jedoch (noch) nicht mehrheitsfähig.
Die gute Nachricht zum Thema Finanzplatz kam am Dienstag aus dem Justiz- und Polizeidepartement: Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf reist nächsten Montag nach Washington zu ihrem amerikanischen Amtskollegen Eric Holder. Gesprächsthemen seien die Zusammenarbeit der Justizbehörden beider Länder, die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität, Fragen im Zusammenhang mit dem Gefangenenlager Guantánamo – und der «Themenkomplex UBS». Man spricht also endlich auch auf
Regierungsstufe miteinander; das Fehlen solcher Kontakte und einer
erkennbaren Verhandlungsstrategie war in den letzten Tagen quer durch die Parteien kritisiert worden.
Quellenbesteuerung ausweiten
In der innenpolitischen Diskussion rückt indes die Frage in den Vordergrund, wie der Finanzplatz nach den von internationalem Druck bestimmten Noteingriffen längerfristig gestärkt und
weiterentwickelt werden kann. Die SP als alte Kritikerin der Bankenwelt und der Steuerflucht trat am Dienstag einmal mehr offensiv auf und präsentierte ihre Forderungen an einer
Medienkonferenz. Auch in den anderen Parteien sind jedoch intensive Diskussionen im Gang, und nächste Woche wollen sie an Fraktionssitzungen die Position im Hinblick auf die absehbaren dringlichen Debatten in der Märzsession festlegen.
Die Diskussionen laufen hauptsächlich auf zwei Schienen: Reform, das heisst Einengung des Bankgeheimnisses einerseits, Verteidigung des Bankgeheimnisses und allfällige Begleitmassnahmen anderseits.
Die bürgerlichen Parteien wollen das Bankgeheimnis möglichst uneingeschränkt verteidigen. Als Ersatz für eine Auslieferung von Kundendaten, wie sie die UBS letzte Woche auf Druck der USA vornahm, sehen FDP und CVP eine Ausweitung der Quellenbesteuerung, wie sie die Schweiz im Rahmen des
Zinsbesteuerungsabkommens für EU-Länder vornimmt. Eine Ausweitung wäre inhaltlich und geografisch möglich: Die Zinsbesteuerung erfasst bis anhin nur natürliche Personen, durch die Erfassung juristischer Personen würde eine Umgehungsmöglichkeit beseitigt. Ausgedehnt werden könnte sie auch von Zinsen auf andere
Vermögenserträge, namentlich Dividenden. Und geografisch käme
ein Abschluss analoger Abkommen mit Nicht-EU-Ländern, namentlich den USA, in Frage. Der Bundesrat hat diese Möglichkeit bis anhin erwähnt, aber kaum aktiv angeboten. FDP-Fraktionschefin Gabi Huber schlägt vor, das Angebot als Gegenleistung zu einem
Freihandelsabkommen einzubringen, über das der Bundesrat mit den USA seit längerem verhandeln möchte.
Steuerbetrug oder -hinterziehung?
Um das Bankgeheimnis im traditionellen Verständnis der Schweiz geht es hingegen, wenn die Unterscheidung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung in Frage gestellt wird. SP-Präsident Christian Levrat forderte am Dienstag, nur noch die einmalige und fahrlässige
Steuerhinterziehung (einfache Unterlassungen bei der Steuererklärung) als harmlose Übertretung zu taxieren. Vorsätzliche
und wiederholte Steuerhinterziehung solle hingegen wie Steuerbetrug geahndet werden. In der Folge würde die Rechts- und Amtshilfe, welche die Schweiz den Behörden anderer Länder bis anhin nur bei Steuerbetrug gewährt, entsprechend ausgedehnt.
In den letzten Tagen haben auch einzelne Politiker in CVP (Fraktionschef Urs Schwaller) und FDP (Didier Burkhalter, Johann Schneider-Ammann, Christian Wanner) erklärt, die Schweiz müsse wohl die Unterscheidung von Steuerbetrug und -hinterziehung
überprüfen, weil sie im Ausland nicht verstanden werde. Schwaller präzisiert auf Nachfrage jedoch, dass dies für ihn «erst mittelfristig und nur international, gegenüber anderen Ländern, in Frage käme». Vorläufig stehe die Ausdehnung der Zinsbesteuerung im Vordergrund, und im Inland gebe es gar keinen Handlungsbedarf. Eine strengere Behandlung ausländischer Bankkunden würde bedeuten, dass in den Doppelbesteuerungsabkommen das Kriterium der doppelten Strafbarkeit (Amts- und Rechtshilfe nur bei Delikten,
die auch in der Schweiz strafbar sind) aufgegeben werden müsste.
Unnütze Verfassungsnorm
Weder von einer Ausdehnung der Zinsbesteuerung noch von einer
Einengung des Bankgeheimnisses will die SVP etwas wissen. Sie will im Gegenteil das Bankgeheimnis in der Bundesverfassung verankern. Damit ist sie im Parlament schon einmal gescheitert, jetzt will sie aber einen neuen Anlauf nehmen. Nationalrat Hans Kaufmann (svp., Zürich) will zudem mit weiteren Massnahmen (Rückzug von
Goldreserven aus den USA, Verbot von Treuhandanlagen schweizerischer Banken bei ausländischen Instituten) die Erpressbarkeit der Schweiz vermindern. Von einer Verankerung des
Bankgeheimnisses in der Verfassung halten FDP und CVP allerdings
weiterhin nichts: Sie wäre von rein symbolischer Bedeutung hätte
gerade jetzt im Verhältnis zu den USA überhaupt nicht geholfen.
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